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Wiederaufbau: Wie Betriebe sich für die Zeit nach Corona rüsten

Von einer Auferstehung nach Ostern, sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz, als er vergangenen Montag die schrittweise Wiederöffnung des heimischen Handels verkündete.

Erst sollen am 14. April kleine Geschäfte unter 400 Quadratmetern sowie Bauhäuser und Gartencenter öffnen. Immerhin machen diese kleinen Geschäfte, laut Angaben der Wirtschaftskammer gut zwei Drittel des heimischen Einzelhandels aus.

Dann folgen im Zweiwochentakt größere Geschäfte und Friseure. Ab Mitte Mai soll auch der Tourismus wieder stufenweise hochgefahren werden. Details wann genau auch Gastronomie- und Hotelbetriebe wieder ihre Türen für Gäste öffnen dürfen, sind zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht bekannt.

Das alles, um die Wirtschaft und das Land wieder schrittweise aus dem Corona-bedingt Wachkoma zu wecken – aber der wirtschaftliche Schaden ist getan. Etwa zwei bis drei Milliarden Euro pro Woche kosten die momentanen Beschränkungen die heimische Wirtschaft, sagt der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher zu Ö1 Anfang der Woche. Nach vier bis sechs Wochen der Schließung der Geschäfte, so Kocher, sei eine Rezession 2020 nicht mehr zu verhindern. Die schrittweise "Auferstehung" aber sei der "erste Schritt in Richtung einer gewissen Normalität".

Tourismusbranche noch länger in Krise

Bereiche wie Hotellerie, Gastronomie und Veranstaltungsbetriebe werden wohl am nachhaltigsten von der Krise betroffen sein, hier sehen Experten nur ein langsames Zurückkehren zur Normalität. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger plädiert auf Urlaub in Österreich. Seriöse Schätzungen, ob österreichische Urlauber das Fernbleiben der ausländischen Gäste ausgleichen können, gebe es derzeit noch nicht.

Dass aber der Tourismus länger leiden wird, fürchten auch Ulli und Hermann Retter. Sie führen das Seminarhotel Bio-Restaurant Natur Ressort Retter in Pöllauberg in der Steiermark, zu dem auch ein Reiseveranstaltungs- und Eventveranstaltungsbetrieb gehören. Sie sind gleich dreifach betroffen, da alle drei Standbeine Hotellerie - Gastronomie, Events sowie Reiseveranstaltungen gleichzeitig wegbrachen. Das sei momentan besonders schmerzhaft, da die Ostertage wirtschaftlich sehr ertragreich seien – normalerweise. Fast täglich müssen sie immer noch Stornierungen bearbeiten, denn umbuchen geht noch nicht, "wir können nichts planen, wir haben keine Klarheit und kein fixes Wiederöffnungsdatum auf das wir unsere Gästevertrösten können", beklagt die Wirtin Ulli Retter.

Der Umsatz ist verloren. "Wir sind keine Produktionsstätte und können das Verlorene nicht durch doppelte Produktion aufholen. Jedes nicht verkaufte Bett ist verdorbenes Gut. Es lässt sich nach der Krise nicht doppelt verkaufen", fügt Hermann Retter hinzu, der sich im Familienbetrieb um die Reiseveranstaltungen kümmert. Auch dieser Bereich ist stark getroffen. Die Werbekosten und Reisevorbereitungen waren getroffen und bezahlt, "das Geld bekommen wir nicht zurück. Und in diesem Bereich wird es noch länger dauern“, fürchtet Hermann Retter. "Reisen brauchen Vorlaufzeit, Geld, Urlaubstage und die richtige Stimmung. Damit sieht es wohl auch nach der Krise nicht gut aus", erklärt Retter die Sorgen des Unternehmens. Sie haben ihre 260 Mitarbeiter zu 90 Prozent in Kurzarbeit geschickt, nur wenige arbeiten derzeit im Betrieb. Retter ist kurzfristig auf Onlinehandel umgestiegen, über den sie ihre hausproduzierten Bioprodukte anbieten. Das aber könne man nicht einmal als einen Kompensationsversuch bezeichnen, so gering sei der Umsatzanteil dadurch. "Wir stehen von 100 auf null." Mit ihren Rücklagen könnten sie maximal über den Sommer kommen aber an Investitionen ist jetzt nicht mehr zu denken.

"Klarheit und Kommunikation wären so wichtig", sagt Ulli Retter. Um wieder zurück ins wirtschaftliche Leben zu kommen, müssen sie, sobald es ein fixes Öffnungsdatum gibt, alles daran setzen mit ihren Gästen in Kontakt zu treten und zu kommunizieren, das versuchen sie auch jetzt schon. Die Corona-Hilfsmaßnahmen empfindet Retter als bemüht, mit Stundungen und Haftungen sei aber maximal zur Überbrückung geholfen, denn letztlich müsse das zurückgezahlt werden. "Was wirklich helfen würde, wäre, wenn Kosten übernommen werden würden. Wir sind ein Dienstleister und auf Kunden angewiesen, die bleiben aber vorerst aus."

Geschlossene Grenzen

Mit Gästen aus dem Auslandkönnen man noch länger nicht rechnen. Denn Nachbarländer kämpfen sich mit einem anderen Tempo durch die Krise, Grenzen sind und bleiben wohl auch noch für längere Zeit geschlossen. Auch Kundenverkehr und Lieferketten verzögern sich stark.

Das spürt auch Felicitas Kohler. Sie führt in Tirol in zweiter Generation den Familienbetrieb Planlicht. Der Betrieb entwickelt, produziert und verkauft Beleuchtungen für den öffentlichen und architektonischen Raum. Die Asymmetrie der Länder ist für Kohlers Betrieb verheerend, der zu 80 Prozent seine Hauptmärkte in Deutschland und Frankreich hat. "In einem normalen Geschäftsjahr liegt der Umsatz bei knapp 30 Millionen Euro. Momentan ist alles auf Pause, der europäische Markt funktioniert nicht", so die Planlicht-Chefin.

