Mein größter Karriere-Fehler
Ihr Karriereweg erscheint linear. Ohne Stolpersteine. Ohne Fehler, ohne Makel. Manager, erfolgreiche Unternehmer und Politiker haben scheinbar alles richtig gemacht.
Nichts als eine llusion, denn wirklich jeder macht Fehler. Nur werden sie gerne verschwiegen. Nach dem Motto: Jeder stolpert, keiner spricht darüber. Auch wenn Misserfolg nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu ist: Rückschläge im Job seien ein wichtiger Teil des Erfolgs, schreibt der Wiener Autor Gerhard Scheucher im Buch "Die Kraft des Scheiterns" (erschienen im Leykam Verlag), das auch die Wege und das Scheitern von 30 Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik aufzeigt. "Es sollte hemmungslos gescheitert werden", ist Scheucher überzeugt. Denn Erfolg würde in der Gesellschaft einseitig bewertet – nämlich nur aus der positiven Sicht.
Unsere Befragten – Manager, Minister, Unternehmer und Investoren – haben alle Fehler gemacht. Und sie stehen dazu. Der allgemeine Tenor lautet: Aus Fehlern lernt man. Und sei es nur, dass sie kein zweites Mal begangen werden.
Ist der Fehler einmal begangen, ist das Wichtigste die Schadensbegrenzung. Also: sich nicht durchschummeln, sondern Verantwortung übernehmen und den Fehler eingestehen – erst sich selbst, dann dem Chef gegenüber. Am besten sachlich und mit konstruktiven Vorschlägen, wie man die Sache vielleicht doch noch retten kann – und dieser Fehler künftig vermieden werden kann. Außerdem: Man muss ja nicht jeden Fehler selber machen. Sondern kann sich besser von anderen abschauen, wie man’s besser nicht macht.
Und wie schon Schriftsteller George Bernard Shaw sagte: "Ein Leben, das jemand damit verbringt, Fehler zu machen, ist nicht nur ehrenvoller, sondern auch nutzbringender als ein Leben, das mit Nichtstun verbracht wird."
Karlheinz Töchterle: Aufs Ausland verzichtet
Es war "ein Versäumnis, das mich immer wieder geärgert hat", sagt der Wissenschaftsminister. 1967 ließ der damals 17-Jährige eine einmalige Chance sausen. An Töchterles Schule gab es das Angebot, sich für ein Auslandsjahr in den USA zu bewerben. "Damals war Mobilität selten. Als sehr guter Schüler wurde ich gefragt." Er lehnte ab. "Aus Gründen, die heute lächerlich erscheinen", gibt er zu. Der begeisterte Fußballspieler war gerade in die Kampfmannschaft eingestiegen, "das wollte ich nicht aufgeben". Und er wollte das väterliche Budget nicht belasten. Bald kam Reue auf: "Mein Kollege kam mit bestem Englisch zurück, das hat ihm bei seiner späteren Konzern-Karriere geholfen." Töchterle hatte erst wieder mit seiner Habilitation Gelegenheit, ins Ausland zu gehen. Das Versäumnis prägte Töchterles spätere Haltung zu Entscheidungen: "Ich habe daraufhin beschlossen, jede Chance zu nützen und stets den schwierigeren Weg zu gehen – das habe ich auch getan."
Tina Reisenbichler: Das Netzwerken versäumt
Sie ist technische Mathematikerin und fünffache Mutter, war in der Geschäftsleitung diverser Unternehmen. Tina Reisenbichler hat sich gerne um den Inhalt des Geschäfts gekümmert. "Ich war sehr kundennah, viel am Markt draußen." Eine Gnade und ein Fluch, denn dadurch blieb wenig Zeit für andere Notwendigkeiten. "Was ich völlig unterschätzt habe ist, dass es in solch einer Position notwendig ist, zu netzwerken. Das habe ich nicht, das gebe ich zu", sagt sie. Wichtig ist ihr, hinter Entscheidungen stehen zu können. "Ich mache das nicht, um den Sessel zu behalten."
Irgendwo ist Reisenbichlers Fehler auch eine Stärke. Vielleicht kann sie es deswegen gut ertragen. "Ich finde, dass man zu seinen Fehlern stehen muss", sagt die Geschäftsführerin der Monopolverwaltung (Trafiken). Denn wer keine Fehler macht, würde auch nichts bewegen können. "Wenn in einem Unternehmen die Zahlen nicht passen, wird nicht in der oberen Ebene nach Fehlern gesucht, sondern unten. Das passt so nicht", sagt sie. Man sei ein Team.
Gerald Hörhan: Trend für Geschäfte verschlafen
In den 1990ern, als die Ära des Internetbooms ihren Anfang nahm, weilte der heutige Investment-Punk Gerald Hörhan in den USA. "Ich habe von 1993 bis 98 in Harvard studiert, war an der Quelle, was die Internetsachen betroffen hat." Der junge Student konzentrierte sich damals ausschließlich auf die Finanzwelt, das Investment Banking und Corporate Financing – rückblickend ein Fehler. "Ich habe nicht erkannt, welche Potenziale im Internet stecken. Ich hätte viel schneller zu Geld kommen können, das habe ich verschlafen."
