Frauen in Führung: Ein Rückzug auf Zeit
Von Sandra Baierl
KURIER: Ziehen sich Frauen aus dem Management zurück?
Kann es sein, dass sich die Männer ihre Geschäftsfelder zurückholen?
Das hält keiner Beobachtung stand. Männern ist völlig egal, wer sie absägt, sie haben ein individuelles Machtstreben, wollen ihre Position behalten – und verteidigen, egal, gegen wen. Die viel zitierte Männersolidarität sehe ich im Übrigen auch nicht. Wo ein Mann einen anderen ausstechen kann, macht er das, wenn es ihm nützt.
Männerbünde werden also nicht stärker.
Nein. Sie mussten sich den Frauen in den vergangenen Jahren öffnen. Einige haben sich in geheime Ecken zurückgezogen, wo aber auch nur noch die Dinosaurier sitzen, die in zehn Jahren weg sein werden.
Die Solidarität wird gerade den Frauen oft abgesprochen.
Ja, ich erlebe sie auch nicht. Frauen haben im Konkurrenzverhalten zu wenig Erfahrung. Sie wissen nicht, wie ein eleganter Kampf aussieht. Sie sind nachtragender, emotionaler, achten nicht auf den Status ihres Gegenübers. Das ist das Hauptproblem in den Chefetagen: Frauen greifen ihre Chefs in ihrem Status an, weil sie nicht in Machtkategorien denken. Sie akzeptieren oft nicht seine höhere Machtposition, sie agieren auf persönlicher Ebene, nach Befindlichkeit, und wahren zu wenig Distanz.
Ein möglicher anderer Grund für die schlechte Quote im Management: Frauen räumen von selbst das Feld.
Das stimmt sicher. Es ist so: Zuerst legt man ihnen den roten Teppich aus, weil man sie zum Vorzeigen, für eine Quote braucht. Und dann werden sie bekämpft. Ich kenne aber auch keinen Mann, der nicht solche Kämpfe bestehen muss. Nur halten Männer das aus.
Und Frauen gehen lieber?
Ja. Sie sagen: Das habe ich nicht notwendig. Männer aber meistens schon, weil sie es status- und einkommensmäßig brauchen. Frauen sagen: Ich bin angetreten, um es anders zu machen. Und kommen drauf, dass man es nicht anders machen kann. Nur wenige verstehen, wie das Spiel geht.
Was geben Frauen auf, wenn sie sich zurückziehen?
Als Psychotherapeutin sage ich: sie wählen den gesünderen Weg, den lebenswerteren, den moralischeren. Sie sind nicht bereit, so starke Verbiegungen in Kauf zu nehmen, wie Männer. Männer tragen die Verwerfungen sehr weit mit, wie man bei VW gesehen hat. Frauen machen so etwas nicht mit.
... ist es in den obersten Machtkreisen immer schmutzig?
Es gibt viele Dinge, die an der Grenze des Betrugs oder schon Betrug sind. Die ethisch, menschlich, ökologisch, finanztechnisch kein ruhiges Gewissen mehr zulassen.
Um etwas zu verändern, müsste man aber dabei sein.
Man muss sich als Individuum überlegen: Was kann ich ändern und was nicht. Fakt ist: Man kann viel weniger als Vorstand ändern, als man glaubt. Es gibt weiter oben nicht mehr Macht, sondern weniger. Manager sind vielen Einflussfaktoren ausgesetzt, die sie komplett fesseln.
Ist diese männliche Businesswelt unveränderbar?
Unveränderbar ist gar nichts. Die Reiche verändern sich oft schneller, als man glaubt. Die Geschäftswelt, wie sie jetzt ist, ist aber kompetitiver als je zuvor. Der Neoliberalismus ist eine scharfe Konkurrenzwirtschaft mit Profitmaximierung geworden. In der sozialen Marktwirtschaft in den 70er-, 80er-Jahren gab es mehr Partnerschaftlichkeit. Man hat die unteren Schichten immer mitzunehmen versucht. Verändern kann das System nur ein Krieg, eine Revolution oder eine schwere Krise.
Wir sind seit Jahren in der Krise.
Sie ist aber nicht schwer genug.
Neoliberalismus und Frauen gehen also nicht zusammen?
Nur, wenn sie schnell lernen, wie das System funktioniert. Man sieht überall weniger Frauen: in Talkshows, in den Medien, in Top-Positionen. Das war schon einmal viel besser. Aber das Umfeld ist so viel härter geworden, dass Frauen zurückgedrängt werden oder sich zurückziehen.
Und die junge Generation ist da nicht anders?
Doch. Im mittleren Management, bei den unter 35-Jährigen, nimmt der Frauenanteil zu. Wenn diese Frauen nachschieben, schaut die Welt in zehn Jahren anders aus.
Womit das Argument der Feministinnen "Wenn wir weitermachen wie bisher, sind wir in 54 Jahren bei der Gleichstellung" nicht gilt.Nein, das gilt nicht. Wobei ich massiv die Frage stelle, warum es 50 Prozent Frauen sein müssen? Warum müssen jetzt alle dasselbe tun? Es gibt eine freie Wahl der Lebensentwürfe. Da üben Frauenpolitiker zu großen Druck aus.