Was Kohler schmerzlich vermisst, ist ein EU-Zusammenhalt. "Aber es ist sich jetzt jedes Land selbst am nächsten. Jetzt wissen wir nicht, wie lange Laufzeiten oder Rohmaterialien und Komponenten aus EU-Ländern brauchen. Wir müssen in der Produktion jetzt flexibel und spontan werden", so Kohler. Ihre 160 Mitarbeiter sind zur Hälfte in Kurzarbeit, der Rest arbeitet in Logistik und Produktion weiter. "Wenn die aktuelle Situation bis Herbst so anhalten würde dann müssten wir tiefere Einschnitte vollziehen und die Firma ganz anders aus der Krise herausführen."

Was es jetzt bräuchte

Kohler: "Unterstützung auf EU-, und Bundesebene und Grenzöffnungen." Man wissen momentan nicht, wie es weitergehen könne. "Denn, was vergangenes Monat gültig war, ist heute ganz anders", längerfristige Planung seien derzeit ein Ding der Unmöglichkeit, es wird Kurzzeitmanagement betrieben um Liquidität und Mitarbeiter zu halten. Noch seien die Lager voll, bald aber müsse man in der Produktion flexibel und erfinderisch werden, wenn Komponenten nicht mehr bei Planlicht ankommen. Einen Post-Corona-Plan gibt es nicht, jeden Tag müssen die Corona-Entwicklungen in Europa neu beobachtet und evaluiert werden.

Auch Länder wie Italien und Spanien sind wichtige Partner. Solange es keine offenen Grenzen gibt, ist ein Betrieb wie vor Corona nicht möglich. Noch sind die Unterstützungen aus den Hilfspaketen für Planlicht nicht relevant, denn sie seien noch nicht auf Kredite und Liquiditäten angewiesen. Es bliebe nur abzuwarten. „Wir hoffen jeden Tag, dass dieser Spuk nicht ewig anhält, allerdings kann die Dauer dieser Situation aktuell niemand abschätzen“, so Felicitas Kohler über die Zukunft ihres Betriebes.

Branchen-Querschnitt:

Tourismus neu denken

"Der Shutdown hat natürlich massive Auswirkungen auf den Städtetourismus, da wir uns darauf einstellen müssen, dass es in diesen Bereichen erst ab Sommer langsam wieder beginnen wird und es sicher bis 2021 dauern wird, bis wir wieder bei den alten Zahlen sind", erklärt Alexander Knechtsberger, Geschäftsführer von DocLX -Holding, die Situation für sein Unternehmen gegenüber dem KURIER.  
Was aber kommt nach der Krise?  Knechtsberger: "Ich glaube, dass diese Krise die Einschneidendste in der Geschichte des Tourismus ist. Man wird viele Businessmodelle in dieser Sparte teilweise komplett neu denken müssen. So wird Nachhaltigkeit in Zukunft eine große Rolle spielen."

Systemkritischer Betrieb

Das oberösterreichische Unternehmen Spitz zählt als Lebensmittelhersteller zu den systemrelevanten Betrieben. Es ist also, anders als etwa ein  Tourismusbetrieb, verstärkt  in dieser Krise gefordert. Über 700 Mitarbeiter arbeiten entlang der Sicherheitsmaßnahmen in dem Unternehmen, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Durch die Krise verzeichnet das Unternehmen eine verstärkte Nachfrage. Geschäftsführer Walter Scherb dazu: "Vor allem, als die Regierung Mitte März erste Maßnahmen ergriffen hat, hat sich bei uns eine stark erhöhte Nachfrage bemerkbar gemacht, mittlerweile hat sich diese wieder etwas eingependelt, wenn auch auf überdurchschnittlichem Niveau."

Tourismusboom findet jähes Ende

Die österreichische Arcotel Hotelgruppe betreibt insgesamt zehn Hotels in Österreich und Deutschland.  Ein Neues hätte dieses Frühjahr in Wien eröffnet werden sollen, diese Eröffnung wurde nun verschoben. 2019 erzielte Arcotel 74 Millionen Euro Gesamtumsatz, so der Geschäftsführer Martin Lachout, seit den Reisebeschränkungen fehle jede Einnahmequelle. "Den Tourismus hat es am härtesten getroffen. Je länger die Krise andauert und je stärker sich die Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen, desto negativer sind die Auswirkungen auf die Hotels", so Lachout. Das Unternehmen nütze die Zeit zur Weiterbildung der Mitarbeiter und zur Re- und Organisation der Hotels.  

Alle Aufträge auf Eis oder storniert

O.Salm & Co GmbH, die auf Anlagenbau von Brauereianlagen spezialisiert ist, musste seine Niederlassungen in Havanna und Moskau schließen, laufenden Projekte in Polen, Russland, Australien, Kuba und USA wurden storniert oder liegen auf Eis, so der Miteigentümer Albert Welledits. Zuvor sei das Unternehmen mit 129 Mitarbeitern liquide gewesen, nun sei man auf Jahrzehnte – auch mit Privatvermögen – verschuldet. Zu den Hilfspaketen der Regierung mit Ausnahme des Nothilfefonds und der Kurzarbeit, sagt Welledits: "Im Kleingedruckten finden sich zahlreiche Fallstricke, welche die Republik leistungsfrei halte,stets ist eine Mithaftung gefordert." Das Letzte, was jetzt gekauft werde, sei eine Brauereianlage. "Ehrlich gesagt, wir überlegen eine Betriebsschließung."

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