Karriere mit 50 plus: Erfolgreich ins dritte Drittel
Von Andrea Vyslozil
Der 50. Geburtstag ist für viele Menschen ein Wendepunkt: Ein halbes Jahrhundert, die Mitte des Lebens ist erreicht. Beruflich läutet der Fünfziger das dritte Drittel der Karriere ein. Für viele ein Anlass, sich noch einmal zu verändern. Sei es, um sich in einer Topmanagement-Position zu beweisen oder durch einen Wechsel in eine Nonprofit-Organisation zu sich selbst zu finden. Wieder andere fallen in ihrer Firma einer Umstrukturierung zum Opfer und haben keine andere Wahl, als das Feld zu wechseln. Ihnen allen will Karriere-Coach und Diplompsychologe Hans-Georg Willmann mit seinem neuen Ratgeber „Durchstarten mit 50 plus – Wie Sie Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nutzen“ (Campus Verlag) Orientierung bieten.
KURIER: Ein Neustart mit 50 – Chance oder Bürde?
Hans-Georg Willmann: Einerseits haben Erwerbstätige mit 50 heute gute Chancen. Weil derzeit viele Arbeitskräfte über 60 in den (Vor-)Ruhestand gehen, gibt es einen akuten Fachführungskräftemangel. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung neue Chancen, auch für Selbstständige. Andererseits stoßen über 50-Jährige bei Arbeitgebern oft auf Bedenken: zu teuer, wenig belastbar oder öfter krank, unflexibel und wenig lernbereit.
Oft argumentieren Arbeitgeber mit Kosten.
Wenn sie einen Jungen einstellen können, der um ein Drittel günstiger ist, als der Mitarbeiter mit 30 Jahren Erfahrung, fällt die Entscheidung leicht. Als Älterer kann ich mir überlegen, ob ich da finanziell nicht ein Stück weit entgegenkommen möchte. Das Haus ist abbezahlt, die Kinder sind selbstständig. Im neuen Job muss ich vielleicht nicht mehr 80.000 Euro im Jahr verdienen, darf dafür meine Fähigkeiten sinnstiftend einbringen.
Und die übrigen Vorurteile?
Denen proaktiv entgegentreten. Hat der Arbeitgeber das Vorurteil, man sei nicht mehr so lernfähig, sollte man sich rasch für eine Weiterbildung anmelden. Das signalisiert Lernbereitschaft. Sie sind selten krank? Schreiben Sie das in den Lebenslauf.
Was unterscheidet über 50-Jährige am Arbeitsmarkt von jüngeren Jobwechslern?
Die Qualifikation vieler heute 50-Jähriger, die zu Beginn ihrer Karriere gut ausgebildete Fachkräfte waren, hat mit dem rasanten digitalen Fortschritt vielfach nicht mithalten können. Deshalb ist Weiterbildung für sie so wichtig. Ganz besonders punkten über 50-Jährige, die hier in branchenübergreifende Fertigkeiten investieren: Fremdsprachen, IT oder Schlüsselkompetenzen wie Projekt- oder Prozessmanagement oder Scrum Master. Für Wechsler über 50 ist es wichtig, ihre übertragbaren Fähigkeiten zu kennen: Skills, die branchen- und positionsunabhängig sind.
Viele tolle Positionen werden gleich gar nicht ausgeschrieben. Wie kommen 50-Jährige an sie ran?
Ich rate zu Initiativbewerbungen an interessante Arbeitgeber im eigenen Mobilitätsradius. Ein 54-jährige Techniker, den ich nach unfreiwilligem Ausscheiden bei der Jobsuche beraten habe, hat initiativ 35 Firmen angeschrieben. Vier haben ihn zum Gespräch geladen. Mit Erfolg: Am Freitag, den 31. August hat er bei seiner alten Firma aufgehört, am Montag den neuen Job begonnen.
Welche Tipps gibt es noch?
Viele über 50-Jährige unterschätzen, wie groß eigentlich ihr Netzwerk ist. Das ist eine Stärke, die ein 25-Jähriger nicht hat. Wer Job sucht, sollte sich sichtbar machen. Wenn ein ehemaliger Kollege sagt: „In dem Unternehmen kenne ich den Abteilungsleiter oder den Personalchef, ruf doch an und sag lieben Gruß“ – kann das Türen öffnen.
Und was raten Sie Menschen, die sich mit 50 selbstständig machen wollen?
Selbstständige brauchen einen finanziellen Puffer. Mit über 50 muss auch die Gesundheit passen. Und: Unternehmerpersönlichkeit zeichnet eine gewisse Risikobereitschaft, Unsicherheitstoleranz, langer Atem, Selbstwirksamkeit, Durchsetzungs- und Problemlösungsfähigkeit aus. Wer mit über 50 noch nie selbstständig war, unterschätzt das gerne.
Zur Person: Der gelernte Industriekaufmann und Diplompsychologe Hans-Georg Willmann ist seit 2003 als selbstständiger Berater und Buchautor tätig. Menschen, die sich beruflich verändern (wollen oder müssen) oder in einer Krise stecken, coacht er ebenso wie Unternehmen, die Beratung in Sachen Personalfragen, Assessment-Center oder Outplacement suchen. Zu seinen Kunden zählen etwa Siemens und die Landesbank Baden-Württemberg. „Durchstarten mit 50 plus“ ist bereits das 26. Buch des gebürtigen Freiburgers. Anlass für den Ratgeber war sein eigener 50. Geburtstag.