Wirtschaft/Karriere

ÖBB-Chef: "Wer zu uns kommt, wird was"

Seit über 35 Jahren ist Andreas Matthä bei der österreichischen Bahnholding, seit knapp einem Jahr Vorstandsvorsitzender der ÖBB. Ein großer Job mit 40.000 Mitarbeitern.

KURIER: Es gibt viel Neues bei der ÖBB, was ist da gerade im Gang, im Hinblick auf die Mitarbeiter?

Andreas Matthä: Unsere Belegschaft ist älter, durchschnittlich über 45 Jahre alt. In den nächsten sechs Jahren verlässt etwa ein Viertel unserer Belegschaft, 13.000 Mitarbeiter, den Konzern. Das heißt umgekehrt: Wir brauchen über 10.000 neue Mitarbeitern. Das wird zwei Effekte haben: die Unternehmenskultur wird sich zwangsläufig verändern. Es bietet eine aber auch eine Riesenchance, den Technologiewandel im Konzern mitzunehmen. Die große Kunst wird sein, das Wissen der alten Generation mitzunehmen. Und gleichzeitig Neues zuzulassen. Das muss man managen.

In der Vergangenheit hat die ÖBB Mitarbeiter ja eher abgebaut ...

Ja, wir haben Mitarbeiter stark reduziert. Jetzt verlieren wir Mitarbeiter aber weit über unser Rationalisierungspotenzial hinaus. Wir müssen schauen, dass wir aufnehmen.

Wen suchen Sie?

Quer durch die Bank: alles. Vor allem Techniker. Wir werden uns künftig mit der Industrie um diese Leute prügeln müssen.

Die ÖBB als Arbeitgeber: wie war das in der Vergangenheit, wie ist es jetzt und in Zukunft?

Früher war es so: stabile Aufgabe, wo man das gesamte Arbeitsleben sein konnte. Heute, in einer unsicheren Welt, hat man hier immer noch Sicherheit. Wegen der Größe des Konzerns und weil seine Aufgabe, öffentlicher Verkehr, nicht infrage gestellt wird.

Was macht die ÖBB als Arbeitgeber aus?

Man kann am Ende des Tages alles machen und alles werden, wenn man es möchte. Ich habe als Bautechniker im Brückenbau begonnen. Es gibt Freiräume, die man nicht für möglich halten würde. Und eine unglaubliche Breite an Jobs.

Wie ist das, wenn Altvertrags-Mitarbeiter, vielleicht sogar mit Definitivstellung und Neuvertrags-Mitarbeiter zusammen kommen?

Das war doch offen gesagt immer so. Ich war zehn Jahre lang Chef und hatte zehn Jahre lang Mitarbeiter, die mehr verdient haben als ich. Mein Vorteil war, ich war jünger – eine Gnade der Zeit. Ich gehe gerne zu Kamingesprächen mit Studierenden und dort begrüße ich die jungen Zuhörer immer als "die potenziellen Führungskräfte unseres Konzerns". Die, die zu uns kommen, werden alle was. Das bringt die Altersstruktur im Konzern mit sich. Die Zeit der Jungen kommt – und zwar sehr rasch.

Weil Sie auch viel in Ausbildungen investieren ...

Ja, weil wir Berufe ausbilden, die es sonst nicht gibt. Wir sind größter technischer Lehrlingsausbildner und bilden auch sonst in unseren Trainingszentren umfassend aus.

Wie lange wird es den Lokführer noch geben?

Lange. Aber mit anderen Aufgaben als heute. In vielen Berufen wird der Mensch in der operativen Handlung durch Technik ersetzt. Gleichzeitig machen die Menschen die Aufgaben dahinter: programmieren, unterstützen, managen. Die Jobs werden anspruchsvoller, technologischer.

Klingt nach einem männlichen Arbeitsfeld.

Wird sind ein sehr maskuliner Betrieb, die Frauenquote liegt bei knapp zwölf Prozent. Als Vater einer Tochter ist es mir ein Anliegen, dass sich das ändert. Und das tut es: bei den Akademikern sind es schon ein Drittel Frauen.

Das Image der ÖBB hat sich gewandelt. Zugfahren ist Teil des Lifestyles. Wohin soll sich das Image als Arbeitgeber wenden?

Modernes, innovatives Unternehmen. Das eine gesellschaftlich wertvolle Leitung erbringt. Man soll stolz sein, wenn in der Vita ÖBB steht.

Ist die ÖBB Ihr einziger Arbeitgeber je gewesen?

Ja. Und ich weiß, dass das eine aussterbende Spezies ist. In heutigen und künftigen Generationen ist sowas eher unwahrscheinlich.