Warum Dosenravioli die Arbeitswelt für immer verändert haben
Vier Vaterunser braucht es, um Ravioli perfekt zu kochen. So zumindest empfiehlt es der Urvater der europäischen Kochkünste, Maestro Martino (vor 1430 - nach 1470). Die kleinen viereckigen Teigtaschen wurden im 15. Jahrhundert aufwendig gefüllt und zubereitet. Damals ahnte der Tessiner, der in Rom die Großen seiner Zeit bekochte, noch nicht, dass es auch einfacher geht: Dosenravioli, in „Tomatensauce“ und verzehrfertig.
So lautet die ziemlich unromantische Antwort der Industrie auf die steigende Nachfrage nach italienischen Gerichten in den 1950er-Jahren. Am 14. Mai 1958 ging die erste Dose Ravioli im Maggi-Werk in Singen am Bodensee vom Band - und löste damit eine kleine Revolution in der Küche aus.
Weg vom Herd
„Bis dahin standen vor allem die Hausfrauen vor dem Herd und haben alle Gerichte selbst gekocht“, sagt Ernährungswissenschafterin Eva-Maria Endres. Nicht nur die Dosenravioli, sondern Fertigprodukte insgesamt hätten Frauen geholfen, sich von diesem Rollenbild zu lösen. „Das Kochen war auch ein Argument, warum Frauen keiner bezahlten Arbeit nachgehen konnten, weil jeden Abend ein warmes Essen auf den Tisch musste.“
Fertiggerichte seien da eine große Entlastung gewesen, so die Esskultur-Expertin. In den 1980er- und 90er-Jahren seien sie besonders beliebt gewesen. „Mit dem fertigen Essen war es möglich, tagsüber arbeiten zu gehen und abends ein warmes Gericht für die Familien auf den Tisch zu stellen.“ Konserven gehörten zu den ersten Fertiggerichten, weil sie auch ohne Kühlschrank haltbar waren.
Die gute Nachricht: Um Dosenravioli perfekt zu kochen, braucht es laut Herstellern keine vier Vaterunser auf Latein. Ein Topf oder ein mikrowellengeeignetes Serviergeschirr reiche aus. Amen.