Generationen-Mediatorin: „Ein Streit muss richtig ausgetragen werden“
KURIER: Worüber streiten unterschiedliche Generationen am Arbeitsplatz?
Gudrun Turek-Lima: Kommunikation und Arbeitsauffassung. Die jüngeren Generationen kommunizieren eher formlos, nehmen formelle Anreden nicht wichtig, E-Mails beginnen mit „Hallo“. Das wirkt für ältere Generationen schnell flapsig, unhöflich und wenig wertschätzend – ist aber oft gar nicht so gemeint. Zweitens: die Arbeitsauffassung. Ich höre oft, die Jungen wollten nichts mehr leisten. Das sehe ich so nicht: Sie sind sehr leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis. Sie schauen auch, ob sie zufrieden sind, sich verwirklichen können, gut behandelt werden. Das haben die Älteren nicht gemacht, da gab es oft Überstunden ohne Ende und ein Leben, um zu arbeiten. Die Forderungen der Jungen mögen egoistisch klingen, aber vielleicht beneiden Ältere sie genau darum – und sie verändern damit auch das Unternehmen.
Müssen Unternehmen umdenken?
Betriebe sind häufig an den Bedürfnissen der Älteren orientiert. Das muss sich mit dem Fach- und Arbeitskräftemangel ändern, das haben Unternehmen schon begriffen. Es ist eine Herausforderung für sie, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die jüngere Generation auch wohlfühlt.
Was stört Jüngere, was Ältere?Konflikte kommen beispielsweise hoch, wenn es um Überstunden oder den Dienstplan geht. Oft springen ältere Mitarbeiter ein – und ärgern sich, dass die Jüngeren nicht dazu bereit sind. Hier spielen unterschiedliche Arbeitsbedingungen wie Urlaubstage oder Gehalt eine große Rolle. Den Jüngeren gehen Dinge oft zu langsam, sie wollen lieber Videokonferenzen als persönliche Meetings.
Zu umständlich, unflexibel, nicht spontan genug sind häufige Vorwürfe. Und: Die ältere Generation entspricht häufig der Elterngeneration – und benimmt sich dann auch so. Sie geben gute Ratschläge, kommunizieren von oben herab, nicht auf Augenhöhe. Das ärgert die Jungen.
Wie sollten Mitarbeiter reagieren?
Offen und neugierig bleiben und ein Verständnis für den anderen entwickeln: Wie tickt der andere? Wenn mir das Verhalten eines Kollegen komisch vorkommt, sollte ich es hinterfragen und meine eigene Sicht schildern. Wenn man über etwas reden kann, ist es schon nicht mehr so schlimm. Wichtig dabei: Nicht werten, sich nicht über den anderen stellen. Das gilt für Jüngere wie für Ältere. Oft sind die anderen überrascht, wie ihr Verhalten ankommt. Die meisten Probleme entstehen aus Fettnäpfchen. Wenn die Jüngeren die Erfahrung der Älteren anerkennen und nicht abwerten, und diese die digitalen Kompetenzen und Veränderungsbereitschaft der Jüngeren nicht abtun, ist das der Schlüssel: das gegenseitige Wertschätzen der unterschiedlichen Fähigkeiten und Stärken.
Was können Vorgesetzte dafür tun?
Teams beklagen häufig, sie hätten keine Zeit, miteinander zu reden. Also: regelmäßiger Austausch mit echter Feedbackrunde. Daran sollten Führungskräfte teilnehmen, um Bruchlinien früh zu erkennen. Konflikte entstehen oft unbemerkt. Sobald man etwas merkt: Nicht warten, Gespräche mit allen Beteiligten suchen, einzeln, dann in der Gruppe. Und wenn man es selbst nicht lösen kann, eine externe Person hinzuziehen. Und bitte nicht denken, das legt sich oder die lösen das alleine: Das ist meistens nicht der Fall, der Konflikt schwelt weiter und irgendwann ist er riesengroß. Lieber ein Gespräch zu viel als eines zu wenig. Leider werden wir Mediatoren oft sehr spät geholt. Umso schwieriger ist es dann, den Konflikt zu bearbeiten.
Können Konflikte auch zu etwas gut sein?
Das Problem ist ja nicht der Konflikt selbst, sondern wie er ausgetragen wird. Konflikte sind gut, weil sie unterschiedliche Sichtweisen deutlich machen und dadurch eine Weiterentwicklung ermöglichen. Die Reibung erzeugt Erkenntnisgewinn. Je unterschiedlicher ein Team ist, desto produktiver kann es sein – wenn es gelingt, die unterschiedlichen Perspektiven zu integrieren.