"Wer den Job will, muss anrufen"
Von Sandra Baierl
Der Arbeitsmarkt hat viele Bewerber und nicht genügend Jobangebote. Wie sehen Sie die Lage aktuell?
Othmar Hill: Wir sind in einer merkwürdigen Situation, wo das Suchen vorbei ist. Es geht nur noch ums Aussuchen. Headhunting können Sie vergessen, die Bewerber jagen uns. Es kommen Hunderte Bewerbungen auf eine Stelle. Bis auf wenige Bereiche, wo Sie gar keine Bewerber finden, ist das Arbeitskräfteangebot riesig. Die meisten Positionen sind sehr leicht mit sehr guten Leuten besetzbar – wenn Sie wissen, wie es geht. Die eigentliche Kunst ist derzeit nicht die Suche, sondern die Auswahl.
Hat sich die Suche in den vergangenen Jahren verändert?
Ich glaube, die Suche ist primitiver geworden. Ich orte hier keine gute Entwicklung. Die Frage, die mich ein Leben lang begleitet hat, ist: Kennst du wen? Für mich ist das mittlerweile die teuerste Frage der Welt.
Wieso?
Sie wird jeden Tag tausende Male gestellt. Und sie wird immer, weil sie auch die dümmste Frage ist, mit Ja beantwortet. Weil jeder kennt natürlich irgendwen. Es ist schrecklich. Weil Sie kriegen dann jemanden, der Ihnen empfohlen wurde. Sie kriegen den Kompromiss, weil Sie zu faul sind, sich achtzig weitere Bewerbungen anzusehen. Personalauswahl und Bestellungen in Unternehmen laufen sehr primitiv ab. Da ist von Professionalität oft nichts zu spüren.
Man kann entgegnen: Mit "Kennst du wen?" holt man sich eine Person mit persönlicher Empfehlung.
Hinter dieser Frage steht schon etwas, das hochwertig ist. Nämlich der Wunsch, jemanden zu kriegen, der in das Wertesystem des Unternehmens passt.
Das hat in Österreich viele Jahre sehr gut funktioniert.
Aber insgesamt schaut man damit zu wenig auf die Qualität der Menschen, die man aufnimmt. Man schaut nur auf die Verbindung, lässt sich lenken von jemand anderem – was dann oftmals zu einer Kompromissbesetzung führt. Außerdem stehen die Personalverantwortlichen sehr unter Druck, die Posten zu besetzen.
Sie haben von Werten gesprochen: Wie wichtig ist es, ins Wertesystem eines Unternehmen zu passen?
Ich glaube, das ist der wichtigste Faktor von allen. Wenn Sie in eine hochaggressive Firmenkultur kommen, wo es nur um Profit geht, Sie aber ein benevolenter Mensch sind, der etwas beitragen will, dann halten Sie es dort nicht lange aus. Erst an zweiter Stelle kommt das Fachliche. Das wird aber meistens überschätzt. Das Fachliche kann man lernen, da kann man sich entwickeln.
Die Passgenauigkeit ist ein wichtiger Faktor.
Jedenfalls. Jeder Firmenkollaps ist der Ausdruck einer miserablen Personalpolitik. Und immer wenn eine Firma aufblüht, dann haben die einfach die besten Leute dort.
Wie sehen Sie die Chancen von Berufseinsteigern zur Zeit?
Da hat sich nicht viel verändert. Oft werden sie mit Praktika abgeschaselt. Da würde ich sagen: das kann man ein, zwei Jahre machen, aber dann muss ein ordentliches Dienstverhältnis her.
Das zu finden, ist gerade für Einsteiger schwierig.
Die Jobsuche ist ein beinharter Job. Viele Suchen nicht ernst genug, drücken nur auf die Return-Taste und schicken ihre Standard-Bewerbung ab. Sie müssen 300 Bewerbungen schreiben, um zu ein paar Vorstellungsgesprächen zu kommen. Das wiederum kann zu ein, zwei Angeboten führen. Der Einserfehler ist: warten. Auf Antwort, die wahrscheinlich nie kommt. Wer einen Job will, muss sich ordentlich bewerben und a-n-r-u-f-e-n. Das war immer schon so. Die Firmen wollen aktive Leute, und sie wollen diese Aktivität auch sehen und spüren. Wenn man weiß, was man will, sich vorbereitet hat, sich aktiv bei den richtigen Unternehmen bewirbt, dann muss das klappen. Ein Trick wäre: sich auf schlecht gemachte Inserate bewerben. Weil sich alle auf die gut gemachten bewerben.