Wirtschaft/Karriere

Diplomarbeit von Geisterhand

Schon sein halbes Leben lang macht er Magister, Bachelor, und Master aus Studierenden. Und seit sieben Jahren schreibt der promovierte Kommunikations- und Medienkulturwissenschaftler Herbert Jost-Hof neben seiner Arbeit als Berater bei einer akademischen Ghostwriting-Firma „fast alles“.

KURIER: Sie tragen den Titel Dr. phil. Wie viele Titel tragen Sie inoffiziell aufgrund des Verfassens von Diplomarbeiten für andere?

Herbert Jost-Hof: Das habe ich nie gezählt – einige werden es schon sein. Mit dem Ghostwriting habe ich ja bereits vor 25 Jahren begonnen. Ich weiß nur, dass mein erster inoffizieller Titel ein Magister in Pädagogik war. Mit dem Schreiben dieser Diplomarbeit habe ich damals einer sehr guten Freundin in einer schwierigen Zeit geholfen.

Was braucht man, um akademischer Ghostwriter zu werden?

Zunächst viel Erfahrung mit dem Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten. Ein Titel als Nachweis ist von Vorteil. Ich persönlich finde zudem breites Allgemeinwissen wichtig – das hilft dabei, sich die richtigen Themen auszusuchen, zu denen man schreiben will. Es ist sinnlos, eine Arbeit anzugehen, wenn sich der Zeitaufwand zu Ungunsten des Verdienstes verschiebt.

Wie kommen Sie zu Aufträgen?

Es wird alles anonym übers Internet abgewickelt. Die Kunden beschreiben ihren Wunsch in einem Formular auf der Acad- Write-Seite. Dieses wird dann an passende Experten zum Thema weitergeleitet. Entscheidet man sich dann für eines, bekommt man den Zuschlag und kann loslegen. Ich habe, glaube ich, inzwischen fast 50 Arbeiten verfasst. Von Hausarbeit über Bachelor- bis hin zur Masterarbeit. Bei größeren Aufträgen ist es sinnvoll mit den Kunden zu telefonieren, um die Feinheiten abzustimmen.

Ihr kniffligster Auftrag?

Eine Diplomarbeit in zehn Tagen.

Müssen Sie sich für Recherchen als Student ausgeben?

Ich habe es nicht müssen, aber ich habe es getan: Ein Mal habe ich nachtelefoniert. Böse gefühlt habe ich mich nicht.

Studierende erschwindeln sich dank Ihrer Arbeit den Abschluss.

Aber geschenkt bekommen sie ja trotzdem nichts, der Abschlussprüfung können sie sich nicht entziehen. Ich liefere lediglich die Grundlage, Gedanken und Ansätze für ihre Arbeit und sage niemals „Hier hast du sie, unterschreibe nur und gib ab.“ Ich empfinde meine Kunden zudem immer als Menschen in einer Notsituation.

Sie helfen also nur ...?

Bei den wenigen, mit denen ich früher persönlichen Kontakt hatte, war keiner zu blöd oder zu faul zum Schreiben. Die Hochschüler werden mit ihren Themen oft einfach überfordert und alleingelassen. Es ist ein Fehler des Systems, bei dem ebenso die Professoren überfordert sind. Und ja, dann helfe ich.

Wie kann ein Betreuer feststellen, dass sein Student schwindelt?

Indem er seinen Job gut macht. Er sollte um den Schreibstil seines Schützlings Bescheid wissen und erkennen, dass da was nicht stimmen kann. Wer das Risiko, erwischt zu werden nicht eingehen will, setzt besser nicht seinen Namen einfach so unter meinen Text.

Geschäftsführer Thomas Nemet studierte vor der Gründung seiner Firma „Acad Write“ die Paragrafen. Ist das Verfassen und Verkaufen einer wissenschaftlichen Arbeit ein Verbrechen? Moralisch verwerflich?

Fazit: Das Schreiben für andere sei nichts Verbotenes und hätte mittlerweile so etwas wie edle Tradition an den Hochschulen. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Käufer schließlich, dass er die Arbeit nicht als seine eigene missbrauchen würde – die juristische Konsequenz läge also beim Kunden. Was mit der erworbenen Arbeit hinterher tatsächlich geschieht, sei nicht mehr Sache der Agentur, heißt es seitens Acad Write.

Mittlerweile schreiben mehr als 300 Experten in verschiedenen Fachbereichen für Acad Write, die Firma betreibt Büros in fünf Ländern, will weiter expandieren. Für österreichische Studierende werden ein bis zwei Arbeiten pro Woche verfasst. Die Dienstleistung hat ihren Preis: Mit 3500 Euro für eine Diplomarbeit ist man dabei. Je nach Aufwand kann ein 200-seitiges Werk, eine Dissertation etwa, aber auch bis zu 10.000 Euro kosten.