Kommunikationsprofi: "Bei Führungsstärke hat Harmonie keinen Platz"
Von Jennifer Corazza
Harmonie am Arbeitsplatz als Schlüssel zum Erfolg? Diese Vorstellung ist „grundlegend falsch“, sagt jetzt der Kommunikationstrainer und Wirtschaftspsychologe Jürgen Eisserer und schiebt Bewegungen wie der „gewaltfreien Kommunikation“ einen Riegel vor. Das Problem am Kuschelkurs:
Je harmonischer man etwas formulieren möchte, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Unklarheiten entstehen – oftmals durch verbale Weichmacher wie könnte, würde, sollte. „Man fällt in das Muster, es allen Recht machen zu wollen“, führt Jürgen Eisserer aus. „So wird die Autorität einer Führungskraft aber untergraben.“
Harmonie fällt Menschen immer leichter
Da Menschen darauf bedacht sind, niemandem auf den Schlips treten zu wollen, wird zu oft der harmonische Kurs eingeschlagen, sagt Eisserer. Studien belegen jedoch: Mitarbeiter sind weit motivierter, wenn sie verstehen, warum ihre Arbeit wichtig ist. Und wie diese zu den Unternehmenszielen beiträgt. Dafür braucht es Klarheit, denn sie „ist der Schlüssel zur Leistungssteigerung in einem Team“. Sofern Chefinnen und Chefs diese drei Punkte beachten.
1. Klare Erwartungen setzen
Statt unscharfe Botschaften zu formulieren, sollten Erwartungen immer „messerscharf“ kommuniziert werden, empfiehlt Eisserer. Mit forschem Verhalten habe das jedoch nichts zu tun, warnt der Kommunikationstrainer. Es gehe darum, Mitarbeitern ein eindeutiges Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem sich Ziele erreichen lassen. Deshalb sollten Erwartungen auch immer realisierbar sein. „Klarheit geht dann zu weit, wenn ich Mitarbeitern Erwartungshaltungen aufzwinge, die ich selbst nicht erfüllen kann.“
2. Wirklich konstruktives Feedback geben
Auch beim Thema Feedback würden Chefs dazu neigen, dieses in Watte zu verpacken, sagt Eisserer. Zu groß ist die Sorge, jemanden zu verletzen oder zu demotivieren. Deshalb käme gern die Methode des „Sandwich-Feedbacks“ zum Einsatz, bei dem negative Kritik unter gute Rückmeldungen gemischt wird. Doch das kann höchst manipulativ sein, analysiert der Kommunikationstrainer.
„Man muss sich von der Angst verabschieden, kritische Rückmeldungen zu geben. Eine Führungskraft trägt die Verantwortung, Mitarbeitende auf Missverständnisse aufmerksam zu machen.“ Will man dabei konstruktiv sein, genügt es, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, um die Eigenständigkeit des Mitarbeiters zu fördern.
3. Konflikte zulassen
Aufkommende Konflikte sofort kalmieren zu wollen, ist ein großer Fehler, so Eisserer: „Konflikte sind immer ein Vertrauensbeweis und können zu kreativen Lösungen führen.“ Statt sie zu unterbinden, rät der Experte, einen sicheren Raum für Diskussionen zu schaffen. Etwa in eigens dafür organisierten Konflikt-Cafés, deren einziges Ziel ist, bestehende Diskussionspunkte im Kollektiv zu lösen.Jennifer Corazza