Und er relativiert: "Damals war ich Anfang 20, ein wirtschaftliches Greenhorn." Der heutige "Spürhund" Hörhan hätte einiges anders gemacht: "Ich hätte Domains aufkaufen können oder hätte amerikanische Geschäftsideen nach Deutschland oder Österreich gebracht." Aus seinem Fehler kann man lernen: "Immer Augen und Ohren nach Geschäftsideen und Trends offenhalten", rät Hörhan. "Denn wenn 100 Leute eine Straße entlang gehen, sieht eine Person eine Geschäftsidee – die anderen 99 sehen nur die Straße."
Doris Felber: Den großen Fehler bisher nicht gemacht
Nach unserer Anfrage, welchen großen Fehler Doris Felber in ihrer Laufbahn gemacht hat, wurde in der Backstube heiß diskutiert. Das Ergebnis: "Meinen größten Fehler habe ich bisher nicht gemacht, denn das wäre eine Fehlinvestition und der Konkurs", sagt die Bäckerin. Also erzählt Doris Felber von ihrer größten Herausforderung. Damals wurde der gesamte Bäckereibetrieb vom 14. Bezirk in den 22. Bezirk verlegt. "Ich habe zudem damals gerade ein Kind bekommen. Es ist in der Backstube gelegen. Es war so anstrengend, es war ein Horror", erzählt die vierfache Mutter. Umso wichtiger sei es, solche Dinge genau zu planen. "Es zahlt sich aus, auch wenn es mehr kostet", sagt Felber.
Wenn ihre Mitarbeiter Fehler machen, sagt sie ihnen, dass Fehler dazu da sind, gelöst zu werden. "Es ist wichtig dass man sich eingesteht, was passiert ist. "Wenn einer den Fehler nicht zugibt, dann wird es schwierig", sagt sie. Verständnis hat Doris Felber dafür keines. Denn Fehler haben ihrer Meinung nach einen positiven Effekt. "Dann menschelt’s und das brauch’ ich zum Arbeiten und um Erfolg zu haben. "
Rudi Semrad: Management-Position falsch besetz
Dass ihm derselbe Fehler ein zweites Mal passiert ist, ärgert ihn. Gut, es lagen immerhin 20 Jahre dazwischen. Swatch-Österreich-Chef Rudi Semrad räumt ein, Manager-Positionen falsch besetzt zu haben. "Damit haben wir zuletzt ein Jahr verloren", sagt er. "Dabei gehört das richtige Rekrutieren zu den wichtigsten Führungsaufgaben", ärgert er sich. Dass die Beförderung in den eigenen Reihen passierte, war besonders bitter. "Ich habe mich blenden lassen, weil der betroffene Mitarbeiter seine frühere Position so gut ausgefüllt hat", gesteht Semrad ein. Der Mitarbeiter hatte sich für einen Management-Posten beworben. "Das Ergebnis waren ein überforderter Manager, der keine Erfüllung im neuen Job gesehen hat, unzufriedene Mitarbeiter und zwei Baustellen an den betroffenen Positionen." Semrad rät Managern, sich genau zu überlegen, wen man fördern will. "Ich hätte viel mehr mit dem Betroffenen über die zukünftige Aufgabe reden sollen", meint er. "Der Karriereschritt muss Sinn machen, die neue Aufgabe den Mitarbeiter erfüllen." Denn: "Die Gehaltserhöhung allein ist es nicht."
Erwin Kotanyi: Den Markt falsch eingeschätzt
In den 90er-Jahren hat Gewürzbaron Erwin Kotanyi die Expansion nach Zentral- und Osteuropa gestartet. "Begonnen haben wir mit Ungarn, zu dem wir einen starken Bezug haben – Paprika", erzählt Erwin Kotanyi. Als nächstes Land kam Tschechien. Dann Polen: "Ein Top-Land in Osteuropa." Hier wurde ein Fehler gemacht: "Wir haben die Dimension völlig unterschätzt. Wir haben zu wenige Mitarbeiter entsendet, zu wenig Kapital hineingesteckt. Wir haben es bearbeitet, wie die Märkte zuvor", erzählt er.
Das hat dazu geführt, dass ein anderes Unternehmen die Marktführerschaft erwirtschaftet hat. Lange hat sich Kotanyi geduldet, aber nach zehn Jahren musste er sich eingestehen, dass auf die Marktführer in Polen nicht mehr zu hoffen ist. "Es ist nicht mehr möglich umzudrehen, was wir am Anfang verkehrt gemacht haben. Das wird mir nie wieder passieren."
Wer Entscheidungen trifft, macht Fehler. "Wenn jemand Angst vor Fehlern hat, wird er auch Angst vor Entscheidungen haben. Weil jede Entscheidung ein Risiko birgt."
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