Wirtschaft/Karriere

„In einer Krise fangen die besten Firmen an“

Mit 15 ging er in den Ferien nach Cambridge, um Englisch zu lernen, später, um das Physikstudium am Kings College abzuschließen – und für immer dort zu bleiben. Seither hat der gebürtige Tiroler Hermann Hauser (63) „ein bisschen Geld gemacht“, wie er in schönstem britischen Understatement sagt. Denn mit seiner Firma Acorn und der Entwicklung des ersten brauchbaren Heimcomputers in den Achtzigerjahren und mit der Firmengründung ARM, deren Mikroprozessoren heute in fast jedem Mobiltelefon stecken, wurde er zum Steve Jobs Großbritanniens – und zum zwölftreichsten Mann auf der Insel („Jetzt bin ich bei 500, da sind so viele reiche Russen da“).

Cambridge-Phänomen

Wofür einer der erfolgreichsten Auslandsösterreicher aber am meisten geschätzt wird: Hauser hat seit jeher jungen Unternehmern auf die Beine geholfen, Start-ups ermöglicht. Er investiert seit zehn Jahren auch hauptberuflich mit seiner Venture-Capital-Firma „Amadeus“ sowohl in Neugründungen als auch in Innovationen bei bestehenden Firmen und ist mit einer der Väter des sogenannten Cambridge-Phänomens: Eines Clusters von inzwischen 1400 Hightech-Firmen mit rund 40.000 Beschäftigten in und um Cambridge, „Silicon Fen“ genannt, der die Verbindung von Universität/Wissenschaft und Business optimal nützt.

Seither ist Cambridgeshire die blühendste Region Großbritanniens: Während die Arbeitslosigkeit landesweit bei acht Prozent liegt, beträgt sie in Cambridge gerade einmal drei Prozent. In seinem Büro auf dem Mount Pleasant mit Blick über die kleine Stadt erklärt Hauser, wie das geht. Und was Österreich bräuchte, damit so etwas auch hier geht.

KURIER: Herr Hauser, sind Sie nach Cambridge gegangen, weil Ihnen Österreich far too small war?

Hermann Hauser: Nein, der Vater kam nach Hause und sagte: „Bubi, du lernst jetzt Englisch, das ist die wichtigste Sprache auf der Welt.“ Weil die Zugverbindung nach Cambridge besser war als die nach Exeter, bin ich dort gelandet. Und es hat mir sehr gefallen, der Sommer mit den langen Nächten, die Architektur, hinten am King’s College sind die Punts, die Stocherkähne, mit den feschen schwedischen Mädchen vorbeigefahren ...

Also kamen Sie wieder?

Ich kam mehrmals, habe mich in die Stadt und das Internationale verliebt. 1977 habe ich hier mein Doktorat gemacht und dann Acorn Computers gegründet.

Wäre das in Österreich nicht möglich gewesen?

Nein, das war auch ein Grund, warum ich hängen blieb: Man kann in England eine Firma um 100 Pfund gründen, das habe ich damals mit einem Kollegen getan. Wenn das 1000 gekostet hätte wie in Österreich, hätten wir das nicht machen können.

Die Rahmenbedingungen waren damals schon besser?

Ja. Ich würde gerne auch einmal in Österreich investieren. Aber wenn man sich die Venture-Capital-Landschaft anschaut, das ist wirklich eine Katastrophe. Ein Drittel des Risikokapitals in Europa ist in England, dann Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Tschechien, irgendwann Österreich.

Woran liegt das?

Österreich geht’s ja nicht schlecht, es ist im Automobilsektor gut ( Cluster in der Steiermark, Anm. ), das Wachstum ist gut, das passt ja. Für die Zukunft sehe ich aber schon ein Problem, weil das meiste Wachstum mit revolutionärer Innovation verbunden ist. Mit einer evolutionären können große Firmen gut fertig werden, wenn’s aber revolutionär wird, ist es irsinnig schwer für Firmen, das zu absorbieren –, die bringen sich damit meistens um.

 

Da braucht’s Kapital ...

... und das Entrepreneurship, das mir sehr am Herzen liegt. Deswegen habe ich auch ein Entrepreneurship-Center für die Universität hier gebaut.

Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist eines der Geheimnisse hier. In Österreich ist die nicht sehr ausgeprägt. Warum?

