Wirtschaft/Karriere

WG der Gegensätze

Magdalena ist im Moment die einzige Kellnerin im Lokal Vinzi mittendrin. Es ist früh und noch nichts los. Da hat die 25-Jährige Zeit, um mit Christl , 65, zu plaudern, die gerade vom Einkaufen kommt. Christl setzt sich an den ersten Ecktisch im Garten. Sie möchte nichts konsumieren, sie ist ja hier zu Hause. Aber sie plaudert mit den Leuten, die an ihr vorbeigehen. Und das sind genug – auch wenn im Lokal noch fast keine Gäste sind, gehen Leute ein und aus, putzen, sitzen, reden.

Christl kennt sie, es sind Bewohner und Mitarbeiter des VinziRast-mittendrin-Wohnprojekts. Direkt über dem Lokal wohnen Studenten wie Magdalena zusammen mit ehemaligen Obdachlosen wie Christl in WGs. Menschen zwischen 18 und Ende 50, aus Österreich und der Welt – bis Afghanistan, Design-, wie Politikwissenschafts-studenten und ehemals Obdachlose mit unterschiedlichen früheren Berufen. Sie teilen sich Küche und Bad, kochen gemeinsam, sitzen im Vereinsgarten, schauen Filme, zwei Mal waren sie schon gemeinsam fort.

„Wir sind so durchgewürfelt, es ist wahnsinnig spannend. Jeder hat eine Geschichte zu erzählen“, findet Magdalena. „Es ist super. Ich liebe das.“

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Das Wohnprojekt wurde am 23. Mai eröffnet, die Bewohner leben seit knapp zwei Monaten zusammen. „Bis jetzt ist die Entwicklung sehr positiv“, sagt Cecily Corti, Obfrau der Vinzenzgemeinschaft St. Stephan. Immerhin böten WGs an sich schon genug Potenzial für Konflikte – umso interessanter, wenn so unterschiedliche Gruppen aufeinander treffen. Noch dazu sei das Projekt einzigartig, es gebe kein vergleichbares. Aber die Studierenden seien offen, hätten Freude und echtes Interesse am Projekt. Darauf wurde bei der Auswahl geachtet: In mehreren Gesprächen wurde nach einer Bewerbung ausfindig gemacht, ob sie für das Projekt geeignet sind. „Wir wollen auf keinen Fall Leute, die nur eine Wohnung suchen“, betont Corti, die die Aufnahmegespräche begleitet hat. Auch die ehemals Obdachlosen wurden ausgewählt. Sie waren davor zum Teil im zweiten VinziRast-Projekt untergebracht, einer Notschlafstelle in Wien Meidling. Oder sie wurden von anderen betreuten Wohneinrichtungen wie der Gruft empfohlen.

So kam auch Christl dazu. Wegen ihrer Herzkrankheit konnte sie nach einem Spitalsaufenthalt nicht mehr auf die Straße und wandte sich an die Gruft. „Aber in der VinziRast ist es eh viel schöner“, ist sie begeistert von ihrem neuen Zuhause. „Jeder hat seine Privatsphäre und das Schöne ist, dass die Jungen vor dem Alter Respekt haben. Und im Herzen bleib’ ich auch jung.“ Das Zusammenleben funktioniere, Konflikte würden diskutiert und dann vergessen. Natürlich kennt Christl auch die Notwendigkeit, die Jugend zurechtzuweisen: „Wenn in der Küche gekocht wird, lassen die Studenten oft was liegen. Aber da sag’ ich schon, jetzt wird weggeräumt!“ Man raufe sich eben zusammen.

In Gemeinschaft lernen

Gemeinschaft ist die große Intention des Projekts, man kann miteinander und voneinander lernen. „Es ist eine neue Form der Inklusion der Menschen, die an den Rand gedrängt wurden – nicht über Therapie, Kontrolle und Sanktionen, sondern durch das Zusammenleben und miteinander Lernen“, beschreibt Cecily Corti das Konzept des Wohnprojekts.

Langfristig sollen die Bewohner auch unterstützt werden, Arbeit zu finden. Jetzt schon führen die ehemals Wohnungslosen unter Anleitung kleine Arbeiten im Haus aus, übernehmen schrittweise Verantwortung und lernen, Zeiten einzuhalten. Christl hilft fünf bis sechs Mal pro Woche in der Küche, einer von Magdalenas Mitbewohnern macht sauber. Andere sind für die Blumen im Vereinsgarten zuständig.

Der Vereinsgarten ist gleich neben dem Lokal im Erdgeschoß des Hauses. Das Lokal ist nicht nur Treffpunkt für Bewohner und Besucher, es bietet auch Arbeitsmöglichkeiten. Bewohnerin und Kellnerin Magdalena findet es gut, im Haus auch zu arbeiten: „Man bekommt noch mehr Bezug zum Haus.“

Die drei hausinternen Werkstätten wurden beim Sanieren und Einrichten des Hauses schon stark genützt , ab Ende August sollen dort Fahrräder und Möbel repariert und Textilien hergestellt werden. Ehrenamtliche Mitarbeiter arbeiten mit den ehemals obdachlosen Bewohnern zusammen.

Wie viel Einfluss und Effekt das Projekt tatsächlich hat, soll auch wissenschaftlich festgehalten werden. Ob es dazu beiträgt, dass Anrainer sich einbringen wollen, beispielsweise. Oder welche Einsichten die Studenten dadurch bekommen. Gespräche mit Rektoren gibt es dazu schon.

Die VinziRast mittendrin ist ein Wohnprojekt der Vinzenzgemeinschaft St. Stephan. Das Haus wurde am 23. Mai eröffnet. An der Währinger Straße wohnen derzeit 24 Studenten und ehemals Obdachlose in neun Wohngemeinschaften zu zweit oder zu dritt zusammen. Die Mieten kosten je nach Zimmergröße zwischen 280 und 350 Euro. Im Erdgeschoß ist das öffentliche Lokal Vinzi mittendrin.

Spenden an den Verein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan

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