Wirtschaft/Karriere

WU-Elite sucht Arbeiterkind

Ich kann mich noch erinnern, dass mein Vater so gegen mein Studium war!" Oder: "Das erste Jahr an der Uni war ein Wahnsinn. Ich wusste gar nicht, wie es geht und zu Hause haben sie mich dauernd gefragt, wann ich denn endlich fertig bin ..." – Geschichten wie diese hört die WU-Alumni-Club Geschäftsführerin Stephanie Marberger derzeit viele. Es sind ehemalige WU-Studierende, die sie ihr erzählen. Genauer gesagt ehemalige First Generation Students – Studierende, deren Eltern selbst nicht studiert haben.

Sie alle wollen eines: Als Mentoren beim neuen Projekt der WU mitarbeiten, das für mehr Heterogenität unter den Studierenden sorgen soll. Konkret wird das "WU@School"-Programm, bei dem WU-Botschafter AHS- , BHS- und Neuen Mittelschulen sowie Schüler die Uni besuchen, ausgebaut. Als flankierende Maßnahme gibt es die "WU4You"-Stipendien an Kinder aus einkommensschwachen Familien. Projekt-Initiatorin Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger ist selbst die erste in ihrer Familie, die studiert hat: "Die Lebensrealität meiner Familie war geprägt davon, dass nach Absolvierung der Schulpflicht ein Beruf ausgeübt wird. Meine Entscheidung wurde trotzdem positiv aufgenommen, weil schon die Meinung existierte, dass Bildung etwas Gutes ist."

Gute Studierende

Mehr "Arbeiterkinder" wünscht sich also die WU – gerade jene Uni, der der Schnösel-Ruf fest anhaftet? "Das Bild ist völlig überholt. Das sieht jeder, der zu uns kommt", relativiert Marberger. Die Zahlen sagen anderes: Der Großteil der WU-Studierenden kommt aus der gehobenen Schicht, lediglich acht Prozent aus niedrigen sozialen Milieus. Das neue Projekt verträgt sich Marbergers Meinung nach aber gut mit Elite-Bestrebungen und Bekenntnis zur Leistung: "Denn es ist im Grunde die Suche nach guten Studierenden. Und die sind überall zu finden, nicht nur in Akademikerfamilien. Man kann sich nicht leisten, diese Talente zu verlieren."

Ein Karrierestart an der Uni – laut OECD-Bildungsstudie Education at a Glance träumen davon vor allem Kinder, deren Eltern ebenfalls Uni-Luft geatmet haben. Nur 21 Prozent der 25- bis 34-jährigen Österreicher schaffen einen Bildungsaufstieg, schließen also eine bessere Ausbildung ab als ihre Eltern. Der OECD-Schnitt liegt bei 32 Prozent. Hier wollen Doris und Bernhard Hofer von der Online-Nachhilfe-Plattform talentify.me gegensteuern. Allerdings direkt in den Schulen, denn die soziale Bildungs-Sortierung beginnt schon dort: Kinder aus bildungsfernen Schichten landen zu 83 Prozent in Hauptschulen. In Gymnasien kommen 78 Prozent der Schüler aus Akademikerfamilien. "Wir sehen aber immer wieder sehr motivierte Jugendliche, die aus diesem Teufelskreislauf der vererbten Bildung ausbrechen. Dies ist aber schwer und es braucht viel Eigenmotivation", meint Doris Hofer.

Träume wecken

Bei vielen, die als Erste in ihrer Familie studieren, muss man den Traum von einem Studium erst wecken. Hofer:"Sich nur hinzustellen und zu sagen – du musst studieren, dann hast du alle Möglichkeiten – ist vor allem bei Kindern aus bildungsfernen Schichten sehr problematisch. Die gehen dann nach Hause und wachen in der Früh in der Realität auf, wo sie niemand dabei unterstützt, diesen Traum zu erreichen." Jugendliche, so Hofer, brauchen Hilfe beim Herausfinden ihrer Talente und konkrete Unterstützung, diese umzusetzen. "Ich denke, es gibt viele Eltern – dazu haben auch meine gezählt – die einer höheren Bildung ihrer Kinder sehr positiv gegenüber stehen. Aber natürlich spielen hier die familiären Einkommensverhältnisse eine große Rolle", sagt die WU- Rektorin. Damit es leichter geht, gibt es die neuen "WU4You"-Stipendien – unterstützt von Sponsoren werden ab Oktober 12 Stipendien zu je 500 Euro pro Monat vergeben.

Ist ein Studium heute wieder eine Frage der Geldbörse der Eltern?"Stipendien sind ein wichtiger Begleitfaktor. Am wichtigsten ist aber die persönliche Unterstützung", meint dazu Marberger. Daher setzt man statt Broschüren vor allem auf Mentoren. Höhersemestrige Studierende wie auch emeritierte Professoren sollen den Stipendienbeziehern mit all den ungewohnten Situationen und der vielen Bürokratie helfen. Wichtig ist Marberger dabei : "Wir wollen mit diesem Projekt nicht signalisieren, dass die First Generation Students zu blöd sind, um es allein zu schaffen. Aber für sie ist der Schritt an die Uni oft größer. Unsere Botschaft lautet: Die Möglichkeiten sind da. Nutzen muss man sie aber selbst."