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Personal für Berg und Tal: Fehlende Arbeitskräfte im Tourismus

Die Rezeptionistin, die den Weg zum Skiverleih weist. Der Liftwart, der den Kindern am Schlepplift hilft. Die Skilehrerin, die die Bögen vorfährt. Der Hüttenwirt, der mittags die Kaspressknödel auftischt. Die Köchin, die sie zubereitet hat.

Der Pistenraupenfahrer, der die Abfahrt ebnet. Die Kellnerin, die die Après-Ski-Drinks serviert. Der Hotelmitarbeiter, der das Zimmer reinigt: Kaum eine Branche ist so personalintensiv wie der Tourismus. 312.838 Beschäftigte – jeder zehnte in Österreich – waren laut Leistungs- und Strukturberechnung der Statistik Austria 2017 in Beherbergung und Gastronomie tätig.

Doch während die Gäste von Jahr zu Jahr mehr werden – die Zahl der Nächtigungen erreichte 2017 mit 144,44 Millionen einen neuen Rekord – haben die 48.247 Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe zunehmend Probleme, ausreichend Personal zu finden. Immer mehr müssten aufgrund fehlender Arbeitskräfte Ruhetage einlegen, warnte zuletzt die Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer. Besonders die umsatzstarke Wintersaison stelle den Sektor vor Herausforderungen. So sind allein sieben der zehn nächtigungsstärksten Tourismusregionen des Landes Wintersportdestinationen.

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In den vergangenen Jahren hat die Branche vielfach auf Gastarbeiter aus EU-Nachbarländern zurückgegriffen. Besonders beliebt: Kroaten, Ungarn und Ostdeutsche. Letztere blieben aber aufgrund eines gestiegenen Lohnniveaus zunehmend daheim, berichtet Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Bundessparte. „Österreich steht bei der Suche nach Tourismuspersonal in Konkurrenz mit anderen EU-Staaten. Die Kroaten suchen aktuell selbst rund 20.000 Fachkräfte.“

Um dem Personalnotstand auf anderem Wege Herr zu werden, hat sich die Branchenvertretung zuletzt mit zwei Wünschen an die Politik gewandt: Eine gesetzliche Aufstockung der derzeit 1100 Saisonniers aus Nicht-EU-Ländern und eine Regionalisierung der Mangelberufsliste. Letzterer wurde von der Regierung erhört: Seit vergangener Woche steht fest, dass – ergänzend zum Beruf Gaststättenkoch, der nun landesweit als Mangelberuf gilt – die Kellner in den tourismusintensiven Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich sowie die Wirtschafter in Salzburg, Tirol und Vorarlberg auf der Liste der Mangelberufe stehen. In der Praxis dürfen Arbeitgeber in diesen Berufen nun Personal aus Drittstaaten einstellen.

Arbeitnehmervertreter goutieren das nicht. „Betriebe können in einem noch größeren Pool an Arbeitskräften fischen – so lange, bis sie jemanden finden, der zu billigsten Löhnen arbeitet“, kritisiert Berend Tusch, Vorsitzender der Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida.

Hohe Belastung

Dabei sind die Personalausgaben hoch. Zwischen 2008 und 2016 seien hierzulande die Personalkosten der Hotellerie um jährlich 5,6 Prozent gestiegen – das Dreifache des EU-Schnitts, zitierte Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliersvereinigung beim Jahreskongress der Hotellerie im Jänner eine Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Von den 5,6 Prozent seien aber lediglich vier Prozent bei den Mitarbeitern angekommen: „Da versickert zuviel im System.“

Nicht allein die Bezahlung sorgt für Unmut. Laut Arbeiterkammer-Arbeitsklimaindex sind Tourismusbeschäftigte deutlich unzufriedener im Job als der Durchschnitt. Hohe körperliche Belastung, Stress, fehlende Aufstiegschancen sowie schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen ihnen demnach zu. Experten gehen davon aus, dass die Branche mit gezielten Maßnahmen das Kontingent einheimischer Arbeitskräfte noch stärker ausschöpfen könnte: „Geänderte Arbeitszeitmodelle, Ausbau der Ganzjahresarbeitsplätze und bereitgestellter Unterkünfte“, zählt WIFO-Arbeitsmarktexpertin Julia Bock-Schappelwein auf.

„Unsere Mitglieder bemühen sich, attraktiver zu werden. Die Lehrlingsentschädigung wurde angehoben, Quartiere werden modernisiert, Benefits ausgebaut“, sagt Spartenchef Katzenschlager. Gefragt seien neben hoch qualifizierten Fachkräften auch geringer qualifizierte, erklärt Mathias Schattleitner, Tourismuschef der Region Schladming-Dachstein. Manche Service-Jobs seien schnell erlernbar. „Hier buhlen wir beispielsweise mit dem Handel um Mitarbeiter.“

Um Mitarbeiter werben

Die Touristiker von Schladming-Dachstein – der viertgrößten Tourismusregion – wollen nun als Kollektiv reagieren. Eine neue Benefit-Card, die den Mitarbeitern freie oder ermäßigte Eintritte in diversen Freizeiteinrichtungen der Region ermöglicht, habe allein seit Sommer 400 Abnehmer gefunden.

Gemeinsam mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut Steiermark werden seit Herbst Fortbildungen für Mitarbeiter der Beherbergungsbetriebe angeboten, darunter Sprachkurse und Coachings im Bereich Mitarbeiterführung. Als Nächstes wolle man einen Ausbau der Kinderbetreuung prüfen. Schattleitner. „Früher haben wir um Gäste geworben, heute werben wir um gute Mitarbeiter.“