Wirtschaft/Karriere

Ein Team, vier Generationen: Über Konflikte und Chancen im Job

Zwei Wörter ziehen die Frontlinie zwischen Alt und Jung: „OK Boomer.“ Der Ausdruck machte 2019 Karriere in den Sozialen Medien, tausende Jugendliche posteten unter diesem Schlagwort eigene Erfahrungen. „Der Boomer sagt etwas Dummes, Belehrendes, Nerviges, und es bringt gar nichts, mit dem darüber zu diskutieren“ – so erklärt YouTuber Rezo das Phänomen, mit dem die Generation Smartphone Ältere verurteilt.

Fast immer ist „Ok Boomer“ eine Reaktion auf Unverständnis oder Kritik – an der Dauernutzung von Smartphones, gefärbten Haaren oder Tattoos etwa. Der zwischen süffisant und aggressiv rangierende Gesprächsabbruch mit Pauschalverurteilung ist keine Lösung für das echte Leben. Hier müssen sich Jung und Alt arrangieren – beispielsweise am Arbeitsplatz.

Ganze vier Generationen teilen sich derzeit Büros, Werkstätten und Kantinen: Babyboomer, Generation X, Generation Y und Generation Z (siehe unten). Noch fünf bis zehn Jahre ist das so, dann gehen die letzten Babyboomer in Pension. Bis es so weit ist, müssen sich Mitarbeiter zwischen 15 und 65 mit ihren unterschiedlichen Prägungen und Erfahrungen aufeinander einstellen.

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Alle 15 Jahre neue Generation

Denn die Generation bezeichnet mehr als nur das Geburtsjahr: Ihre Mitglieder sind geprägt vom Aufwachsen mit bestimmten historischen Ereignissen, unter ähnlichen Lebensbedingungen, mit einer gemeinsamen Popkultur. „Der Erfinder des Generationenbegriffs in den Sozialwissenschaften, Karl Mannheim, ging 1928 von einer Spanne von 30 Jahren aus.

Heute nimmt man einen Generationenwechsel alle 15 Jahre an“, erklärt der Altersforscher Franz Kolland, Soziologieprofessor an der Universität Wien. Mitglieder einer Generation wurden durch ähnliche ökonomische, kulturelle und ökologische Umstände geprägt. Dadurch haben sie „eine ähnliche Art zu handeln und zu denken, geteilte Werte, Einstellungen und Lebensstile“, erklärt die Soziologin Anna Wanka.

Nicht über einen Kamm scheren

Die Zuschreibung von Generationsmerkmalen sei allerdings mit Vorsicht zu genießen – nie werden Verallgemeinerungen allen gerecht. wischen den Generationen gebe es neben dem Alter also starke kulturelle Unterschiede, erklärt Kolland.

Das könne der Musikgeschmack sein, die Freizeitgestaltung oder Reiseziele – und das wirkt sich auf den Arbeitsalltag aus: Denn dabei gehe es längst nicht nur um die Gegenstände der Arbeit, meint Kolland: „Man geht gemeinsam essen, man sitzt zusammen in der Küche. Das passiert nicht generationengemischt.“ Worüber sollte der Klassikfan in den Fünfzigern mit einem jungen Raver reden? Kurzum: Es fehlt die gemeinsame Basis.

Loyale Boomer, emsige X-ler

Generationsspezifische Einstellungen beeinflussen aber auch die konkreten Vorstellungen von Arbeit und Leben. So wird den Babyboomern ein spezieller Arbeitsethos nachgesagt: Sie gelten als loyale Arbeitskräfte, die Hierarchien respektieren und sich lange an ein Unternehmen binden. „Sie streben nach sinnstiftendem Arbeiten und danach, ihr Wissen an Jüngere weiterzugeben“, so Soziologin Wanka.

Ihren direkten Nachfolgern, der Generation X, sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders wichtig, auf der anderen Seite präge diese Generation den Begriff der Workaholics. Derzeit wollten sie vor allem flexible Arbeitszeiten, denn die Mitglieder dieser Generation seien in der Lebensphase der Familienorientierung. Anders als die Babyboomer, die dieses Kapitel eher schon abgeschlossen haben.

Unabhängige Y-ler, fordernde Gen-Z

Der Fokus der Generation Y hingegen liege auf ihr selbst: Sie wollten sich beruflich weiterentwickeln und binden sich nur, solange der Job den eigenen Zielen entspricht und sie noch Aufstiegschancen sehen, so die Generationsforscherin Wanka.

