Wirtschaft/Karriere

Uni-Präsident: "Wir eliminieren 50 Prozent"

Die Schweiz steht für Qualität, auch im Hochschulwesen. Der renommierten ETH Zürich macht nun eine technische Hochschule aus dem eigenen Land Konkurrenz: Die EPFL Lausanne - laut Schanghai Uni-Ranking die Nummer eins in Technik und Engineering in Kontinentaleuropa. Der KURIER bat den Präsidenten der Schweizer Kaderschmiede zum Gespräch.

KURIER: Warum sind die Schweizer Unis exzellent, während die österreichischen in Problemen versinken?
Patrick Aebischer: Die Schweiz hat eine lange Tradition der akademischen Offenheit. 56 Prozent der Professoren und 45 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland. Wichtig ist die finanzielle Unterstützung durch die Regierung, bei gleichzeitiger Autonomie. Am wichtigsten ist der nationale Forschungsfonds. Der fördert Forschung leistungsabhängig.

Glauben Sie, wurde das Leistungsprinzip an den europäischen Unis vernachlässigt?
Man muss kompetitiv sein. Die EPFL ist eine sehr junge Uni, aber sie zeigt: es funktioniert. Aus den USA habe ich einiges mitgenommen. Etwa die frühe Unabhängigkeit der Forscher. In Europa hat man zu sehr eine Top-down-Organisation, mit dem geachteten Herr Professor an der Spitze. Das behindert.

Prägte die Zeit in den USA Ihren Management-Stil?
Ja, sehr. Ja, vor allem bei der Entwicklung der Graduate School, bei der Suche nach Finanzierung, bei dem Streben nach Exzellenz und dem Willen zur Konkurrenz. Was ich nicht will, ist ein Copy-Paste des amerikanischen Systems. Mein Traum ist eine Renaissance der europäischen Universität.

Was wäre der Unterschied?
Es gibt einen solchen Reichtum an europäischer Kultur. Der Technik Inhalt geben, das ist die Chance Europas. Wir haben die Universitäten erfunden, aber was ist daraus geworden? Massenunis, sehr hierarchisch organisiert. Ich träume von zehn europäischen Unis, die wirklich kompetitiv sind.

Dazu braucht man Geld?
Wichtiger als Gehälter sind Forschungsfonds. Wer viel Geld verdienen will, geht ohnehin nicht in die Forschung. Die erste Motivation eines Forschers ist die Anerkennung durch seine Kollegen und der Ruhm. Wichtig ist auch die Atmosphäre auf dem Campus. Für die EPFL war der Bau des Rolex-Center daher psychologisch wichtig. Früher war abends oder wochenends niemand auf dem Campus. Heute ist das Rolex Learning Center abends voll. Warum? Es ist magisch! Wir müssen lernen, das Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern.

EPFL ist eine der am schnellsten wachsenden Hochschulen. Ein Problem?
Die Frage ist, wie man damit umgeht. Die Regierung zahlt zwei Milliarden Franken an den ETH Bereich. 35 Prozent unseres Budget sind Drittmittel, ohne Baukosten einzurechnen. Die Qualität beginnt damit, die Top-Guns unter den Professoren zu finden. Noch wichtiger: Die besten Studenten finden.

Wie? Sie müssen doch alle Schweizer mit Matura aufnehmen.
Im Bachelor ja. Aber: Die Schweiz hat mit rund 20 Prozent eine der niedrigsten Matura-Quoten Europas. Wenn man nicht gut in Physik und Mathematik ist, dann geht man weder an die ETH noch an die EPFL. Im ersten Jahr eliminieren wir 50 Prozent.

Helfen gute Platzierungen in Rankings?
Wenn man nicht drinnen ist, hat man ein Problem. Man soll Rankings aber nicht zur Obsession machen. Wie viel Competitive-Funding man hat - das sagt viel mehr über die Konkurrenzfähigkeit und die Zukunft aus. In Sachen Qualität der Publikationen sind wir Nummer eins, die ETH ist nahe dran, dann folgen Oxford, Cambridge.

Echte Konkurrenz für die renommierte ETH?
Ja. Das ist gut für das Land. Wir waren immer der Underdog. Heute haben wir mit 50 ERC Grants ungefähr gleich viel wie die ETH - bei der Hälfte der Größe.

Werden europäische Unis zusammenarbeiten können?
Ja. Wissenschaft hat eine gemeinsame Sprache. Wenn ich Rektor in Wien wäre - ich würde glücklich sein über den Reichtum an Kultur, ihn nutzen.

Patrick Aebischer: Von den USA lernen

Patrick Aebischer, geboren 1954, studierte Medizin an der Universität Genf. Von 1984 bis 1992 war er forschend und lehrend an der Brown University (USA) tätig. 1995 trat er in die EPFL ein, deren 4. Präsident er seit dem Jahr 2000 ist. Aebischer wurde für eine weitere Amtszeit bis 2016 bestellt.
Der Neurophysiologe war nicht Wunschkandidat aller. "Zu sehr von sich überzeugt, auch wenn ihm die Realität Fehler beweist" - so beschreiben ihn Gegner. Die Erfolge Aebischers sind Ausbau von Forschung und Lehre, Förderung von Start-ups und Multinationalität sowie das international gute Renommee.