„Mit Handkuss zurück in die Vollzeit“
Die Debatte ist nicht neu. Wirtschafts- und Handelsvertreter loben das Modell Teilzeit in ihrer Branche, die damit verbundene Flexibilität der Öffnungszeiten ihrer Geschäfte und die effiziente Einteilung der Mitarbeiter. Die Teilzeit helfe den Frauen nach der Karenz wieder ins Berufsleben zurück, sie helfe Einsteigern, sich sukzessive einzuarbeiten und überhaupt sei die Arbeit unter 40 Stunden die Woche eine gute Möglichkeit, private Interessen auch von Montag bis Freitag unterzubringen.
Die Handelsgewerkschaft sieht das anders. Ihr Vorwurf lautet: Unternehmen würden mit diesem Modell besonders Frauen in die Teilzeitfalle zwingen. Sie klagt, große Handelsketten würden überhaupt keine Vollzeitstellen mehr ausschreiben. Stimmt das?
Keine Teilzeit-Falle
Im gesamten Handel arbeiten derzeit rund 564.000 Menschen, 34 Prozent davon arbeiten Teilzeit. Und da zwei Drittel der Beschäftigten im Handel Frauen sind, betrifft die Teilzeit auch vermehrt Frauen, nämlich jede Zweite. Die Teilzeitquote von Männern betrifft nur knapp zehn Prozent, was daran liegt, dass Männer im Handel vermehrt in der Logistik oder dem Kfz- Bereich arbeiten, wo eine Vollzeitanstellung mit Schicht-Diensten die Regel ist.
Werden den 34 Prozent tatsächlich kaum Vollzeitstellen angeboten und arbeiten sie unfreiwillig weniger als 40 Stunden? Und wie flexibel macht das den Handel wirklich? Das Arbeitsmarktservice bestätigt die Handelsvertreter. „Bei der Stellensuche erkennen wir: Der Wunsch nach Teilzeitstellen ist im Handel groß“, heißt es. „Besonders in den Regionen am Land und auch besonders für Frauen ist Teilzeit oft die angenehmere Lösung.“ Einer der größten heimischen Handelshäuser SPAR beschäftigt derzeit rund 40.000 Mitarbeiter in Österreich. Unternehmenssprecherin Verena Wegscheider ist dankbar für das Modell der Teilzeit, das derzeit 93 Prozent der angestellten Damen in den Filialen nützen würden. „Wir bieten Flexibilität an und sprechen mit unserer Employer Branding Kampagne auch ganz bewusst Wiedereinsteigerinnen an“, sagt sie.
Auch bei REWE, Österreichs Marktführer im Lebensmittel- und Drogeriefachhandel, kommt man den Wünschen der Mitarbeiter nach einem kleinerem Arbeitspensum und einer einfachen Aufteilung von diesem, entgegen. „Wir haben im Normalfall 72 Stunden in der Woche geöffnet – an Bahnhöfen oder Flughäfen noch länger“, erklärt der Konzernpersonaldirektor der REWE International AG. Da die maximale Arbeitszeit pro Tag zehn Stunden beträgt, wird diese eben auf zwei- oder auch unter mehreren Mitarbeitern aufgeteilt. Gegen den Vorwurf der Gewerkschaft wehrt er sich: „Wir schreiben die Stellen aus, die gerade offen sind – keinesfalls absichtlich nur Teilzeit.“
Ein Aufstocken der Stunden auf Vollzeit sei auf Wunsch der Arbeitnehmer immer möglich, passiert aber selten. „Der Großteil verlangt nach Teilzeit. Ich würde Frauen nach ihrer Karenz mit Handkuss wieder für 40 Stunden anstellen. Aber viele wollen das nicht.“