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Informatik-Studium: "Wir haben die Kapazitäten nicht"

KURIER: Herr Dekan, wie lief der Informatik-Aufnahmetest heute?

Christian Huemer: Das ist ein gut organisierter Prozess, bei dem uns die Uni Wien mit ihren Erfahrungen hilft. Bei tausend Bewerbern braucht es eine straffe Organisation und strenge Regeln für faire Bedingungen für alle. Die Besten kommen durch, dafür braucht es Chancengleichheit.

Worauf wird beim Aufnahmeverfahren besonders Wert gelegt?

Zum einen haben die Bewerber ein Buch erhalten, das ihnen einen Zugang zur Informatik geben soll. Daraus werden Fragen gestellt. In Teil B geht es um allgemein-kognitive Fähigkeiten: Analogien, Zahlenfolgen, Syllogismen, Matrizen.

Gibt es in der Informatik auch Quoten?

Nein. Jeder in dieser Welt hat die gleiche Chance. Wir dürfen etwa Frauen nicht bevorzugen, auch wenn wir das wollten. Es wäre rechtlich nicht möglich.

Hätten Sie den Test heute bestanden?

Das ist eine hypothetische Frage, die ich spontan mit Ja beantworte. Aber: Es gibt kein Bestehen oder Nichtbestehen, denn es ist ein Reihungstest. Die Besten kommen rein. Das heißt: Mein Schaffen in so einem Ranglistentest ist abhängig von den anderen. Ich kann 99 Prozent richtig haben, wenn aber 581 besser sind als ich, komme ich trotzdem nicht rein. Damit kann sich nie jemand sicher sein.

Kommen in Jahren mit Aufnahmetests bessere Studierende ins Studium als in Jahren ohne Test?

Das Aufnahmeverfahren gibt es bei uns erst seit dem letzten Jahr, wir haben also wenig Erfahrungswerte. Wir haben im ersten Jahr feststellen können, dass das Engagement der Studierenden, die den Test geschafft haben, sehr hoch war. Das kann man etwa an der Präsenz in Vorlesungen ablesen.

Über Tausend haben sich zum Test angemeldet, rund 900 sind angetreten, es gibt 581 Studienplätze in der Informatik. Ist dieses System sinnvoll?

Im Interesse des Landes müssen wir schauen, dass wir möglichst viele in der Informatik ausbilden. Das kann aber nicht nur in Wien sein. An der TU stoßen wir an Kapazitätsprobleme – an anderen Studienorten in Österreich gibt es freie Plätze. Nennen Sie mir eine Uni in Europa, die tausend Studierende aufnimmt. Die gibt es nicht. Wir müssen ein gutes Betreuungsverhältnis garantieren. Aktuell kommen an der TU auf eine Lehrperson 120 Studierende. Die Spitzenunis wie die ETH Zürich haben ein Verhältnis von 1:36.

Die Limitierung ist also gerechtfertigt, auch wenn Informatik die Disziplin der Zukunft sein soll.

Letztendlich ja, weil wir die Kapazitäten nicht haben. Nicht in den Labors, nicht in den Hörsälen, nicht bei den Professoren. Informatik kann man aber nicht nur an der TU Wien studieren, sondern eben auch in anderen österreichischen Unis – und zwar ohne Aufnahmetest. Da ist die Politik gefordert, entsprechende Strukturen zu schaffen und Anreizsysteme, um die Studierenden in den Süden oder Westen zu bringen.

Die Studierenden machen also lieber einen Aufnahmetest in Wien als keinen in Klagenfurt?

Ja. Das hat mit der Attraktivität der Stadt Wien zu tun und damit, dass die TU in der Informatik europaweit im Spitzenfeld liegt. Wir belegen etwa Platz 10, haben ein sehr gutes Image.

Werden wir in fünf, zehn Jahren genug Informatiker haben?

Eine schwierige Frage. Ja, ich glaube auch, dass die Informatik immer wichtiger wird. Aber man darf nicht glauben, dass alle Informatiker studiert haben müssen. Für eine reine Programmiererausbildung muss man nicht auf die Uni gehen. Die Antwort ist also: Ob wir genügend Informatiker haben, hängt nicht nur von den Unis ab, sondern auch von FH, HTL und anderen Ausbildnern.

Was raten Sie als Plan B all jenen, die es heute beim Reihungstest nicht geschafft haben?

Wir haben heuer den Test besonders früh angesetzt. Mit dem Ziel, dass am Montag die Reihungsergebnisse vorliegen. Damit haben die, die wirklich Informatik studieren wollen, die Möglichkeit, woanders zu inskribieren.