Ihr und sein Karriereweg: Grundverschieden
Im Jahr 1973: Sie und er sind anerkannte Tennissprofis. Das stößt ihm, einem selbst ernannten Chauvinisten, sauer auf. Er könne jede Frau am Tenniscourt schlagen, posaunt er gern heraus. Also fordert er, Bobby Riggs, die junge Billie Jean King frech zu einem Spiel heraus – um ein für alle mal zu klären, wer das stärkere Geschlecht ist. King nimmt das Angebot an. Sie will beweisen, dass Frauen gleich viel können und verdienen wie Männer. Sie spielt – und gewinnt, was später als "Battle of the Sexes" in die Sport-Geschichte eingehen soll.
Heute, ganze 44 Jahre und einige Schritte Richtung Gleichberechtigung später, sieht das Verhältnis zwischen den Geschlechtern im Job immer noch nicht nach Gleichberechtigung aus. Einer der Gründe dafür könnte sein: Junge, gut ausgebildete Studentinnen sind nicht so selbstbewusst, wie sie sein könnten. Sie starten mit niedrigeren Erwartungen an ihre Karriere als ihre männlichen Kollegen. Das spiegelt sich nicht nur in ihren Gehaltswünschen wieder. Ein Umstand, der vor allem später, bei ihrem tatsächlichen Gehalt, schlagend wird. Hier klafft bereits nach wenigen Berufsjahren ein ordentlicher Gender Pay Gap. Dieses Bild zeigt die Universum Talentstudie 2017 für Österreich, die die Karriere-Erwartungen und Ziele von 20.000 Wirtschafts- und Technik-Studierenden und jungen Uni-Absolventen untersucht. Sie liegt dem KURIER exklusiv vor. Die Österreich-Ergebnisse sind Teil der weltgrößten Talent-Studie, die die Job-Einstellungen von 1,5 Millionen Menschen weltweit analysiert.
Frau-Mann-Unterschiede
Die Frau-Mann-Unterschiede, die aus der Studie hervorgehen, verblüffen, weil sie eindeutig zeigen: Was Erwartungen, Wünsche und Ziele angeht, ticken die beiden Geschlechter tatsächlich vollkommen unterschiedlich. Zum Teil so, wie vor 30 Jahren. "Die Studierenden haben immer noch viele Klischees im Kopf. Nicht nur in Österreich, das zieht sich über weite Teile Europas. Nur Skandinavien denkt bei Karrieren viel moderner", analysiert Samuel Röllin, Global Account Director bei Universum und Kenner der Studie. Besonders markant: Noch bevor es mit der Arbeit losgeht, bewerten sich Männer massiv besser als Frauen. Sie sehen sich stärker als ,High Achiever‘ als ihre Kolleginnen.
In Zahlen ausgedrückt heißt das zum Beispiel: 24-jährige Wirtschaftsstudentinnen erwarten, in ihrem ersten Job 29.958 Euro brutto im Jahr zu verdienen. Die männlichen Studienkollegen glauben hingegen, schon 34.492 Euro zu verdienen. Ein Blick auf ihre Gehaltskonten sechs Jahre später zeigt: Frauen verdienen dann zwar mehr als sie erwartet haben, nämlich 39.712 Euro. Die Männer allerdings auch – und zwar um ganze 7500 Euro mehr als die Frauen. Und da stehen sie erst am Anfang ihrer Karriere.
WU-Professor Wolfgang Mayrhofer untersucht ebenfalls die Karrieren von Wirtschaftsuni-Absolventen und ergänzt das Bild: "In den ersten drei Berufsjahren gibt es überhaupt keinen Unterschied, Männer und Frauen kriegen die gleichen Jobs, verdienen gleich viel. Dann, rund vier Jahre nach dem Berufseinstieg, passieren zwei Sachen: Einerseits ändere sich die Haltung von Frauen, der Kinderwunsch beginnt eine Rolle zu spielen und sie fangen an, über ein flexibleres Karrierekonzept nachzudenken." Sie hätten dann schon erste Berufserfahrungen gesammelt und merken, was es wirklich braucht um nach oben zu kommen – und entscheiden sich bewusst für ein anderes Package. "Sie wollen ein zufriedenes Leben. Die Männer aber bleiben auf Erfolg gepolt."
Andererseits passiere in dieser Zeit auch eine Selektion in den Unternehmen. "Die jungen Leute werden von den Firmen auf unterschiedliche Karrierepfade gesetzt, da sind Humankapital- und Diskriminierungsüberlegungen im Spiel", so Mayrhofer. Konkret: Man gibt das herausforderndere Projekt lieber dem jungen, eifrigen Mann – auch, wenn die 30-jährige Frau genauso qualifiziert wäre. Wegen dieser Faktoren gehen Männer und Frauen von da an unterschiedliche Karrierewege, die Gehaltsschere beginnt sich zu öffnen. Ob sich Verdienst und Karriere-Stufe später wieder angleichen? Professor Mayrhofer: "Nein, das holt man nicht wieder auf."
Der Jäger, die Harmoniserin
In der Studie kristallisieren sich somit klare Karriereprofile für die Befragten heraus. Die meisten Männer fallen unter "Hunter", sind also Jäger, die Herausforderungen suchen. Die meisten Frauen entsprechen dem Profil "Harmoniser" – freundlich, idealistisch, setzen sie sich für das Wohl des Teams ein. Sieht man sich die Branchen an, in denen die Studiosi einmal arbeiten wollen, erklärt sich ebenfalls, warum Männer später höhere Gehälter haben als Frauen. "Sie sind an Branchen interessiert, die stärker monetär getrieben sind, wie etwa Banken", sagt Röllin. Was wiederum "für viele Frauen ob des Aufgabengebietes möglicherweise langweilig erscheint."
Fakt ist: Nur die Durchmischung von Mann und Frau, Hunter und Harmoniser und den anderen Karriereprofilen die an den Unis vorkommen, wie Entrepreneure, Idealisten oder Leader kann ein Unternehmen zum Erfolg führen. Die künftigen Arbeitgeber seien jedenfalls angehalten, ernst zu nehmende Konzepte für flexible Karrieren mit Karenzen zu entwickeln, fordert Röllin. Und: Es brauche auch Väter, die sich im Job etwas zurücknehmen können, um Familienarbeit zu leisten, wie das in skandinavischen Ländern der Fall ist.
Aber auch die Einstellung von Frauen zu Geld dürfe sich ruhig ändern, meint WU-Experte Mayrhofer. "Wir sehen, dass sie sehr viel später als Männer nach Gehaltserhöhungen fragen." Immerhin zeigt die aktuelle Universum-Studie, dass die Studentinnen heuer mehr Wert auf harte Faktoren wie ein gutes Grundeinkommen legen, als noch in den Vorjahren. Im Mann-Frau-Spiel im Berufsleben haben die Frauen also noch Luft nach oben. Um es in Worten der Tennis-Legende Billie Jean King zu sagen: "Wir dürfen uns erlauben, mehr zu wollen."