Ganz individuell: Der Weg in die Arbeit
7 Uhr Tagwache. Mein erster Gedanke: Arbeitstag, oder darf ich weiterschlafen? Es ist Dienstag, also ersteres. Blick aufs Handy, wie warm wird es? 31 Grad, das heißt luftige Kleider für die Kids. Zum Frühstück: Cornflakes mit kalter Milch, Saft und Kräutertee. Aufbruch um 8 Uhr: Im Auto checke ich noch schnell. Eingecremt? Sonnenhüte mit? Nach wenigen Minuten gehen wir die Stiegen zur Sommerbetreuung hinauf. Freundinnen eilen herbei und umarmen die Neuankömmlinge. Ein guter Zeitpunkt, mich zu verabschieden.
Im Auto atme ich einmal tief durch, die Kinder sind fröhlich und versorgt. Ab jetzt geht es um mich. Ich schalte FM4 ein und starte mit der Morning Show von Stuart Freeman in den Tag. Es geht über enge Straßen und Kopfsteinpflaster vorbei an Weingärten Richtung Büro. So wie zwei Millionen andere pendle ich jeden Tag zur Arbeit, in meinem Fall nur neun Kilometer von Niederösterreich nach Wien. Ich bin froh, eine Mini-Pendlerin zu sein. Im Durchschnitt sind die Niederösterreicher pro Tag eine Stunde unterwegs und legen 53 Kilometer zurück.
Mittlerweile kreisen meine Gedanken um den Arbeitstag. Ein Interview ist für heute schon vereinbart. Die Fragen habe ich vorbereitet, ich gehe das Gespräch durch, da fällt mir noch etwas ein, ich notiere es gedanklich. Mein Blick fällt auf den Tacho, ich bin zu schnell, drosseln auf 50 km/h, hier kommt das Radar. Vorbei am Kahlenbergerdorf, rechts abzweigen und Blick nach links: Mein guter Morgenblick, der mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Brückenpfeiler der Klosterneuburger Hochstraße bilden während der Fahrt die Form von Zwiebeltürmen vor glitzerndem Donauwasser. Schön. Zum Schluss die Herausforderung Parken: Bei Schönwetter kein Problem, bei Regen über Pfützen balancierend. Ticket zahlen, hinter die Windschutzscheibe klemmen. Noch ein paar Schritte – ich bin da. Die Fahrt war meditativ, die Gedanken fliegen hoch beim Routine-Arbeitsweg. Da entstehen oft die besten Ideen für Geschichten.
-Ulla Grünbacher
„Es ist zu kalt, um kurzärmelig zu gehen“, sage ich meiner Tochter und ziehe ihr eine dünne Weste an. Ihr Protest ist mir egal, sie war erst krank, keine Lust auf Wiederholung. Die Weste wird angezogen. Dann gehen wir los, wie jeden Morgen unter der Woche: Mein Freund fährt den Kinderwagen, ich hab das Mädel am Arm.
Vor fast drei Monaten bin ich in das neue Level „Working Mum“ umgestiegen. Ein fröhliches Level, solange es keine Gegner gibt. Doch die kommen, etwa in Form eines Virus. Und dann ist Arbeitengehen nicht mehr befreiend und bereichernd. Ich kann mich dann schwer konzentrieren, denke die meiste Zeit an mein Kind. Meine Kollegin sagt, es wird besser, man härtet ab.
Seit Montag begleiten sie mich wieder zur U-Bahn. Alles ist gut. Ich muss am Weg an eine Studie denken, die ich gelesen habe: Mütter, die schnell wieder arbeiten, schaden ihrer Karriere. Weil sie als Rabenmütter wahrgenommen werden – das sind nicht die Sympathieträgerinnen, denen man Menschenführung zutraut. Ich ahne, ich werde die Parität von Frauen und Männern in Chefpositionen nicht erleben. Ausreden gibt es immer: Entweder sind Mütter zu lang oder zu kurz weg. Genug Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige sind nur Rahmenbedingungen – es müsste sich viel mehr ändern. Trotzdem Danke, Frau Ministerin, Step-by-Step.
Im Gorilla-Market werde ich gefragt: „Cappuccino und Brioche?“ Stammgastsein ist schön. Noch nie habe ich erlebt, dass Kaffee mit solchem Vergnügen gebrüht wird. Von allen Mitarbeitern: dem Typen mit Kapperl, der tätowierten Blonden, der Kurzhaarigen mit Nasenring. Ich frage mich: Was braucht es, um glücklich im Job zu sein?
In der U4 sind von zehn Leuten drei in Gedanken, vier tippen ins Handy, zwei lesen Zeitung, eine Taschenbuch. Frau elf sitzt allein auf einem Viererplatz. Ihr grauer Wollmantel ist bis zum Hals geschlossen, ihre Füße stecken in Crocs, ihr brauner Schopf ist ungewaschen, der Kopf nach vorne gekippt. Neue Fahrgästen beachten sie nur kurz, dann schauen sie weg. Ja, man härtet ab.
-Andrea Hlinka
Im Flur schieben die Müllmänner die schweren Tonnen vom Hof zur Hauptstraße. Obwohl es im Haus in der Früh alle eilig haben, rennt hier der Schmäh. Im Café, das im Haus seinen Hintereingang hat, werden die leeren Schnapsflaschen vom langen Vorabend vor die Tür gebracht und der türkische Taxifahrer, der zu seiner C-Klasse vor dem Haus schlendert, wünscht einen schönen Tag.
Draußen, mitten im Achten und unweit des tosenden Gürtels, pulsiert es. Um halb neun in der Früh ist hier schon Stau. Alles steht Richtung Innere Stadt – im kleinsten Bezirk Wiens arbeiten die meisten Menschen. Insgesamt sind 832.507 Menschen in Wien unselbstständig beschäftigt, viele von ihnen scheinen jetzt unterwegs zu sein. Aus ihren Autos hört man Business-Gespräche über die Freisprechanlagen.
Da wandert auch mein Blick aufs Handy. Die Gedanken schweifen von der Musik, die durch meine Kopfhörer läuft, zum Job. Ich überfliege die eMails am Handy – nicht jedes einzelne öffnen, nur die wichtigen schon im Gehen beantworten, nehme ich mir jeden Tag aufs Neue vor. Ich blicke nur kurz vom Bildschirm hoch, nicke der adretten Parlamentarierin zu, weiche der schlendernden Kabarettistin mit Hund aus. Einige Schritte weiter ändert sich das Bild abrupt: Im Bundesland mit der höchsten Arbeitslosigkeit stehen auch heute wieder Menschen um die Kebab-Stände herum. Sie sind frühmorgens nicht Richtung Arbeit unterwegs.
In der U-Bahn: U6- und U4-Stationen rauschen vorbei. Ins Handy vertieft, vergehen die 17 Minuten Arbeitsweg schnell – man hat doch noch gar nicht alle Zeitungen online durchstöbern und auf alle eMails zurückschreiben können. Ping. Da schickt eine Freundin ein Foto. Ping, der Freund eine Nachricht. Ich muss lachen. Meine Konzentration? Die ist dahin. Vielleicht ist das gar nicht schlecht, denke ich. Jetzt erst merke ich, dass draußen die Sonne scheint. Der Job ist nur noch einige Gehminuten entfernt. Ich krame die Kopfhörer wieder aus der Tasche.
- Magdalena Vachova