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WorldSkills: Österreich ist weltspitze

Die erste Stunde bei der Siegerehrung der WorldSkills 2013 in Leipzig war bombastisch. Und bitter. Korea, Korea, immer wieder Korea hallte es aus dem Lautsprecher. Und die Schweiz. Und Brasilien. Zu Beginn der Zeremonie wurden die hochtechnischen Bewerbe und ihre Gewinner geehrt: Manufacturing & Engineering Technology, Information and Communication Technologie – bei diesen Disziplinen wie Elektronik, IT, Robotertechnik und Webdesign sind keine Österreicher in Sicht.

Dann wird das lange Warten gebrochen, die traditionellen Kategorien werden aufgerufen: Mehrmals in Serie tönt es „Austria!“ – die Nominierten laufen mit rot-weiß-roter Fahne auf die Bühne. Österreich holt Medaillen, auf einmal sind es viele. Koch, Fliesenleger, Malerin, Installateur, Steinmetz, Bautischler, Maurer, Landschaftsgärtner, Metallbauer, Möbeltischler und Kellnerin räumen ab – grandios, großartig, Begeisterung.

Österreich ist bestes Land der EU, in Europa ist nur die Schweiz stärker. Unsere Fachkräfte konnten elf Medaillen erringen und weitere elf Diplome „Medallion for Excellence“. Das Ergebnis ist das beste seit den WorldSkills 2003 (dort ebenso elf Medaillen), sowie die höchste Anzahl an Goldmedaillen seit den WorldSkills 1991.

WKO-Vizepräsidentin Renate Römer, die treibende Kraft hinter dem Projekt, blickt zur Bühne im 9000-Personen-fassenden Auditorium der Messehalle Leipzig. Sie hat Tränen in den Augen. Für sie ist das „eine Bewegung, die im Kopf und im Herzen stattfindet.“ Im Zuge der Weltmeisterschaft sei aus jedem Teilnehmer noch ein Stück mehr geworden, die intensive Vorbereitung, mental und fachlich, habe sich bezahlt gemacht. Auch die Delegationen aus dem Wirtschaftsministerium, dem Unterrichtsministerium und den Wirtschaftskammern der Länder sind euphorisch. ibw-Geschäftsführer Thomas Mayr fühlt sich bestätigt, er hält die Lehre hoch, ging in Leipzig in politischer Mission von Podium zu Podium. Halb Europa interessiere derzeit das System Lehre nach österreichischem Vorbild. „Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Österreich im Vergleich zu Ländern wie Spanien und Griechenland niedrig. Das ist direkt auf die Ausbildung in den Schule und Betrieben zurückzuführen“, sagt Mayr. Trotzdem gebe es Hausaufgaben für Österreich: die Lehre braucht dringend ein besseres Image, in den modernen, technischen Disziplinen müssen wir besser werden.

WM der Superlative

Die Berufs-WM findet alle zwei Jahre statt. Leipzig, seit Jahrhunderten Messestadt, veranstaltete die WorldSkills mit deutscher Präzision: Riesiges Gelände, perfekte Organisation, tolle Ausstattung. Dieses Jahr traten 29 junge Fachkräfte (alle unter 23 Jahre) aus Österreich an. Bei einem Bewerb der Superlative: Erstmals nahmen mehr als tausend Fachkräfte aus aller Welt in 46 Disziplinen teil. Da wird tagelang gebohrt, gehämmert, gefräst und gezeichnet, werden Fliesen verlegt und Blumen gebunden, Gärten angelegt und Speisen gekocht. „Am Ende entscheiden Nuancen in der Ausführung, das Teilnehmerfeld ist unheimlich dicht“, erklärt Jurymitglied Andreas Buchner.

Große Konkurrenz

Die Anstrengungen der vergangenen Tage, Wochen und Monate zeigten sich deutlich in den Gesichtern der Teilnehmer. Sie waren heuer besonders müde, ein Bronzemedaillen-Gewinner vor der Siegerehrung: „Ich bin so fertig, ich will einfach nur nach Hause und schlafen.“ Unsere Athleten, wie Skiflieger Thomas Morgenstern die WorldSkills-Teilnehmer bei der Siegerehrung nannte, haben sich ein halbes Jahr lang intensiv vorbereitet. Wichtiges Novum: ein Mentalcoach, der die jungen Frauen und Männer auf den Wettkampf vorbereitet. Der sei notwendig geworden: „Der Druck bei den Skills wird immer stärker“, erklärt WKO-Vizepräsidentin Renate Römer. Diese jungen Menschen geben alles, sind ehrgeizig, wollen gewinnen – das geht bis zur totalen Erschöpfung. Wenn der Druck nachlässt, ist auch die Kraft weg.

Es bleiben herausragende Leistungen und Auszeichnungen: Österreichs Fachkräfte und mit ihnen die Lehre sind weltklasse.

KURIER: Das World­Skills-Team hat sensationell gut abgeschnitten. Wie beurteilen Sie die Leistung?

Renate Römer: Ich bin von der Qualität äußerst angetan. Die Fähigkeiten der Teilnehmer rücken immer weiter zusammen, der Unterschied zwischen den Staaten wird geringer. Besonders begeistert hat mich der Teamgeist zwischen den jungen Menschen. Ich glaube, wir können in der Vorbereitung noch mehr tun, vor allem mit Mentaltrainern. Der Druck war heuer enorm, sie sind total erschöpft.

Interessant ist, dass Asiaten, allen voran das Team Korea, herausragend gut sind. Warum?

Weil sie das generalstabsmäßig angehen. Sie rekrutieren aus einer viel größeren Gruppe von Menschen. Wenn ein Teilnehmer eine Medaille macht, wird die Familie ein Leben lang unterstützt. Andererseits müssen sie sich öffentlich entschuldigen, wenn sie nicht gewinnen – da ist viel Druck.

In den hochtechnischen Disziplinen waren wir nicht so gut. Wieso?

Wir haben hier zu wenig junge Facharbeiter. Brasilien war herausragend, sie tragen die WorldSkills in zwei Jahren aus, nehmen das sehr ernst.

Wo orten Sie das größte Manko in der Ausbildung?

In der Ausbildung sehe ich kein Manko. Ich sehe ein Imageproblem. Wir müssen den Eltern sagen, dass eine Facharbeiter-Ausbildung enormen Wert hat. Wir müssen uns auch Richtung neuer Berufe konzentrieren, brauchen neue Lehrpläne.

Welchen Stellenwert hat Facharbeit in Österreichs Wirtschaft?

Einen hohen, das ist auch der Grund, warum unsere Arbeitslosenstatistik noch gut ist.

Wir schielen auf die Akademikerquote – ist das der richtige Weg?

Da muss man die unterschiedlichen Anerkennungssysteme in Europa bedenken. Aber: Wir müssen marktkonform ausbilden, eine Unzahl von Juristen hilft nichts, wenn es keinen Markt gibt.

Wie kann man das Image der Lehre heben?

Reden, überzeugen, Best Practices zeigen. Trommeln, dass mit Lehre auch Matura, Studium und alles möglich sind.