Zunächst liegt das stark an der Qualität der Universitäten und der Wissenschaft, obwohl wir auch auf ein paar gute in Österreich stolz sein können. Aber wenn man sich die Rankings der Top-20-Unis der Welt anschaut, ist Cambridge die Nummer eins mit mehr Nobelpreisträgern als irgendeine andere Universität der Welt, sogar mehr als jeder Staat außer den USA und Deutschland. Elite-Unis wie Cambridge sind in Zentraleuropa einfach nicht vorhanden. Und dann liegt es an der Betonung von Entrepreneurship in angelsächsischen Ländern – das ist Teil der Kultur.

Was bräuchte es für so einen Cluster in Österreich?

Zeit. Und Role Models, Unternehmer, die etwas machen und den Erfolg vorleben. In Cambridge hat das auch erst vor 10 Jahren wirklich zu brummen begonnen. Damals hatten wir 17 Prozent unserer Investitionen bei Serial Entrepreneurs, also die bereits ihre zweite oder dritte Firma gegründet haben. Jetzt sind es 70.

Haben Sie je überlegt, als Role Model zurückzukehren?

Meine Kinder sind hier zweisprachig aufgewachsen, meine Mutter wohnt in Wien. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das, was ich hier mache, in Österreich machen könnte, da fehlen die Voraussetzungen.

Gab es Anfragen aus Österreich, Politik oder Wirtschaft, Ihre Expertise einzubringen?

Nein, mit Ausnahme von Wolfgang Schüssel. Als er Kanzler war, war ich auf seinem Advisory Board von Auslandsösterreichern. Der jetzige Kanzler verwendet diesen Ausschuss nicht mehr. Aber ich würd’s schon gerne machen, wenn sich irgendwer dafür interessiert.

Mit Acorn sind Sie reich geworden: Der Homecomputer wurde ein Riesenerfolg, weil ihn BBC für ein Lernprogramm für Schüler verwendete. Aber Acorn scheiterte dann an Lieferproblemen.

Wir waren die erste Firma in England, die von null auf 100 Millionen Pfund in fünf Jahren gewachsen ist. Es war auch die einzige Firma der Welt, die ein millionenfaches „capital gain“ hatte: Jedes Pfund, das wir hineingesteckt haben, nach hundert waren es noch einmal hundert, war eine Million Pfund wert, als wir die Firma an die Börse brachten. Dann gab’s Produktions- und Wachstumsschwierigkeiten – mit der Firma habe ich sehr viel gelernt.

... und mit ARM den nächsten Megaerfolg gegründet.

Mit meinem Team von Acorn. Der ARM-Prozessor ist der einzige der Welt, der von zwei Leuten konstruiert wurde und nicht von 50; und ich gab ihnen kein Geld, somit war das der einzige Prozessor, der nicht um Millionen gemacht wurde. Dadurch wurde er einfach und klein und war trotzdem einer der leistungsstärksten – und damit weltführend. Heute haben wir mit diesem Prozessor einen 95-prozentigen Marktanteil in Mobiltelefonen und einen 80-prozentigen in PCs. Dieses Jahr verkaufen wir acht Milliarden ARMs, in jedem iPad, in jedem iPhone sind fünf ARMs.

Warum haben Sie sich irgendwann entschlossen, nicht mehr nur Unternehmer zu sein, sondern in Unternehmen zu investieren?

Ich war der Steve Jobs von England, oft in den Medien. Viele fragten, ob ich ihnen nicht mit ihrer Firma helfen und investieren könnte, weil ich ja ein bisschen Geld gemacht habe mit Acorn ...

Ein bisschen?

Also gut, ich war der Zwölftreichste in England. Dann habe ich investiert, und gab 50 Prozent vom Business Angel Money in Cambridge für junge Leute, die ein Geschäft aufbauen wollten.

Business Angel ist was?

Der Begriff kommt aus dem Theater: Wenn Leute für eine Produktion Geld brauchten, gab es oft Private, die es ihnen gaben, „Theatre Angels“. Die Business Angels investieren oft mehr als Venture Capitalists – mit privatem Investment in die Aktien von Start-up-Firmen, ein großer Sektor der angelsächsischen Finanzierung.

Dann gründeten Sie die Investmentfirma Amadeus.

Ja, weil so viele Leute wollten Geld von mir, dass ich sagte, das macht keinen Sinn, das allein zu machen, ich sollte das mit einer Firma machen.

