Warum man sich die Unternehmenssprache genau ansehen sollte
„New Work“ ist der Trendbegriff, ohne dem die Arbeitswelt nicht mehr auskommt. Es geht um Diversität, selbstorganisierte Teamarbeit in Unternehmen, Arbeit auf Augenhöhe, Flexibilität und auch um Umgang und Sprache. Warum das Letztere so relevant ist? Einfach ausgedrückt: Sprache prägt die Zusammenarbeit und die Unternehmenskultur.
Die „Corporate Language“ (also die Unternehmenssprache) hat einen wesentlichen Einfluss auf die Identität und das Image einer Firma, heißt es im Gabler Wirtschaftslexikon. Das heißt, je nachdem welche Begriffe ein Unternehmen verwendet, kann man so einiges über die Firmenkultur herauslesen. Denn: „Sprache und Denken sind eng miteinander verbunden,“ sagt Organisationsentwicklerin und Podcasterin Elisabeth Sechser.
Die Unternehmenssprache
Ob E-Mails unter der Belegschaft, Werbung, die Wortwahl vor dem Chef, Gespräche im Büro oder mit der Kundschaft: Alles fällt unter „Corporate Language“. Je nach Branche und Unternehmensart kann die Sprache anders aussehen.
In einem jungen Start-up wird etwa besonders viel Wert auf lockere, freundschaftliche Sprache gelegt, in dem man mit allen (unabhängig von der Position) per „Du“ ist und auch ab und zu mal schimpfen darf. In einer traditionellen Bank will man eher das Gegenteil. Welche Form nun förderlicher ist, sei dahingestellt.
Laut einer Studie vom Wirtschaftspsychologen Uwe Kanning und der HR-Beraterin Sarah Winkelmann sollen Firmen mit „Duz-Kultur“ mitarbeiterorientierter und innovativer sein. Anderen Studien zufolge kann das Duzen aber auch verwirrend oder gar irritierend wirken.
Eine Unternehmenskultur besteht aus gemeinsamen Werten, Normen und Einstellungen, die intern festgelegt sind. Umgangsformen und „ungeschriebene Regeln, die über die Jahre angeeignet wurden“ gehören da, laut Great Place to Work, dazu
Was kann es?
Die Kultur beeinflusst die Motivation, die Leistung, die Zusammenarbeit und den Erfolg der Mitarbeiter. Nach Außen hin kommt hier auch das Employerbranding und -Image ins Spiel
Schlussendlich bestimme die Sprache in Unternehmen das Image und was man nach Außen darstellen möchte. Konkret bedeutet das: Nutzen Unternehmen Phrasen und Begriffe wie: „Wir hier unten, die dort oben“, „Delegieren und Ermächtigen“ oder „die Karriereleiter erklimmen“, könnte das auf eine hierarchische Arbeitsstruktur hindeuten, sagt Elisabeth Sechser. Gleichrangigkeit und die Augenhöhe seien da schwer umsetzbar.
Sprache in Ausschreibungen
„Vollzeit Anstellung in dynamischer Start-up-Atmosphäre, heißt Obstkorb, aber wenig Gehalt, oder?“, schreibt jemand auf Twitter. Ähnliche Witze über die „Corporate Language“ und wie man sie übersetzen könnte, findet man zu Tausenden in den sozialen Netzwerken.
Die Influencerin Loe Whaley (2,3 Millionen Instagram-Follower) wurde durch sie sogar berühmt. Aber hinter den Scherzen versteckt sich ein wahrer Kern. Ob man in eine Unternehmenskultur reinpasst, könne man nämlich tatsächlich schon vorab in Job-Inseraten herauslesen.
Laut Elisabeth Sechser beginnt alles bei der Jobbeschreibung: „Wie wird Arbeit und Zusammenarbeit beschrieben? Was wird betont und was nicht?“ Fokussiert sich eine Ausschreibung auf teamorientiertes, agiles und selbstorganisiertes Arbeiten, passe das nicht mit einer Top-down-Struktur (von oben hinunter) zusammen. Auch seien Worte wie „Leistungsträger“ und „Einzelleistung“ nicht mit Teamwork vereinbar.
„Sprache war schon immer etwas Lebendiges. Sie schafft Wirklichkeit und wir sollten sie nutzen“
Wenn man sich in einem Unternehmen bewerben will, lohne es sich deswegen, gezielt zu erfragen, was die Firma unter ihren verwendeten Begriffen versteht und wie sie diese in der Praxis umsetzen. Diese Hinweise oder, wie Sechser sie nennt, „Sprachspuren“, können dabei helfen oder zumindest eine Richtung aufzeigen, ob man hier richtig ist. Gleichzeitig darf man sich nicht vom Marketing der Firma ablenken lassen: „Unternehmen nutzen Sprache auch, um anziehender zu wirken.“
Die Sprache lügt ja, ...
... wo man sie lässt“, zitiert Sechser die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Sprache ändere sich ständig und mit ihr die Bedeutungen von Begriffen: „Sprache war schon immer etwas Lebendiges und ist ein Spiegel unseres gesellschaftlichen Wandels. Sie schafft Wirklichkeit und wir sollten sie nutzen“, sagt die Expertin. Sprache solle niemanden davon abhalten, sich bei Unternehmen zu bewerben, so Sechser. „Man sollte nur wissen, worauf man sich einlässt.“