Typisch Frauenberuf. Warum Soziales noch immer Frauensache ist
Von Diana Dauer
„Arbeit im Sozialbereich ist klassische Frauensache.“ Das ist zumindest die weitläufige Haltung in der Gesellschaft. Die Trennung von ganzen Berufsgruppen in Männer und Frauen ist keine ausgeblichene Erinnerung aus vergangenen Tagen. Es ist Österreichs Gegenwart.
Frauen dominieren das Sozial- und Gesundheitswesen. Wie eklatant diese Ausprägung in manchen Berufsgruppen ausfällt, zeigt sich in den Zahlen: Der Frauenanteil in der Krankenpflege und Geburtshilfe liegt bei rund 96 Prozent. Es gibt Berufsgruppen in Österreich, die zu fast 100 Prozent weiblich sind: Hierzulande gibt es eine einzige männliche Hebamme.
Hingegen sind 94 Prozent der Elektro- und Telekommunikationstechniker Männer. Laut Daten des AMS liegt der Frauenanteil im Bereich Soziales, Gesundheit, Schönheitspflege bei 74 Prozent bis 90 Prozent (je nach Berufsgruppe). Das Unwort „Frauenberuf“ hat also eine traurige Berechtigung.
Was ist schuld?
Die Gründe dafür sind vielfältig, erklärt Soziologin Nina-Sophie Fritsch, die an der WU Wien zum Thema der beruflichen Geschlechtssegregation arbeitet. Es liegt an der Sozialisation, der frühen Berufswahl, der Entwertung von weiblichen Tätigkeiten und daran, dass die geschlechtsspezifischen Rollenbilder reproduziert werden.
„In Österreich ist die berufliche Trennung besonders krass. Auch wenn es auf dem insgesamt Arbeitsmarkt viel Wandel gab. Die Segregation in Männer- und Frauenberufen ist relativ stabil“, so die Expertin.
Früher Berufswahl
Das liege auch daran, dass hierzulande die Berufswahl mit 13, 14 Jahren vergleichsweise früh fällt. „Das passiert zu einem Zeitpunkt, wo man mitten in der Pubertät steckt und Geschlechterrollen gerade erst verhandelt werden, wo es wichtig ist, was die Freunde machen“, damit würde die Trennung früh verstärkt.
Teilweise beginnt es schon früher, indem Buben und Mäschen jeweils anders beim Spielen ermuntert werden.
Wieso aber ist Soziales weiblich?
„Frauen wird seit jeher zugesprochen, dass sie die Einfühlsameren sind. Das beginnt schon bei Mädchen, die folgsamer, schweigsamer, fürsorglicher seien. Diese Eigenschaften werden in der Pflege und im Sozialen gebraucht.“
Und: bei diesen Berufen geht es oft auch um flexible Arbeitszeiten, um Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Schließlich sind es meistens die Frauen, die auch zu Hause die Pflege und Erziehung übernehmen.
Dadurch werden diese Berufe aber auch schlechter entlohnt, was zu einer Entwertung der Aufgaben führt. Weswegen wiederum weniger Männer diese Berufe wählen, weiß Fritsch.
Aber nicht nur: Männern, die sich für Soziales interessieren, wird das Einfühlungsvermögen abgesprochen. „Häufig erleben Männer auch Vorurteile, warum er überhaupt mit Kindern arbeiten möchte“, berichtet Fritsch.
Auf der anderen Seite wird Frauen in typischen Männerberufen Wissen, Kompetenz, Verständnis und die nötige Muskelkraft abgesprochen. Das Paradoxe: „Beim Knochenjob der Pflege, der körperlich sehr anstrengend ist, spielt das Muskelkraft-Argument keine Rolle“, so Fritsch.
Die Männer fehlen
Dass man aber diese Muskelkraft dringend auch in Form von männlichen Mitarbeitern in der Pflege braucht und händeringend sucht, weiß Christa Tax, Pflegedirektorin des LKH- Uni-Klinikum-Graz. „85 Prozent unseres Gesamtpflegepersonals ist weiblich. Ich bin seit 42 Jahren in der Pflege tätig, seit mehr als 30 Jahren wird versucht mehr Männer in den Beruf zu bringen“, berichtet Tax.
Es sei unheimlich wichtig, mehr Männer für den Job gewinnen zu können. Die Pflege ist ein anstrengender Job.
„Wer nach acht bis zwölf Stunden schweißgebadet aus der Schutzausrüstung kommt, weiß, dass die Belastung für Männer und Frauen gleich ist“,so Tax.
Der Job ist auch für Männer attraktiv, er ist krisensicher, vielseitig, flexibel mit vielen Aufstiegschancen. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Männer in den Beruf kommen, der Titel Frauenberuf endlich wegfällt und der Beruf auch dadurch aufgewertet wird.“