Zwei Gründerinnen über Durchhaltevermögen und mehr Mut im Job
Den Mutigen gehört die Welt, sagt ein Sprichwort. Und so passt es vielleicht ganz gut, dass Julia Kruslin (27) und Sophie Thurner (30) ihre Firmen-Idee recht weit draußen in der Welt kam – während des Surfens auf Fuerteventura. Dort dachten Unternehmensberaterin Kruslin und Investmentbankerin Thurner erstmals über ihre Erfahrungen mit Geldanlagen nach.
Im Oktober 2021 ließen sie ihren Ideen dann konkrete Taten folgen und gründeten beatvest, eine Investmentapp für Anfänger, welche den Einstieg ins Investieren leicht macht. Wie viel Mut es dazu brauchte und warum vor allem Jobanfänger nicht vor jeder Schwierigkeit davon laufen sollten, erzählen die Gründerinnen im KURIER Interview.
KURIER: Mut gilt als eine der unterschätztesten Soft-Skills am Arbeitsplatz: Wie wichtig ist er für den beruflichen Erfolg?
Julia Kruslin: Sehr wichtig. Wenn wir nicht mutig gewesen wären, dann hätten wir uns niemals getraut, beatvest zu gründen. Wie mutig das war, fällt uns immer dann auf, wenn jemand zu uns sagt – und das passiert oft–: „Oh, ich habe da auch so eine Idee, die sich als Start-up gut eignen könnte.“ Doch über mehr als eine Idee geht es in 99 Prozent der Fälle nicht hinaus. Das liegt oft daran, dass die meisten den Schritt in die eigene Unternehmensgründung doch nicht wagen. Ein großer Faktor hierbei ist definitiv Mut: Mut den sicheren Job zu verlassen und den Schritt ins Ungewisse zu wagen. Jeder Gründer ist deshalb schon von vornherein ein sehr mutiger Mensch.
Sophie Thurner: Aber auch als Angestellter ist Mut sehr wichtig. Mut treibt zum Beispiel sehr maßgebend Innovation in Unternehmen an. Es gehört Mut dazu, den Job zu wechseln, dem Chef zu widersprechen oder neue Konzepte vorzuschlagen. All das ist ja auch immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Doch sind es genau diese Situationen die dabei helfen, sich weiterzuentwickeln und noch erfolgreicher zu werden.
Wie würden Sie beruflichen Mut definieren?
Sophie Thurner: In einem Satz könnte man so definieren: Mutig sind jene, die sich trauen, den Status quo herauszufordern.
Julia Kruslin: Beruflicher Mut kommt in vielen verschiedenen Facetten. Mutig ist es zum Beispiel, den Kollegen, die morgens immer eine Miene ziehen, einen „Guten Morgen“ zu wünschen, um eine positive Stimmung in das Betriebsklima zu bringen. Mutig ist es aber auch, sich zu trauen in einem Meeting, in dem zehn Leute die gleiche Meinung haben, eine andere zu vertreten. Oder eine Frage zu stellen, die sich niemand auszusprechen traut.
Hat Mut etwas mit Durchhaltevermögen zu tun – also mit der Einstellung, trotz Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben?
Sophie Thurner: Ja. Das Leben einer Start-up Gründerin kann man gut mit einer wilden Achterbahnfahrt vergleichen. An einem Tag läuft alles wie am Schnürchen und man denkt, dass man das Potenzial, die Welt zu verändern. Am nächsten Tage passiert etwas Unerwartetes und man liegt abends schlaflos im Bett und fragt sich leise: Bin ich mutig oder einfach nur dumm?
Julia Kruslin: Sich auf das einzulassen erfordert Mut und ein großes Maß an Durchhaltevermögen. Genau deshalb steht man dann am nächsten Tag wieder mit einem Lachen im Büro und stellt sich den Herausforderungen des Tages. Das Leben ist halt kein Sprint, es ist ein Marathon.
In welchen Situationen muss man beruflich besonders viel Mut zeigen?
