Vereinbarkeit von Kind und Job: Niederlande top in EU
Von Anita Staudacher
Eine partnerschaftliche Arbeitsaufteilung, gibt es die überhaupt? Die Niederlande zeigen es vor. Das Land gilt als Vorbild in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Schlüssel dazu heißt: 32-Stunden-Woche. Nirgendwo sonst in der Europäischen Union (EU) gibt es mehr Teilzeitarbeitsplätze – und zwar bei beiden Geschlechtern. 76 Prozent der Frauen und immerhin 22 Prozent der Männer arbeiten weniger als 40 Stunden in der Woche. In Österreich ist Teilzeit nach wie vor vor allem Frauensache.
"Teilzeitarbeit ist in den Niederlanden ganz normal, wobei Teilzeit hier nicht 20 oder 25 Stunden bedeutet, sondern in der Regel 32 Stunden, also vier Tage", erläutert Martina Eicher vom österreichischen AußenwirtschaftsCenter in Den Haag anlässlich eines Besuches von 40 heimischen Unternehmerinnen von "Frau in der Wirtschaft". In Familien mit kleinen Kindern sei es üblich, dass sich die Eltern so abstimmen, dass beide zumindest einen freien Tag in der Woche haben. Anders als in Österreich kehren Mütter in den Niederlanden viel schneller wieder in den Beruf zurück. Der Grund: Es gibt keine gesetzliche Karenzzeit. Der Kündigungsschutz endet nach 16 Wochen Mutterschutz, anschließend gibt es die Möglichkeit für 26 Wochen Eltern(teil)zeit. Viele Frauen geben ihr Baby schon ab dem vierten Monate in eine Kindertagesstätte, "ohne sich als Mutter dafür rechtfertigen zu müssen", so Eicher.
2-1-Betreuung
Die Betreuungsqualität sei schon bei den Jüngsten viel höher als in Österreich. Auf eine Betreuerin, die hier weit mehr verdient als in Österreich, kommen maximal zwei Kleinkinder. Das werde auch streng kontrolliert. Viele Niederländerinnen würden auch Tagesmütter in Anspruch nehmen.
Viele Mütter müssen auch aus finanziellen Gründen rasch wieder zurück in den Job, denn das Kindergeld beträgt in den Niederlanden nur 200 Euro – pro Quartal. Der Staat gewährt allerdings einen einkommensabhängigen Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten. Der Kindergarten kann frei gewählt werden. Die Öffnungszeiten sind flexibel.
Recht auf Heimarbeit
Was die Vereinbarkeit ebenfalls erleichtert: In den Niederlanden gibt es seit zwei Jahren einen gesetzlichen Anspruch auf Heimarbeit bei Krankheit der Kinder oder Pflege von Angehörigen. Das Gesetz gilt für alle Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten. Arbeitgeber dürfen die Heimarbeit nur dann ablehnen, wenn zwingende betriebliche Gründe dagegensprechen.
Marktsondierungsreisen sind wichtig, aber zumeist männlich. Um auch Unternehmerinnen beim Export zu unterstützen, stellte „Frau in der Wirtschaft“ (FIW) in der Vorwoche die erste weibliche Wirtschaftsdelegation zusammen. 36 Unternehmerinnen aus ganz Österreich (darunter auch ein Mann) reisten in die Niederlande, um sich vor Ort über Marktchancen zu informieren, Firmen zu besuchen und „Frauenthemen“ wie eine bessere Vereinbarkeit zu erörtern. „Die Niederlande sind nicht nur ein wichtiger Handelspartner, sondern Vorreiter bei Themen, die uns wichtig sind“, betonte WKO-Vizepräsidentin und FIW-Vorsitzende Martha Schultz. Sie fordert von der künftigen Regierung mehr Betreuungsplätze für unter 3-Jährige auch in Österreich. Weiters wollen die Unternehmerinnen die schulautonomen Tage vereinheitlichen.