Robertos Spiel ist seine Bar
Von Sandra Baierl
"... willkommen all ihr Windungen, Kurven, Abbiegungen, Umwege und Abkürzungen des prallen Lebens. Nehmt Platz unter den illustren Gästen und lasst uns das Spiel beginnen."
An jenem Spiel, das auf der ersten Seite der Barkarte beschrieben ist, beteiligt sich Roberto Pavlovic-Hariwijadi jede Nacht. Als Gegenüber der illustren Gäste, als Barkeeper, neuerdings als Besitzer seiner eigenen Bar. Ende Jänner öffnete Roberto im ersten Wiener Bezirk: 40 Quadratmeter American Bar, dunkles Interieur, schwarzer Samt, Rauchen erlaubt. Séparées an den Seiten. Dominiert wird das Lokal von einer raumfüllenden Leuchte, die an Perlenketten von Coco Chanel erinnert.
"Sicher nicht", war Robertos Antwort auf die Nachricht eines Freundes, der ihn über den Leerstand des "Doma" am Bauernmarkt informierte. "Zu grindig, zu schmutzig, zu dreckig" war es dort. Trotzdem konnte er in den darauffolgenden Nächten nicht schlafen, immer wieder Gedanken an die Selbstständigkeit, ans eigene Lokal, "weil ich da reingegangen bin und mich trotzdem wohlgefühlt habe", erzählt er.
Umsatz? Uninteressant
Roberto gilt als einer der besten Barkeeper der Stadt. Man kennt ihn aus der Loos Bar, wo er fünfzehn Jahre lang arbeitete, dort als Abwäscher begann, das Mixen lernte, zum Barchef aufstieg und in den letzten drei Jahren sogar beteiligt war. "Ich wollte weder jemals in der Gastronomie landen, noch, mich selbstständig machen", sagt er. Aber die Windungen, Kurven und Abbiegungen des Lebens haben ihn hierher gebracht – auf den Bauernmarkt, Hausnummer 11. Ab Herbst plante er, wurde umgebaut, viele Handwerker, viel Dreck, überschaubare bürokratische Hürden. "So wie das heute aussieht – das sind alles Ideen von meiner Frau", erzählt er. Überhaupt sei das hier nur zustande gekommen, weil sie mit ihrer Kraft dahinterstehe. "Sie hat ein Händchen für Design, hat die Details ausgesucht – ich hätte mir das nie vorstellen können", sagt Roberto. Seine Ehefrau ist es auch, die Erfahrung mit eigenen Unternehmen hat, die den Druck und die Verantwortung der Selbstständigkeit bereits kennt. "Ich kann ja nichts", kokettiert Roberto. Dass er großes Talent als Gastgeber hat, will er aber dann doch nicht abstreiten. "In dem Moment, wo ich beim Gast bin, gebe ich wirklich alles, auch nach den vielen Jahren noch. Ich will gut sein mit den Menschen, bin nicht geizig."
Die Sache mit dem Geld und der Finanzierung will er nicht kommentieren. Umsatz? "Ach was, wen interessiert das jetzt. Wir haben seit zwanzig Tagen geöffnet, die Leute müssen die Bar mögen und gerne wiederkommen. Ich bin nicht hinter dem Geld her." Den Schritt vom Angestellten zum Unternehmer hat er noch nicht realisiert. Da sei eine latente Unsicherheit, mit der man leben müsse. "Ich bin eben ein totaler Anfänger auf diesem Gebiet", sagt er. Einen umfassenden Businessplan hat er zwar erstellt, mit einem netten Herrn von der WKO, "aber das sind doch nur Annahmen, die nichts bedeuten. Wir haben ja keine Erfahrungswerte an diesem Standort." Die drei Mitarbeiter Robin Peller, Sebastian Kelemer und Martin Bauer wurden nach ihrem Herz, nicht nach ihren Qualifikationen ausgesucht. "Ein Barkeeper ist viel mehr als ein guter Drink. Als Barkeeper musst du die Menschen spüren, Aufmerksamkeit ist das Allerwichtigste."
Heute, Samstag, ist übrigens Vollmond. "Eine total verrückte Nacht, wie auch die beiden Nächte davor und danach", erklärt Roberto. Da wirkt der Alkohol anders, da ist alles intensiver, sind die Emotionen unberechenbarer. Es passiert mehr. Aber das ist alles Teil des Spiels.
Das Gymnasium hat er in der siebten Klasse verlassen, eine Lehre zum Großhandelskaufmann absolviert. Erste Barerfahrung machte er im "Echo", dann ging es gleich weiter in die Loos Bar – zuerst als Abwäscher, später als Barchef, noch später als Beteiligter. Roberto Pavlovic- Hariwijadi (38) wagt nun, nach 15 Jahren, den Schritt ins eigene Unternehmen: Am Bauernmarkt 11 eröffnete er als Einzelunternehmer, aber mit viel Unterstützung von seiner Ehefrau, Ende Jänner eine American Bar. "Roberto" hat 40 Quadratmeter, drei Mitarbeiter und täglich geöffnet von 16 Uhr bis vier Uhr früh. Ruhetag? "Gibt’s nicht, weil eine Bar immer für dich da ist."