Führungsstil: "Chefs brauchen mehr Demut“
Dirk Devos aus den Niederlanden ist Experte in Sachen Führung. Der Gründer von „courage11“ - einer Unternehmensberatung, die Firmenchefs ermutigen will, sanfter zu führen - im Interview über veraltete Verhaltensmuster von Führungskräften und wie sie sie ändern könnten.
KURIER: Herr Devos, Führungskräfte haben in der Regel ein Animo für die erste Reihe, sie repräsentieren, tragen Verantwortung. Sie sagen in Ihrem Buch: Nur, wer sich als Chef zurücknehmen kann, erlangt nachhaltigen Team- und Firmenerfolg. Wie passt das zusammen?
Dirk Devos: Natürlich brauchen wir von einer Führungskraft den Drive, die Energie, die Passion. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie auch in der ersten Reihe stehen müssen. Führungskräfte werden besser, wenn sie mehr Demut haben und erkennen, dass sie nur dann gut sein können, wenn auch ihr Team gut ist. Mitarbeiter wünschen sich, genauso, wie alle Menschen, Respekt und Vertrauen. Damit fängt alles an, damit führt man zu Höchstleistungen. Chefs und ihr Ego sollten sich persönlich also runterbremsen. Das klingt paradox, aber nur so kommt man als Team schneller voran. Mit Druck geht gar nichts.
Und doch führen viele ausgerechnet mit Druck, üben Macht aus, erzeugen Angst. Wie lange geht das gut?
Sie sind in so einem System aufgewachsen, haben sich an den Führungskräften der Vergangenheit orientiert. Das etablierte Credo war Feuer machen, Druck erhöhen und glauben, dass dadurch die Menschen effizienter arbeiten. Gras wächst aber nicht schneller, wenn man daran zieht. Wir brauchen von Führungskräften eine Mischung aus Enthusiasmus, Mut und Ermächtigung. Sie sollten versuchen, ein Klima zu schaffen, in dem sich die Menschen sicher fühlen und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können. Nur das bringt das Unternehmen weiter.
Können Führungskräfte lernen, umzudenken?
Ja. Aber es braucht Mumm. Sie müssen kritisch hinterfragen: Wie sehr hilft oder hindert mein Verhalten das Weiterkommen der Firma?
Was erkennen Chefs im Idealfall dann?
Dass es darum geht, Menschen einzuladen, an Ideen mitzumachen. Niemand mag es, wenn man ihm etwas aufträgt. Das ist eine veraltete Denkweise. Wenn Menschen verstehen, warum sie Sachen tun, bringt es sie weiter, als wenn sie nur Anordnungen und Befehle befolgen. Dieser Prozess braucht aber Zeit.
Bringt sanftere Führung auch die besseren Ergebnisse als autoritäre?
Entweder man folgt einem einzigen Menschen. Oder aber man spricht als Chef mit einer nicht so lauten Stimme, durch Werte, setzt die Agenda durch prägnante, mächtige Fragen und nicht durch im Voraus definierte Antworten. Die Menschen wollen selbst gestalten, durch einen kollaborativen Spirit. Der große Unterschied im Ergebnis nämlich ist: Nur dann werden die Menschen ein Multiplikator ihrer Idee im Unternehmen. Was Sie mit so einer Führung schaffen, ist eine im kollektiv geborene, gemeinsame Geschichte zu kreieren. Da geht es nicht mehr nur um eine begrenzte Anzahl von Personen an der Spitze, die die Richtung vorgibt.
Führungskräfte sind auch nur Menschen: Sollte man dem Chef auch mal Feedback geben?
Die Hierarchie erlaubt es schlicht nicht, die Menschen haben zu viel Respekt davor. An der Spitze kann es aber ganz schön einsam werden – wenn eine Führungskraft also Feedback will, muss sie es selbst vorleben, einführen, einfordern.
Frauen wird nachgesagt, sanfter zu führen als Männer. An wen ist Ihr Buch adressiert?
Ich würde es anders sagen: Es geht um maskulinere und femininere Eigenschaften. Ich habe Frauen auch schon als sehr frontale Führungskräfte und Männer wiederum als sehr ermutigende Chefs erlebt. Aber ja, das Buch hat eher einen feminineren Ansatz. Wobei auch der chinesische Philosoph Laozi vor 2500 Jahren schon sagte: „Wenn du Menschen führen willst, gehe hinter ihnen.“