Jung trifft alt: Bessermachen als Chance
Von Sandra Baierl
Hans Staud schickt nach dem Treffen ein SMS: „Danke für das Gespräch. Mich hat wirklich erstaunt, dass der junge Philipp – 34 Jahre Altersunterschied! – die gleichen Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte hat, wie ein erheblich Älterer.“ Stauds Resümee trifft den Punkt des Generationengesprächs: Im Job und im Leben geht es um Handschlag, Qualität und um das Gute.
KURIER: Die Arbeitslosigkeit ist heute auf Rekordhoch, Singlehaushalte nehmen zu, es gibt immer weniger Kinder. Wie geht es uns und in welcher Zeit leben wir?
Hans Staud: Der Unterschied damals: wir waren die Nachkriegskinder, tief unten, im Vergleich zu Deutschland rückständig. Es war jeder Tag besser als der vorhergehende. Die erste Nachdenkphase hatten wir mit dem Erdölschock 1973. Der Vorteil für die Jungen: Sie sind nichts anderes gewöhnt.
Philipp Bruni: Die Bedingungen sind nicht zu vergleichen. Ich hatte das Glück, dass immer alles da war. Die größte Herausforderung war, unseren eigenen Weg zu finden in der Vielzahl der Möglichkeiten.
Staud: Wir hatten damals Studiengebühren. Mein Vater hat das nicht finanziert, der Musikprofessor wollte überhaupt, dass ich Cellist werde. Ich ging an die Uni, habe mir das Studium selbst finanziert und bin nebenbei arbeiten gegangen.
Wie schwierig war und ist es, sich selbstständig zu machen?
Staud: Das war damals nicht leicht und heute ist es das auch nicht. Wir hatten damals aber keine Konkurrenz, es hat auf dem Markt nichts gegeben – keine Tiefkühlkost, keine Produktvielfalt. Österreich war karg.
Bruni: Selbstständigkeit ist eine Einstellungssache – das war schon immer so. Ich habe nie einen Angestelltenjob gemacht, weil ich es mir nie vorstellen konnte. Man muss aber auch mit den Hochs und Tiefs umgehen können, die eine Selbstständigkeit bringt.
Staud: Du musst das durchhalten, darfst nicht beim ersten kleinen Gegenwind aufgeben.
Diese Zeit ist aber doch sehr volatil geworden, das hängt auch mit der Krise zusammen ...
Bruni: Das ist sicher eine der größten Belastungen generell: Die Instabilität und dass man sich auf nichts verlassen kann.
Staud: Ja, das stimmt. Ich habe aber das Gefühl, dass es gerade wieder besser wird. Ich lebe den Begriff des ordentlichen Kaufmanns, mit Handschlagqualität und gültigem gesprochenem Wort. Das geht jetzt wieder in Österreich. Die Deutschen sind da grundschlechter als wir.
Bruni: Ich kenne die Italiener besser, da ist das Geschäftemachen eine Katastrophe. Da kann man sich auch auf keine geschriebenen Verträge verlassen.
Der offene Markt, die Internationalität heute – wie baut man sich da eine Marktposition auf?
Bruni: Das ist besonders schwierig. Der Markt ist nicht das Grätzel, der Markt ist die Welt.
Staud: Für mich auch: Früher haben wir den Greißler beliefert, heute liefern wir nach Japan und China. Aber wir haben das langsam entwickelt, der Philipp hat gleich die ganze Welt vor sich.
Bruni: Ich sehe aber, dass es auch eine Besinnung gibt, zu den näheren, lokaleren Produkten. Aber da ist eine enorme Übersättigung, wir können alles sofort bekommen, wissen und tun. Das ist auch oft belastend.
Staud: Seit Krisenbeginn denken die Leute um. Qualität ist wieder gefragt, man will wissen, wo die Produkte herkommen. Eine Marktposition baut man sich auf, indem man Monopolist ist, anders und einzigartig.
Bruni: Man muss definitiv außergewöhnlich sein, sonst hat man am Markt keine Chance.
Alle sprechen von Innovationen – ist das die einzige Marktchance?
Staud: Ich bitte Sie! Es gibt keine Innovationen auf dem Lebensmittelmarkt. Marmelade mit Cola? Pizza am Stiel? Darauf hat doch niemand gewartet. Es gibt nur Verbesserungen, es geht nur mit Spitzenqualität.