Sie meinen, wir befinden uns also in einem Zwischentief?
Ja. Die Männer-Frauen-Diskussion ist ein Auslaufmodell. Wir werden sie in zehn Jahren nicht mehr führen – dann, wenn die alte Generation nicht mehr an der Macht ist. Die jungen Männer werden in Karenz gehen, Pausen machen, weil sie das wollen. Und Frauen werden Karrieren machen, weil sie das wollen.
Stimmt der Eindruck, dass über Frauenthema jetzt weniger gesprochen wird?
Ja. Je stärker die Krise wird, desto weniger ist das relevant. Weil jeder sagt: Habt ihr keine anderen Sorgen?
Dabei ist Diversität doch gerade in.
Es gibt in den Führungsetagen eine männliche Eliten-Monokultur. Diversität ist modern, ein Must-have – aber es ist eine Feigenblattgeschichte.
Wie können Frauen in der Männerwelt besser bestehen?
Frauen müssten sich als Kumpel sichtbar machen. Männer sind da sehr pragmatisch. Wenn sie erkennen, eine Frau nützt ihnen in ihrem Machtgefüge, ist sie wertvoll. Meistens nützen Frauen den Männern aber nicht, sondern sind lästig, mühsam, kritisch. Und Frauen müssen erkennen: Die "Sache" ist im Spiel um die Macht zweitrangig. Männer widmen sich zu 80 Prozent der Absicherung ihrer Macht, nur zu 20 Prozent der Sache. Frauen haben keine Lobby, weil sie zu 100 Prozent Sacharbeit leisten.
Ist der Machtanspruch von Frauen geringer?
Ich glaube, es gibt einen Startnachteil durch die hormonelle Grundausstattung. Den man aber leicht durch Training ausgleichen kann. Frauen brauchen mehr Konkurrenzbereitschaft, müssen gewinnen wollen.
Sind Frauen also selbst schuld, dass sie in der Minderzahl sind?
Ich rede nicht gerne von Schuld. Aber es liegt in ihrer Verantwortung.
In Deutschland wird die Quote nächstes Jahr eingeführt. Was passiert dann?
Sie werden schneller befördert – aber es wird ihnen die machttechnische Erfahrung fehlen. Sie werden branchenfremd besetzt – aber es wird ihnen das Netzwerk fehlen. Ergebnis: Sie werden scheitern.
Der Befund, Frauen nehmen sich in Wirtschaft und Öffentlichkeit zurück – oder werden ausgeschlossen – wird nicht nur durch die rein männliche Regierung in Oberösterreich bestätigt. Auch die Statistik zeigt, dass es der österreichischen Wirtschaft bisher nicht gelungen ist, spürbare Fortschritte in Richtung mehr Geschlechterdiversität zu erzielen: Die Ergebnisse des Frauen.Management.Reports der AK Wien 2015 zeigen, dass die Repräsentanz von Frauen an der Unternehmensspitze konstant auf niedrigem Niveau bleibt.
In den Geschäftsführungen der 200 umsatzstärksten Unternehmen scheint die Männerdominanz nahezu einzementiert: Der Frauenanteil liegt Anfang Jänner 2015 bei 5,9 Prozent (2014: 5,6 Prozent) und hat sich seit 2006 nur marginal erhöht. In nur 36 der 200 größten Unternehmen des Landes ist eine Position in der Geschäftsführung oder im Vorstand mit einer Frau besetzt, in allen untersuchten Gesellschaften sind nur zwei Frauen als Vorstandsvorsitzende bzw. alleinige Geschäftsführerin tätig: Sabine Herlitschka (Infineon) und Tatjana Oppitz (IBM).
Ein Viertel ganz ohne
In den börsennotierten Unternehmen, die sich per Corporate Governance Kodex zu guter Unternehmensführung bekennen, zeichnen sich analoge Strukturen ab: In einem Viertel der Unternehmen sind weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat Frauen vertreten. Allerdings ist es im vergangenen Jahr gelungen, den Anteil von sechs Frauen im Vorjahr auf zwölf Frauen zu verdoppeln (5,8 Prozent). Von Geschlechtergerechtigkeit kann jedoch angesichts einer Männerdominanz von 94,2 Prozent keine Rede sein. In den 20 ATX-Unternehmen sind es überhaupt nur vier Frauen, die in den Vorstand bestellt wurden; an der Wiener Börse gibt es nur eine einzige Vorstandsvorsitzende: Karin Trimmel, Gurktaler AG.
Angelika Svoboda, PR-Unternehmerin (siehe Bild), analysiert: „Frauen haben die Erfahrung gemacht, dass sie mit viel Engagement und Kraft nicht dahin kommen, wo die Männer sind. Deshalb überlegen sie, wie sie ihre Energien einsetzen wollen – und entscheiden sich für eine andere, sinnerfülltere Beschäftigung.“ Für Frauen sei Geld und Position nicht alles, die Lebensbalance wiege schwerer. „Weil ihre Identitätskonstruktion nicht nur über Geld und Macht funktioniert, haben sie mehr Optionen.“