Wirtschaft/Karriere

Gier im Vertrieb: Gut oder böse?

Immer mehr haben wollen, möglichst schnell und möglichst sofort – Habgier ist ein durchaus menschliches Verlangen. Gesellschaftlich wird die hemmungslose Sucht nach mehr meist verurteilt. Aber gerade wenn es um eine Karriere im Vertrieb geht, ist ein Quäntchen Gier oft von Nutzen. "Gier ist in jedem Beruf ein starker Antrieb", sagt Elmar Weixlbaumer, einer der Autoren des Buches Die neue Gier (Goldegg Verlag, 2015). Denn: "Das Wesen der Gier ist es, unersättlich zu sein. Und ein nicht zu bremsender Mitarbeiter wird Erfolg haben." Gerade bei Vertriebsmitarbeitern wird das durch gute Absatzzahlen auch rasch sichtbar. "Anreizsysteme wie Provisionen, Auszeichnungen, Zuspruch von Verantwortung und Macht sind darauf ausgelegt, Vertriebsmitarbeiter zu motivieren, Vertriebsziele zu erreichen", erklärt Co-Autorin und Psychologin Valentina Bruns. Dem gierigen Mitarbeiter, so Bruns, geht es jedoch nicht primär um das Vertriebsziel – das ist für ihn im besten Fall Mittel zum Zweck. Bruns: "Ihn interessiert vor allem die eigene Bereicherung. Gier kann der eigenen Karriere daher auch im Weg stehen – dann, wenn die Vertriebsziele den eigenen Zielen im Weg stehen."

Per se nichts Schlechtes

Das Verlangen nach mehr, so die Psychologin, sei per se nichts Schlechtes. Wichtig sei es auch, zwischen Gier und Ehrgeiz zu unterscheiden. Bruns: "Die beiden gehen nicht zwingend Hand in Hand." Verwerflich wird die Sache, wenn anderen Menschen oder der Gesellschaft mit von Habgier motiviertem Verhalten Schaden zugefügt wird. Aber wie kann man nun Verkaufsmitarbeiter schulen, um sie nicht gierig, aber dennoch ehrgeizig sein zu lassen? Weixlbaumer sieht hier wenig Chancen: "Das Gierige resultiert aus einer frühkindlichen Fehlentwicklung. Spätere Schulungen haben darauf keinen Einfluss mehr." "Wenn jemand der Gier verfallen ist, wird es schwierig bis unmöglich, ihn mittels Schulungen daran zu hindern, sie auszuleben", stimmt Bruns zu.

Schadensbegrenzung kann in dem Fall nur betrieben werden, indem dem Betreffenden keine Möglichkeit gegeben wird, gierig zu agieren. Es sei vor allem das berufliche Umfeld, das gefährlich werden kann, meint Weixlbaumer: "Wenn ein Gieriger an der Kasse sitzt oder alleinverantwortlich mit Wertpapieren handelt, kann das zu Katastrophen führen. Beispiele dafür – wie Nick Leeson – gibt es genug."

Gierig sind aber nicht nur Vertriebler, sondern auch Käufer. "Man kann hier gegensteuern, indem man keine Produkte in diese Richtung anbietet", rät Weixlbaumer: "Wenn eine Bank beispielsweise Super-Hebel-Kamikaze-Optionsscheine bewirbt, richtet sie sich ausschließlich an Menschen mit einer gierigen Störung. Verkäufer sind dann richtiggehend angehalten, nach gierigen Menschen zu suchen, denen sie diesen Wahnsinn aufschwätzen können."