Die Zler stehen noch am Anfang. Sie wüssten, dass sie einen Arbeitnehmermarkt vorfinden, auf dem sie das Sagen haben werden, da es viel zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte gibt, beobachtet Silvia Hruška-Frank von der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien. Dieses Phänomen werde sich durch das Ausscheiden der Boomer noch verstärken.

Die Jungen forderten Ausgleich und Gesundheitsvorsorge, denn: „Die Zler sehen, dass sich Eltern und Großeltern bei strebsamer Vollarbeitszeit bis zur Pension aufgerieben haben“, erklärt Hruška-Frank.  „Allen Generationen ist die Arbeit wichtig, aber je älter die Generation, desto höher der Stellenwert der Arbeit und desto geringer der Stellenwert der Freizeit“, erklärt Wanka.

Babyboomern seien Arbeit und Freizeit etwa gleich wichtig, der Generation Y sei Freizeit fast doppelt so wichtig wie Arbeit. Deshalb entschieden sich immer mehr Junge für Teilzeit-Modelle. Bei Generation Z verschiebt sich dieses Bild wieder: „Wenn Jugendliche nicht alles haben können, steht die Jobsicherheit im Vordergrund“, heißt es in der aktuellen Shell-Jugendstudie.

Konflikte am Arbeitsplatz

Das Konfliktpotenzial am Arbeitsplatz ist also allein durch unterschiedliche Einstellungen gegeben. So hätten Babyboomer „erhebliche Differenzen“ mit der Generation Y – über Werte, sagt Soziologe Kolland. Eines der spannendsten Ergebnisse einer seiner Studien sei, dass es in den Arbeitswerten zwar Übereinstimmung über benachbarte Generationen hinweg gebe – aber keine über alle Generationen.

Und: Die Boomer seien oft diejenigen, die einen Aufstieg geschafft hätten und damit an Schalthebeln säßen – anders als Jüngere. „Die Generationsdifferenz trifft sich hier mit einer Sozialstatusdifferenz“, sagt Kolland.

Diese Differenz äußert sich beispielsweise darin, wer wo sitzt: Wer hat ein großes Zimmer, ein kleines Zimmer, ein eigenes Zimmer? Wer Sonne oder Schatten? „Raumfragen spielen eine große Rolle“, so Kolland. Weitere Konfliktfelder seien etwa die Einführung neuer Technologien wie digitaler Zeiterfassungssysteme.

Konflikte schwelen, ohne dass es zu offenen Streitereien kommen muss. In Befragungen erlebte Kolland oft, dass Führungskräfte die Stimmung unter den Mitarbeitern anders wahrnähmen als diese selbst: „Unternehmen unterschätzen, was es an unterschwelligen Differenzen im Betrieb gibt.“

Generationenmanagement

Die Differenzen fruchtbar zu machen, nicht eskalieren zu lassen, ist also die Herausforderung für alle Beteiligten. Kolland plädiert für Generationenmanagement: „Geschäftsführung und Personalmanager sollten das Thema aktiv angehen“, meint er – und eine Balance suchen: „Wir können weder nur auf die Alten noch ausschließlich auf die Jungen hören.“

Um das Gespräch zwischen den Generationen zu erleichtern, gibt es unterschiedliche Ansätze: Beim Mentoring coachen erfahrene Mitarbeiter Jüngere, beim Reverse Mentoring ist es umgekehrt, das Tandem setzt auf gegenseitiges Voneinander-Lernen. „Es gibt kein Standard-Modell“, sagt Kolland. „Je nach Beruf und Branche funktionieren sie unterschiedlich gut.“

Das Denken in Generationen kann Zugänge erleichtern, eine allgemeingültige Lösung bietet es nie – gleichaltrig bedeutet nicht gleichartig: „Es gibt etliche unterschiedliche Milieus innerhalb einer Generation“, sagt Kolland. „Das Denken in Generationen ist kein völliger Unsinn, aber wir müssen immer vorsichtig mit Standardisierungen sein.“

Da pflichtet ihm generationenübergreifend der mit 27 fast 40 Jahre jüngere Rezo bei, der auch Jüngere als „Mindset-Boomer“ zur Gruppe zählt – und Ältere ausnimmt: „‚Ok Boomer‘ ist ja funny“, schreibt er unter seinem YouTube-Clip zum Thema, „aber es einfach irgendwelchen coolen Boomern an den Kopf zu werfen, wenn die gar nix Doofes gemacht haben, ist super kacke. Boomer sind toll. Meine Eltern und viele andere coole Leute sind Boomer.“ Vielleicht folgt ja auf das kollektive Wut-Ablassen eine Annäherung – im Alltag wie am Arbeitsplatz.