Wirtschaft/Karriere

Sie bringt die AUA auf Kurs

Die Austrian Airlines ist neu aufgestellt. Im Jänner 2014 wurden der Boden-Kollektivvertrag beschlossen, im Juni jener für die Bodenbelegschaft Tyrolean, im Dezember trat der neue Kollektivvertrag für das fliegende Personal in Kraft. Er betrifft 3300 Personen, die zuvor – nicht rechtens – in die Tyrolean überführt wurden. Heute Samstag endet die Frist, in der das Flugpersonal den neuen Vertrag akzeptieren oder kündigen kann. Mitten drin: Personalchefin Sabine Mlnarsky-Bständig. Das Interview wurde am Dienstag geführt.

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KURIER: Mit wie vielen Kündigungen rechnen Sie bis Samstag?
Sabine Mlnarsky-Bständig: Ich habe noch keine einzige. Ich rechne mit wenigen, vielleicht einer Handvoll, vielleicht auch Null.

Mit 1. April werden alle 3300 fliegenden Mitarbeiter unter dem Austrian Airlines Dach arbeiten – dann ist der letzte Schritt aus dem Schlamassel getan.
Wir laufen auf Hochtouren, hatten vier Monate, um diesen gesamten Prozess bis 31. März abzuschließen. Die Personalkosten-Reduktion, so es welche gab, haben schon mit 1. Dezember stattgefunden.

Sie sind Ende 2013 hier angetreten. Mit welcher Strategie?
Mit keiner oder definitiv zu dieser Zeit mit einer falschen.

Sie wussten nicht, worauf Sie sich einlassen?
Definitiv nicht. Geholt hat man mich, weil man eine Personalchefin gesucht hat, die sich mit Arbeitsrecht auskennt. Vorwiegend aber für einen Kulturwandel. Als ich in den Gesprächen für diesen Job war, war überhaupt nicht klar, dass die Austrian diesen Prozess des Betriebsüberganges, in dem sie war, verlieren wird. Man hat geglaubt, das schlimmste ist vorbei, der Betriebsübergang ist gelaufen.

Aber es kam anders...
Ganz naiv war ich nicht. Ich habe mich immer mit diesem Verfahren auseinandergesetzt, schon weil ich’s arbeitsrechtlich spannend fand. Für mich war die Motivation: das gibt’s doch nicht, dass man das nicht hinkriegt. Dass ein Unternehmen dermaßen in Konflikten verhaftet ist. Dieses unlösbare Problem hat mich angezogen.

Hatten Sie einen Auftrag?
Ich glaube, der Hintergedanke von Jaan Albrecht war, jemanden reinzuholen, der HR kann und eine neue Gesprächskultur etabliert.

Wie war die zuvor?
Konfliktär und aggressiv. Mit einer Vielzahl von Kränkungen in der Vergangenheit auf beiden Seiten, sodass die handelnden Personen gar keine Chance mehr gehabt haben.

Hat es die Neue da leichter?
Die hat es leichter und Neu hat es leichter. Ich war einfach nicht vorbelastet.

Wie haben Sie dieses Jahr geschafft?
Mit viel Reden und Informationsveranstaltungen und Kommunikation. Es war unüblich, dass die Personalchefin vor die Leute tritt.

Wird die HR-Abteilung von Mitarbeitern als Partner gesehen?
Langsam. Sehr langsam.

Von Mai bis Oktober liefen die KV-Verhandlungen des fliegenden Personals – wie bringt man einen neuen Vertrag mit Schlechterstellungen durch?
Man bringt es durch, weil es emotional eine Verbesserung ist. Alle Menschen sehnen sich danach, in einem ordentlichen und wertschätzenden Umfeld zu arbeiten. Viele sind bereit, zu verzichten, wenn das Arbeitsumfeld stimmt. Die Mitarbeiter haben sich lange danach gesehnt, dass die Kriegsstimmung aufhört - die Menschen wollen das nicht.

Sie sehen eine neue Ordnung?
Es gibt ein wachsendes Vertrauen. Das Bedarf einer ungeheuren Anzahl an Einzelgesprächen – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ich beantworte jede Frage, recherchiere. Ich habe unterschätzt, wie schwierig es ist, an die Menschen heranzukommen. Das fliegende Personal ist nicht da, wenn es arbeitet und es ist nicht da, wenn es nicht arbeitet. Aber wenn man hier etwas verändern will, muss man mitten rein.

3300 fliegende Mitarbeiter – wie kann man sich um jeden einzelnen kümmern?
Wir haben an jeden einen neuen Vertrag geschickt. 2000 haben das Bedürfnis zu reden. Die meisten Probleme sind schnell behoben - wenn es Fehler im Vertrag gibt, korrigieren wir. Sonst geht es ums Zuhören und Wertschätzung. Mitarbeitern das Gefühl zu geben, sie können bei jemanden andocken und der meint es ehrlich.

Wieso akzeptieren Mitarbeiter diesen neuen KV? Weil die Botschaft ist: Nehmen oder gehen?
Ich glaube, es wurde längst verstanden, was dahinter steckt. Die Mitarbeiter wissen, dass die Branche beinhart ist. Dass es in einem Privatunternehmen um den Überlebenskampf geht. Da ist jeder bereit, mit einem Spar-KV seinen Teil dazu beizutragen, um als Airline wirtschaftlich gesprochen in der Luft zu bleiben. Wir mussten Kosten reduzieren.

Wird man beim KV und beim Personalstand nochmals nachjustieren müssen?
Ich gehe davon aus, dass wir jetzt eine sehr gesunde Kostenbasis haben. Jetzt müssen wir uns aufs Geschäft konzentrieren.

