Wirtschaft/Karriere

Lass uns das jetzt klären

Ich mache mich sofort auf den Weg zu Ihnen“ schnaubt FBI-Agent Richie DiMaso wütend ins Telefon. Schnitt. DiMaso stürmt das Büro seines Chefs, reißt ihm das schwere, alte Telefon aus der Hand und zieht ihm damit mehrmals eins über. Das Ende der Szene: Beide zielen mit geladener Waffe aufeinander. Dieser Konflikt, den Regisseur David O. Russell in seinem Film „American Hustle“ zeichnet, ist eskaliert.


Zugegeben, sehr überspitzt eskaliert. Aber wer kennt die Situation, in der man sein Temperament kaum noch im Zaum halten kann, nicht? Streit gehört zum Leben. Er kommt in allen Kulturen und allen Lebenslagen vor. Viel öfter als uns lieb ist auch dort, wo wir uns sonst von unserer positiven und kompetenten Seite zeigen wollen: am Arbeitsplatz. Diese Woche platzte etwa gestandenen Parlamentariern (diesmal in der Türkei) der Kragen – die Fäuste flogen, das Blut floss.


Das Verteidigen unserer Ansichten lässt uns schon mal aus der Haut fahren. Auch wenn Streit, Türenknallen und Anbrüllen im Geschäftsleben nicht so gern gesehen werden. Dennoch ist für 95 Prozent der heimischen Arbeitnehmer „streiten ganz normal, wenn Menschen zusammenarbeiten“, so eine Umfrage des Forschungsinstituts Oekonsult.


Die häufigsten Diskussionen im Job sind struktureller Natur: Unklare Zuständigkeiten und unterschiedliche Ziele von Abteilungen und Positionen. Danach kommen persönliche Konflikte. Den einen nervt das Grinsen des Streber-Kollegen, der andere verzweifelt an der Ignoranz der Chefs. Die schlechten Gefühle stauen sich auf und dann?


Dampf ablassen erlaubt

Mund zu und Fenster auf helfen bei dicker Luft meistens nicht. Im Gegenteil, sie verstärken den Konflikt sogar. „Irgendwann brechen die Emotionen plötzlich mit einer großen Intensität und zu einem ungünstigen Zeitpunkt aus Ihnen heraus“, sagt Konflikt-Coach und Unternehmensberater Jürgen Lichtkoppler. Sein Rat ist, dass man präventiv Dampf ablassen sollte.


Wie das richtig und professionell geht, ist den meisten unklar, erzählt er aus Erfahrung. Die gröbsten Fehler, die hierarchieübergreifend täglich beim Diskutieren am Arbeitsplatz passieren, seien das Phrasendreschen und das Persönlichwerden. Wörter, wie: immer, nur, ständig, nie und auch unterschwellige Botschaften sind Tabu. Die Kritik dürfe sich, laut Lichtkoppler, nur auf das Verhalten einer Person beziehen und niemals auf ihre Eigenschaften. Zu sagen: „diese Arbeit haben Sie unvollständig abgegeben“ ist besser, als „Sie arbeiten aber schlampig“. So ein Feedback sei für Kollegen viel annehmbarer und konstruktiver.

Ein weiterer Streit-Fehler: es in der Öffentlichkeit zu tun. „Geben Sie Feedback oder Kritik niemals vor versammelter Mannschaft – auch, wenn es nur die engsten Kollegen sind. Das wirkt verstärkend und eskalierend. Streiten Sie immer nur unter vier Augen“, so Lichtkoppler.


All diese Diskurs-Fehler machen das Problem nämlich nicht nur schlimmer, sondern auch teuer. Konflikte kosten. Menschen verlieren in Folge von bedrückendem Streit das Vertrauen, fühlen sich unsicher, machen Fehler, die Motivation sinkt und die Fluktuation steigt. Eine Studie der Beratung KPMG zeigt sogar: Projekte, die aufgrund von Uneinigkeit unter den Beteiligten gescheitert sind, kosten jedes zweite Unternehmen 50.000 Euro, jedes zehnte bis zu 500.000 Euro.


Um es im Clinch nicht so weit kommen zu lassen, muss manchmal ein Externer, dem beide Streitparteien vertrauen – der Chef etwa – sachlich und vor allem unparteiisch intervenieren. Wichtig dabei ist, dass er nichts entscheidet und die Lösungskompetenz den sich Zankenden überlässt. Denn Gewinner und Verlierer soll es beim Streit niemals geben – nur Kompromisse.

Fast jeder zweite Vorgesetzte wird bei einem Streit mit seinen Mitarbeitern persönlich, so eine Umfrage der deutschen Personalberatung Rochus Mummert, für die im Vorjahr 1000 Arbeitnehmer befragt wurden. Diese unsachlichen Auseinandersetzungen vergiften langfristig das Arbeitsklima, in knapp jeder zweiten Firma sei die Unternehmenskultur deshalb von mangelnder Wertschätzung geprägt. Hauptauslöser für Krach zwischen den Hierarchien sind unklare Anweisungen durch den Vorgesetzten sowie Diskussionen um Arbeitszeiten.