Wofür arbeiten Sie?
Staud: Spaß, das war immer so. Ich habe Spaß, anderen Menschen – den Kunden, Mitarbeitern, Bauern – etwas Gutes zu tun. Als ich gegründet habe, hatte ich keine Vision. Ich wollte nur endlich gute Produkte herstellen, die Marmelade damals war nicht zum Fressen. Ich habe als Kind sogar einen Eintrag ins Mitteilungsheft bekommen: „Ihr Sohn isst die Marmelade nicht.“
Bruni: Es gibt Projekte, die man macht, um seine Miete zu bezahlen. Und andere, die Spaß machen. Generell gehe ich meiner Berufung nach. Da habe ich Glück, ich kann mit Freude etwas schaffen.
Sind Wachstum und mehr Umsatz Ihre Ziele?
Staud: Mein erster Umsatz: 95.000 Schilling. Meine Hürde war, dass ich noch nicht alt genug war fürs eigene Gewerbe.
Bruni: Umsatz kann man anstreben, für mich ist es nicht das Glück, viel Geld zu machen.
Staud: Aber wir sind doch verdammt zum Wachstum. Wenn wir nicht wüchsen, müssten wir dauernd die Preise erhöhen, weil die Kosten ja stets steigen. Das wäre der Untergang.
Bruni: Als Dienstleister und Kreativer habe ich spannende Projekte vor Augen, nicht den Umsatz.
Bürokratie und Gesetze: Wie hat sich das entwickelt?
Staud: Kinder, bitte, das war früher überhaupt kein Thema. Einen produzierenden Betrieb kann man heute nicht mehr gründen, ohne nicht zehn Millionen im Hintergrund zu haben. Da gibt’s so viele Auflagen, so viele Geräte und Ausstattungen, die man braucht, das ist irrsinnig geworden.
Bruni: Sobald es in Richtung Produktion geht, ist meist der erste Gedanke, wie fern von Österreich wird das produziert werden. Die Produktions- und Lohnkosten in Österreich killen das Wachstum.
Staud: Das Wort Bürokratie hat es damals nicht gegeben. Ich habe ausprobiert, konnte Fehler machen. Das darf man heute alles nicht mehr. Ich hatte mein Hirn viel freier als du.
Bruni: Das glaube ich sofort. Die Informationsmenge mit der man bombardiert wird, ist eine große Last. Die Freiheit heute ist eher auf einer virtuellen Ebene zu finden. Vielleicht gibt es deshalb so viele Start-ups auf diesem Gebiet.
Wo liegen die Chancen heute?
Bruni: Wenn ich mir den Markt ansehe, erkenne ich, dass es alles im Überfluss gibt. Und sehe trotzdem: da ist immer noch sehr viel Schrott. Es geht immer besser, das ist unsere Chance.
Staud: Das sehe ich genau so. Es gibt zu viel Schrott. Unser Denken und Tun muss so gut sein, dass es Zeiten überdauert.
Philipp Bruni war schon als Kind im Architekturbüro der Eltern „tätig“, mit zehn Jahren hat er sich das Tischlern beigebracht, mit 14 seine ersten Designaufträge erhalten. Ausbildung: Maschinenbau an der HTL, BWL-Studium an der WU und Industrial Design in Mailand. 2006 erste Projekte für Manner (der „Schnitt-o-mat“) und Römerquelle (die Kunststoffflasche). 2008 bis 2012 diverse Design-Projekte zwischen Wien und Mailand, unter anderem für Augarten – bekannt sind die Vase „Pinocchio“ und der Augarten Flagshipstore in Wien.
Hans Staud wurde am 22. August 1948 in Wien geboren. Seine Familie führte seit 1883 einen Obst- und Gemüse-Großhandel im 16.Wiener Bezirk, schon während des Studiums an der Hochschule für Welthandel arbeitete er im elterlichenBetrieb. Hans Staud gründete mit 23 Jahren (1971) seine eigene Firma. Mit Konfitüren, Sauergemüsen, Fruchtsirupen und Kompotten aus dem obersten Qualitätssegment hat er sich internationale Reputation erworben. Staud liefert heute bis nach China und Japan, in Wien hat er 40 Mitarbeiter, im Burgenland 28.