Konfliktmanager Harald Schmid: "Niemand kündigt gerne"
Von Uwe Mauch
"Die Österreich-Niederlassung des Konzerns wird geschlossen und die Produktion in ein Billig-Lohn-Land verlagert. Dadurch verlieren mehr als hundert Mitarbeiter ihren Job." Harald Schmid geht davon aus, dass uns solche Nachrichten trotz guter Wirtschaftsprognosen weiterhin nicht erspart bleiben. Schmid weiß, wovon er spricht. Er hat als Personalmanager in namhaften österreichischen Firmen selbst viele Kündigungssituationen erlebt. Seit dem Jahr 2012 arbeitet er als Berater, Mediator und Coach und hat sich dabei auf das Thema Konflikt- und Trennungsmanagement spezialisiert.
KURIER: Hat Österreichs Wirtschaft nicht soeben das Gröbste überstanden?
Harald Schmid: Leider nein. Es gibt etliche Branchen, die weiterhin von Strukturbereinigungen oder Produktionsverlagerungen betroffen sind. Und am Horizont naht bereits die nächste personalpolitische Herausforderung: Industrie 4.0. Es ist somit zu befürchten, dass Personalabbau auch in den kommenden Jahren ein zentrales Thema bleiben wird.
Harte Zeiten für Personalisten.
Davon ist auszugehen. Für das Top-Management ist mit der Information ins Unternehmen der unangenehmste Teil meistens erledigt. Für die Personalisten geht ab diesem Zeitpunkt die Arbeit erst richtig los. Denn sie sind es, die für die folgenden Umsetzungsmaßnahmen verantwortlich sind. Ein herausfordernder Job, der vor allem eines ist: einsam.
Warum einsam?
Die Nähe zum Management macht die Personalverantwortlichen für viele Kollegen zu undurchsichtigen Spielern. Oft herrscht Misstrauen vor, obwohl man sich persönlich gar nicht kennt. Das liegt auch daran, dass sich viele Führungskräfte bei unangenehmen Personalentscheidungen elegant am Personalbereich abputzen. Nach dem Motto: "Ich hätte das ja anders entschieden, aber Personal hat gesagt ..."
Sie meinen: die Überbringer der schlechten Nachricht werden dafür verantwortlich gemacht?
Ja. In Zeiten von Personalabbau spitzt sich das weiter zu. Die Personalisten sind es ja, die mit den Mitarbeitern die finalen Kündigungsgespräche führen und mit ihnen die Austrittsmodalitäten klären. Was nicht selten dazu führt, dass die Frustration der Betroffenen auf ihr Gegenüber projiziert wird.
Wem können Personaler ihre Sorgen klagen?
Paradoxerweise sind in der heißen Phase oft die Betriebsräte eine Stütze. Denn sie wissen genau, was sich hinter den Kulissen abspielt. Sie erleben dabei hautnah mit, wie vehement die Personalverantwortlichen in alle Richtungen agieren müssen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: den unvermeidlichen Mitarbeiterabbau konsequent und trotzdem sozial verträglich zu gestalten.
Sie haben selbst viele Kündigungsgespräche geführt, wie geht es einem da emotional?
Wer den Betroffenen Unerfreuliches sagen muss, an dem gehen solche Gespräche nicht spurlos vorüber. Das Problem dabei ist: Im konkreten Kündigungsgespräch haben eigene Emotionen keinen Platz. So wie ein Notarzt einem Unfallopfer niemals sagen würde, wie schlimm die Verletzung aussieht, darf auch ich als Personalist meine Gefühle nicht sichtbar machen. Das würde letztendlich auch niemandem helfen.
Könnte als extrem hartherzig ausgelegt werden.
Wird es manchmal auch. Und das schafft zusätzliche Distanz zu den Kollegen und eine Situation, welche die nächsten Gespräche nicht einfacher macht.
Kann man sich auf diese Aufgabe vorbereiten?
Wer sich als Personalmanager einer Kündigungswelle gegenübersieht, tut gut daran, rechtzeitig für seine Psychohygiene vorzusorgen: In Form von einem externem Coaching, bei den auch eigene Emotionen Platz finden.
Was macht Betriebsschließungen so belastend?
Dass ich als Personalist immer auch Betroffener bin. Denn am Ende eines extrem aufreibenden Jobs muss ich selbst gehen. Trotzdem muss ich dieses Wissen ausblenden. Erst wenn der letzte Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat, darf ich "das Licht ausdrehen" und mich meiner eigenen beruflichen Zukunft widmen.
Wie ist Ihr persönliches Resümee als Personalist?
Wichtig ist mir folgende Botschaft: Niemand kündigt gerne, auch nicht Personalisten. Dessen ungeachtet müssen sie danach trachten, in einer unangenehmen und schwierigen Situation das Beste für alle Seiten herauszuholen.