Wirtschaft/Karriere

Niss: "Werden nicht gehört, nicht gefragt"

Sie ist Jahrgang 1977 und ein sogenannter High Potential: Doktorat der Rechtswissenschaften, Erasmusjahr in Louvain-La-Neuve, Wirtschaftsstudium in Bologna, MBA in Barcelona. Drei Fremdsprachen, soziales Engagement, unter anderem in einem Frauenhaus in Ecuador. Therese Niss ist Vorsitzende der Jungen Industrie. Sie macht sich Sorgen.

KURIER: Sie vertreten die junge Generation: Wie geht's der?
Therese Niss: Ich mache mir Sorgen. Weil wir hören, dass es uns eh' gut geht und wir gut dastehen. Das sehe ich aber nur teilweise so. Im Bildungssystem geben wir viel Geld aus, sind aber nicht besonders gut. Ich habe Angst, dass wir im Wettbewerb verlieren. Die Politik denkt nur an die nächste Wahl, an nichts sonst. Wir wollen, dass sie an die junge Generation denkt, an Reformen. Wir orten eine große Reformunwilligkeit.

Das würde die Regierung sicher anders sehen.
Die Regierung ist seit drei Jahren im Amt. Seither hat sich nichts getan. Stimmt schon, Reformen tun weh -, aber die Menschen hätten das verstanden. Etwa bei den Pensionen: Da wird nichts gemacht. Die Maßnahmen sind viel zu wenig radikal, besonders die Hacklerregelung liegt uns im Magen: Zu viele Menschen gehen zu früh in Pension.

Man könnte sagen: Die Zukunft ist immer unsicher - es müsste den Jungen doch besser gehen als den Generationen davor?
Ja, es geht uns jetzt gut. Wir kennen keinen Krieg, kein Elend. Was Österreich fehlt, ist eine Politik mit Zielen. Die Frage ist, wie es uns in zehn Jahren geht, wenn wir jetzt nichts ändern. Es gibt keine Vision und keinen Plan. Wir Junge müssen uns mehr zusammentun und für eine gemeinsame Vision kämpfen.

Guter Input: Wo sind die Jungen? In der Politik engagieren sie sich recht wenig.
Die Frage ist doch, wie sehr kann man etwas beeinflussen? Die
Politikverdrossenheit zeigt ein gewisses Resignieren. Die Jugend wird nicht gehört und nicht gefragt. Es gibt viele, die etwas zu sagen haben. Es gibt vieles, das uns ärgert. Man sollte uns mitarbeiten lassen.

Was ärgert die Jungen am meisten?
Die offenbare Ignoranz der Politik den Zukunftssorgen der Jungen gegenüber. Also zum Beispiel: Der weitere Schuldenaufbau wie bisher. Wir wollen eine Politik, die längerfristig denkt. Wir wollen, dass Politiker Verantwortung übernehmen. Die Maßnahmen liegen in der Schublade. Man muss sie umsetzen.

Wie sehr beeinflusst die Unsicherheit die Lebensplanung der Jungen?
Ich glaube, dass die Lebensplanung nicht sehr stark damit zusammenhängt. Sie hängt eher von den Rahmenbedingungen ab, etwa von der fehlenden Kinderbetreuung. Aber auch darüber diskutieren wir seit Jahrzehnten.

Sie sind für mehr Eigenverantwortung, etwa beim Pensionssystem. Torpediert das nicht die Grundidee des Sozialsystems?
Das sehe ich nicht so. Unser Pensionsmodell ist transparent, fair und nachhaltig. Jeder soll das bekommen, was er eingezahlt hat. Und es gibt eine soziale Komponente, eine Mindestsicherung. Wenn jemand länger arbeitet, soll sich das auszahlen. Wenn jemand kürzer arbeitet, dann auf eigene Rechnung - und nicht auf Kosten anderer.

Im aktuellen "Jugendmonitor" haben die Jungen mehr Verständnis für die Alten als umgekehrt. Warum?
Das hat mich gewundert. Ich würde das nicht überinterpretieren. Vielleicht hat das mit unserer Flexibilität zu tun. Vielleicht stellen sich Junge schneller auf etwas ein.

Was erwartet die junge Generation?
Was auf uns zukommen muss, das ist eine Hoffnung und eine Forderung: Dass die Politik der Wahrheit endlich ins Auge schaut. Die Party ist vorbei, wir können uns das Schuldenanhäufen nicht mehr leisten. Griechenland hat's vorgemacht.

Ihr wichtigstes Anliegen?
Dass Politiker die Partei und die persönlichen Interessen vergessen: Es geht um die Sache, um dieses Land und um die nächste Generation.

Therese Niss: Jung, engagiert, laut

Unternehmerin Therese Niss (früher Mitterbauer), Jahrgang 1977, studierte Jus in Wien, absolvierte ein Auslandsstudium in Bologna und einen MBA in Barcelona. Sie arbeitete für das Europäische Parlament in Brüssel, bei Mondi Packaging und Lehman Brothers. Seit Juli 2008 ist sie bei der MIBA Coating Group (das Unternehmen ist im Besitz ihrer Familie) für Finance/Controlling und Human Capital zuständig. Sie spricht drei Sprachen, engagiert sich für Sozialprojekte.

Vorsitzende Seit Oktober 2009 ist Niss Bundesvorsitzende der Jungen Industrie und vertritt die Junge Generation.