Julia Kruslin: Vor allem als Jobeinsteiger, denn man muss sich oft erst eine Reputation aufbauen und immer wieder seine Fähigkeiten unter den kritischen Blicken der Kollegen unter Beweis stellen. Oft braucht es auch Mut als junger Neuling in einer Firma, Aspekte der Firmenkultur infrage zu stellen und Verbesserungsvorschläge zu machen.
Braucht es eine Extraportion Mut, um als junger Mensch ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Sophie Thurner: Ja und Nein. Einerseits hat man als junger Mensch nicht viel berufliche Erfahrung und meist nicht genug monetäre Rücklagen. So muss man oft noch härter arbeiten, um andere von dem Vorhaben der Gründung zu überzeugen. Doch andererseits hat man als junger Unternehmer auch Vorteile: Oft hat man noch keine Familie, ist also flexibler und agiler, wenn es um das Thema Innovation geht. Wir selbst zum Beispiel sind sehr viel unterwegs und arbeiten oftmals bis in die Nacht hinein – eine Familie nebenbei wäre momentan schwierig. Wir könnten uns deshalb auch gut vorstellen, dass es noch mehr Mut bedarf zu gründen, wenn man bereits eine Familie hat.
Ist es Ihrer Meinung nach komfortabler, manchmal nicht mutig zu sein, weil man sich so herausfordernden oder schwierigen Situationen leichter entziehen kann?
Julia Kruslin: Definitiv – nehmen wir noch einmal das Beispiel von zuvor, bei welchem der Großteil der Meetingteilnehmer eine geschlossene Meinung hat und eine Person anders denkt. Klar, wäre es einfacher, sich der Meinung der anderen anzuschließen und ganz komfortabel, das Meeting vorzeitig zu beenden. Jedoch gehen so auch wichtige Ideen verloren. Hätte sich Galileo damals auch einfach der Meinung der breiten Masse zur Form der Erde angeschlossen, dann würden wir alle wahrscheinlich immer noch denken, die Erde ist flach und nicht rund.
Kann man beruflichen Mut lernen?
Sophie Thurner: Wir sind überzeugt davon und leben auch ganz bewusst nach diesem Motto: Je mehr Herausforderungen man sich stellt, desto mehr fordert man seinen Mut heraus. Nehmen wir zum Beispiel ein Beförderungsgespräch oder eine Gehaltsverhandlung. Das erste Mal erfordert das oft Mut, aber je öfter man diese Gespräche führt, desto selbstbewusster wird man. Irgendwann macht man mutige Dinge dann ganz von selbst, ohne darüber nachzudenken. Es wird zu einer Standardcharakteristik.
Wie sieht es bei der Generation der Jobeinsteiger und Jobeinsteigerinnen aus: Stimmt der Vorwurf, dass es Jungen oft aus Bequemlichkeitsgründen an beruflichem Mut fehlt?
Julia Kruslin: Wir glauben, dass Mut keine Frage des Alters ist. Es gibt in jeder Generation Menschen, die Mut beweisen und welche, denen derselbe fehlt.
Wo endet beruflicher Mut und Risikobereitschaft wo beginnt Übermut?
Julia Kruslin: Man sagt das Glück bevorzugt jene, die Mut zeigen und Risiken eingehen. Viele Menschen denken in einem begrenzten Rahmen, oftmals auch aus Sorge von dem eigenen Umfeld als verrückt eingestuft zu werden. Dabei kann man viel leichter große Dinge erreichen, wenn man einer noch größeren Vision nachstrebt. Denn es passiert eher selten, dass man „aus Versehen“ mehr erreicht, als man sich vornimmt, oder? Also warum nicht einfach mal noch größer denken? Elon Musk etwa ist ein prominentes Beispiel hierfür. Er hatte bezüglich der Anforderungen an Tesla und SpaceX ganz konkrete Vorstellungen. Diese hat er aber auch um jeden Preis verfolgt. War die Produktion einzelner Komponenten laut seinen Lieferanten technisch nicht möglich, hat er diese einfach selbst gebaut. Andere hätten am Anfang vermutlich gesagt, er ist dem Übermut verfallen.