Wie wir in Zukunft arbeiten werden: Trendforscher Kühmayer hat Antworten
Von Jennifer Corazza
„Wir haben jetzt gerade die größte Transformation für Arbeitsflexibilisierung hinter uns“, so Trendforscher Franz Kühmayer. Er wirft im Gespräch mit dem KURIER einen Blick in die Zukunft der Arbeitswelt. Beantwortet, welche Berufe es in Zukunft wohl nicht mehr geben wird, ob Maschinen uns Menschen wirklich die Jobs wegnehmen und warum die Demografie uns vor eine der größten Herausforderungen stellt, die es bislang gegeben hat.
KURIER: Es heißt, die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel. Was passiert gerade?
Franz Kühmayer: Man hat vier große Faktoren, die aktuell auf die Arbeitswelt einwirken: Demografie, Wertewandel, Technologie und Nachhaltigkeit. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten in Österreich erleben, dass die Menschen im erwerbstätigen Alter etwa um die Stadt Graz, also um 400.000 Personen weniger und parallel dazu immer älter werden. Der Wertewandel drückt sich darin aus, dass diese Menschen auch noch flexibler und weniger arbeiten wollen. Zähle ich nur diese beiden Faktoren zusammen, kann man sagen: Als Unternehmen muss man gar nicht viel falsch machen, um in ein massives Problem zu laufen.
Heißt das, dass wir allein aufgrund unserer Demografie später in Pension gehen können?
Wenn uns keine andere Variante einfällt, Arbeit zu erbringen, ja. Rein arithmetisch schon.
Hinzu kommt die Sorge, dass der Fortschritt der Technologie ganze Jobs obsolet macht.
Alles, was rein rational stattfindet – Analyse, Entscheidungsfindung – sind Dinge, die Maschinen tatsächlich heute schon besser können. Was sie nicht können, sind Tätigkeiten, die mit Innovation und Kreativität zu tun haben. Und ihnen fehlt ein Faktor, der uns Menschen entscheidend prägt: Empathie.
Gehen durch Digitalisierung auch Berufe verloren?
Ich würde nicht sagen, dass Berufe wegfallen, sondern Tätigkeiten. Das kann auch eine Facette innerhalb eines Berufs sein. Denken wir an Radiologen. Ein Bild betrachten und analysieren können Maschinen entweder jetzt schon oder sehr bald besser. Aber das Gespräch mit den Patienten, den Sozialteil, kann die Maschine nicht.
Entstehen deshalb auch neue Berufsfelder?
Technologie erzeugt immer einfache Arbeit. Das wissen wir seit der ersten industriellen Revolution. Denn es entstehen nicht nur Innovationsaufgaben, sondern auch am unteren Rand etwas, das die Vereinbarkeitsprobleme der Menschen löst. Bestellen wir über Amazon, ist das sehr einfach. Aber es gibt auch den Botendienstfahrer, der das Produkt zu uns bringt und sich in prekären Arbeitsverhältnissen befindet.
Sie plädieren für einen Wandel zur „guten Arbeit“ – was ist das?
Ich glaube, dass gute Arbeit drei Bedingungen erfüllen muss. Sie muss sinnstiftend für den Einzelnen sein. Sodass man nicht nur darauf hin arbeitet, Wochenende zu haben oder in den Ruhestand zu gehen . Der zweite Punkt ist der Sinn nach etwas Höherem, auch was das Thema Nachhaltigkeit betrifft. Wir wissen, dass wir neue Technologien und Geschäftsmodelle brauchen, um den Wohlstand zu erhalten und nicht unseren Planeten weiter zu zerstören. Zuletzt wird gute Arbeit auch unter guten Arbeitsbedingungen erbracht. Dazu zählen Bezahlung, Arbeitszeitmodelle und der Faktor Gesundheit.
Gute Bezahlung ist das Stichwort. Wird es überhaupt genügend Geld dafür geben?
In Wahrheit haben wir eine Post-Wachstumsgesellschaft, weil das Wirtschaftswachstum de facto flach ist. Heißt, wir müssen jetzt schon darüber nachdenken, wie wir durch Qualität statt Quantität Wertschöpfung stiften. Dazu trägt so eine Arbeitswelt maßgeblich bei.
Arbeitskräfte finden sich schon heute schwierig. Kann man daraus etwas Positives gewinnen?
Es trägt dazu bei, dass Unternehmen intensiv darüber nachdenken, was sie tun müssen, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten. Das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung. Aber arithmetisch wird es nicht besser werden. Wer glaubt, dass wir jetzt einen Fachkräftemangel haben, der morgen besser ist, sollte sich bei Statistik Austria die Demografie ansehen.
Wie steht es um unser Karriere-Denken?
Tatsächlich ist das etwas, das viele jüngere Menschen nicht mehr haben: die lineare Vorstellung einer Karriere. Früher hat man Schornstein-Karriere dazu gesagt: Ins Unternehmen einsteigen, hart arbeiten und mit der Zeit oben ankommen. Jetzt agieren sie nach dem Schokolade-Prinzip: Stück für Stück genieße ich meine Arbeitswelt. Eine vergleichsweise geringe Anzahl an Jahren für ein Unternehmen arbeiten und dann wechseln. Aber nicht, weil es dort nicht mehr passt, sondern weil man unterschiedliche Dinge im Leben machen möchte.
Was macht das mit Unternehmen?
Wir müssen viel stärker in Richtung Beziehungsmanagement gehen. Weil ein Unternehmen nur kurz Zeit hat, mit jemandem zusammenzuarbeiten. Da muss ich sehr rasch auf Betriebstemperatur kommen. Und umgekehrt: Wenn sich Menschen verabschieden, ist es schlau, mit diesen trotzdem in Kontakt zu bleiben. Und nicht wie bei der Mafia, nach dem Motto „Die Familie verlässt man nicht“ zu agieren.
Wann spätestens muss sich die Arbeitswelt all diesen Anforderungen anpassen?
Wenn es uns nicht gelingt, diese Themen, die wir heute besprochen haben, in den nächsten zehn Jahren zu lösen, sind wir auf einem ähnlichen Pfad wie in der Klimadiskussion. Dann wird es echt kritisch.