Alte Zugehörigkeit versus neue Mitarbeiter – wie groß ist die Generationenkluft im AUA-Konzern?
In jedem Unternehmen gibt es verschiedene Personalkörper, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Zugehörigkeiten und aus unterschiedlichen historischen Phasen. Die Gruppe, die am meisten verdient , hat auch am meisten verzichtet. Die Altpiloten haben die höchsten Reduktionen, bei Flugbegleiterinnen maximal bis drei Prozent, bei vielen ist das Einkommen sogar gestiegen. Alles klar und akribisch gestaffelt. Zum Glück sind Piloten Menschen, die vom Typ her einer mathematischen Logik folgen. Es ist eine simple Formel, die man einfach berechnen kann.

Ist es noch attraktiv für Einsteiger, hier anzufangen?
Definitiv. Die Austrian hat am Markt einen unglaublich guten Auftritt. Die Resonanz bei jeglicher Ausschreibung ist gewaltig.

Wie lange kann sich die AUA die gute Qualität in der Ausbildung noch leisten?
Will man sich von der Konkurrenz absetzen, muss man hier weiter investieren. Bei der Sicherheit und beim Service am Kunden zu sparen, wäre ein fataler Fehler. Das tun wir auch nicht.

Wo stehen die Kosten des fliegenden Personals der AUA innerhalb des Lufthansa-Konzerns? Die AUA soll sogar billiger als Easyjet sein.
Ja, mit den Neueintritten ist das der Fall. Die Voraussetzung ist geschaffen, im Kostensegment wirklich gut dazustehen.

Die AUA ist also beim Personal auf der billigsten Schiene?
Zukünftig sicher auf der günstigsten. Nicht mit den Ist-Kosten, weil das noch der Bestand ist, aber für Neueintritte stimmt das.

Wer hat es letztlich geschafft, das so niedrig anzusetzen?
Das ist der Verdienst der Verhandlungsgruppe, die sehr klein war und die massiv von den Betriebsräten getragen wurde. Man hat sich überlegt: Wie können wir auf dem Markt bestehen und wie können wir in der Lufthansa-Gruppe bestehen bleiben. Da können auch Betriebsräte der Wahrheit ins Auge sehen. Wenn ein Unternehmen in einer derartigen Krise steckt, tut man sich vielleicht auf beiden Seiten leichter.

Klingt sehr loyal.
Es gibt einen unglaublichen Stolz in diesem Unternehmen. Nämlich: Wir sind die Roten im gelben Konzern. Wir sind zwar gern Teil des Konzerns, aber wir wollen deshalb nicht gelb werden. Wir wollen uns als die rote Airline auszeichnen und zeigen, dass wir was können. Ich finde rot auch plötzlich ganz schick.

Ist man im Lufthansa-Konzern mit der AUA glücklich?
Jetzt ja. Die Attraktivität kommt mit dem Erfolg. Wir wurden von Carsten Spohr ausdrücklich bei der Weihnachtsfeier gelobt.

Was ist das wichtigste bei einem Change-Prozess und worauf darf man nicht vergessen?
Dass man es zusammenbringt, offen zu kommunizieren. Die Belegschaft mitzunehmen und zu erklären, was da jetzt läuft - auch wenn man hinter verschlossenen Türen verhandelt. Immer, wenn ich Mitarbeiter treffe, immer, wenn ich fliege, stelle ich mich vor und frage nach, wie es geht.

Was haben Sie in diesem Jahr gelernt?
Rein fachlich enorm viel. Und ich habe gelernt, mich abzugrenzen – da werde ich besser.

Ihr Erfolgsfaktor?
Ich agiere in manchen Situationen unkonventionell, bin extrem pragmatisch und sehr bodenständig. Ich habe immer großen Respekt vor meinem Gegenüber, egal, wer das ist.

Angeblich haben Sie sogar ein Geschenk vom Betriebsrat bekommen.
Ja. Diesen Polster auf dem steht „Heidi-KV 2015“.

Wieso Heidi-KV?
Das hat etwas mit schlafen zu tun. Flugrecht ist irre komplex. Ich habe zuerst nichts verstanden von dem , was da verhandelt wurde. Das ist nicht förderlich für jemanden, der auf der Verhandlungsseite sitzt. Ich habe also in einer Höllengeschwindigkeit die Flight Duty Regulations studiert. Tatsache war: Irgendwann, spät nachts, habe ich gesagt: ‚Jetzt hab ich’s endlich verstanden: Mein Klischee war immer, ihr seid die harten Kerle mit Ray-Ban-Brille und Lederjacke. Und in Wahrheit geht’s ums Heidimachen‘ – also wann kann ein Pilot wie lange und wo schlafen. Alles dreht sich um diese Grundsatzfrage. Ein Pilot hat dann geantwortet: ‚Um Ihr Klischee voll zu vernichten, ich habe sogar immer meinen Polster dabei – und der ist rosa‘. Aus dieser Geschichte entstand der Heidi-KV-Polster. Ich glaube, ich bin die erste Personalchefin mit so einem Geschenk.

Seit 1. 11. 2013 ist Sabine Mlnarsky-Bständig (39) HR-Leiterin der Austrian Airlines. Die Juristin folgte auf Michael Ruplitsch(nur ein Jahr in dem Job). Mlnarsky- Bständig startete im Sparkassenverband, wechselte 2001 in die Erste Bank und leitete von 2007 bis 2013 das Personalwesen. Bei der AUA war sie in 15 Monaten an Verhandlung und Umsetzung von drei neuen Kollektivverträgen beteiligt. Sie ist Chefin von 6400 Mitarbeitern (3300 fliegend, 2100 am Boden) und führt die AUA mit 1. April in eine neue Personalzukunft – wenn alle Mitarbeiter (auch Tyrolean) „Austrians“ werden.