Wie viele Firmen haben Sie im Laufe Ihrer Tätigkeit gegründet oder mitfinanziert?

Mehr als 100.

Da kommt jemand zu Ihnen und sagt, ich habe eine Idee, aber kein Geld, und Sie bewerten das dann ...

Genau, man muss genug technisches Wissen haben, um die Ideen auszuloten. Wobei sich das sehr verändert hat. Früher kamen die Leute und sagten „Ich habe eine Idee, das wird die Welt verändern“, und ich hab’ gesagt, „Ja großartig, aber wo ist der Markt?“ und die sagten dann „Der Markt ist egal, aber die Idee!!“; oder die Professoren wollten sich ihre akademischen Hände nicht schmutzig machen mit dem Pakt mit dem Mammon. Inzwischen wissen alle, dass der Markt wichtig und es gut ist, wenn man aus einer Idee ein Business macht.

Wer bewertet?

Wir sind bei Amadeus vier Partner, jeder ist auf etwas anderes spezialisiert. Ich kenne mich im Semiconductor-Bereich und bei Zellbiologie aus, die anderen bei mobiler Infrastruktur, bei Software und Security.

Okay, und wenn die Idee passt, dann gibt’s Geld?

Ja, aber das ist nicht alles. Viele glauben, sie können die Firma selbst leiten, aber die meisten Akademiker können das nicht. Es braucht Geschäftsführer, Marketing, das vermittle ich. Und wenn ein Business-Plan da ist, gibt’s das Geld.

Und Platz?

Ich habe das Hauser-Forum gebaut, da können junge Leute um 50 Pfund einen Schreibtisch mieten, dann ein Büro – so können sie anfangen.

Wie viele Anfragen haben Sie?

Ungefähr 1000 pro Jahr. In eine von 100 bis 200 wird auch tatsächlich investiert.

Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf die Unternehmensgründungen aus?

Positiv.

Aha. Wieso?

Weil die Leute in Großfirmen ihren Job verlieren und was Eigenes probieren.

Umso vorsichtiger muss man bewerten?

Nein, nicht unbedingt. Die Leute sind ja oft sehr gute. In so einer Krise fangen oft die besten Firmen an.

Ihre drei besten Eigenschaften?

Ich habe ein Gespür für technische Ideen; ich komme mit Menschen gut aus; und ich bin zukunftsgläubig.

Die drei schlechtesten?

Ich bin zu zukunftsgläubig; ich kann ungeduldig sein; und ich kann dumme Menschen nicht ausstehen.

Ihr Laster?

Autos vielleicht. Ich gehe ab und zu nach Silverstone und drehe dort ein paar schnelle Runden.

Was haben die Engländer, was die Österreicher nicht haben?

Es hat viel mit der Einstellung zu tun, mit fehlendem Mut. Wenn jemand in Cambridge sein Doktorat gemacht und eine gute Idee hat, sagt er zu sich: Ich habe an der Nummer eins Universität abgeschlossen, bin der Beste und der Erste auf der Welt, der diese Idee hat, da mache ich jetzt etwas draus. Der Doktorand in München oder Wien sagt: Ich habe eine gute Idee, aber wenn die wirklich so gut ist, dann hat die sicher schon jemand bei Siemens gehabt, und wenn die bei Siemens niemand gehabt hat, dann ist wahrscheinlich die Idee nicht so gut. Das ist der Unterschied.

Zur Person: „Business Angel“ und Auto-Fan

Hermann Hauser 1948 in Kufstein geboren, studierte Physik (Abschluss in Cambridge) und gründete Top-Firmen wie Acorn Computers oder ARM. Als „Business Angel“ finanzierte er den Start junger Unternehmen in Cambridge, später gründete er die Risikokapital-Firma „Amadeus“, die maßgeblich zum Wirtschaftswunder in der Region, dem „Silicon Fen“ mit mehr als 1400 Unternehmen, beitrug. Hauser ist mit einer Neuseeländerin verheiratet, hat zwei Kinder und liebt schnelle Autos.

Venture Capital (Risikokapital) Finanzielle und Know-how-Beteiligung an jungen Unternehmen, die für Kredite zu schwach sind. Beteiligung ist mit hohem Risiko verbunden (Totalverlust des eingesetzten Kapitals), bei Erfolg aber mit hohen Renditen.