Wirtschaft/Karriere

Entgrenzte Wirtschaft, begrenzte Politik

Zwei der bekanntesten Politikwissenschafter des Landes, Sieglinde Rosenberger und Gilg Seeber, spielen am 13. Juni in einem Workshop am Postgraduate Center der Uni Wien Machtspielchen und führen Diskussionen. Das Thema: „Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen“. Die Anmeldung läuft bis 7. Juni, Details unter www.postgraduatecenter.at.

KURIER: Wissen die Menschen genug über Politik?
Gilg Seeber:
Es ist unglaublich ungleich verteilt. Manche sind sehr gut informiert, andere wissen überhaupt nichts. Einem Befund des Eurobarometers nach wissen nur 46 Prozent der jungen Menschen in Österreich, dass das Europäische Parlament direkt gewählt wird. Damit ist Österreich weit hinten.

Sie haben untersucht, wie sich das Vertrauen in politische Organisationen in der Krise verändert hat. Entgegen der Meinung vieler ist das Vertrauen nicht per se gesunken.
Seeber: Es gibt einen Trend: Während das Vertrauen in die EU während der Krise gesunken ist, ist das Vertrauen in die nationalen Regierungen gestiegen – ein fast gegenläufiger Prozess.

Wie interpretieren Sie das?
Sieglinde Rosenberger: Vertrauen in die Politik ist in Interessen eingebettet. Insofern ist es plausibel, dass jenen politischen Akteuren mehr vertraut wird, die mir näher sind – das ist nicht die EU. Jedoch: Hohes Vertrauen in eine Regierung ist kein Gütekriterium. Blindes Vertrauen ist kein positiver Ausdruck in Demokratien. Ein nicht zu hohes Vertrauensniveau kann Ausdruck einer ziemlich qualifizierten, gereiften Demokratie sein.

Wie wird Vertrauen verspielt?
Rosenberger:
Wir sehen in den Daten nicht, dass eine Regierung das Vertrauen verspielt hat. Es sinkt zwar, kann aber auch wieder aufgebaut werden. In Griechenland ist die Situation schon besorgniserregend. Wenn demokratisch legitimierten Organisationen kaum zugetraut wird zu handeln, muss man Alternativen überlegen. Da muss gegengesteuert werden.

Wo wird mangelndes Vertrauen in die EU zum Problem?
Rosenberger:
Wenn die Unterstützung der Bevölkerung in die EU zurückgeht, und die Bevölkerungen weitere Integrationsprozesse nicht unterstützen. Die Bevölkerung sieht die nationale Politik, die muss sich daran orientieren. Innerhalb der EU gibt es dadurch so viele verschiedene Meinungen und die Integration gerät ins Stocken.

Macht es sich die Politik zu leicht?
Rosenberger:
Ich glaube, dass viele Politiker mit der Krise, mit dieser Situation, überfordert sind. Es gibt keine Szenarien und es gibt auch keine Erfahrungen mit dieser Art von Krisensituation – einer globalen Finanzkrise. Die Politik agiert national bis nationalistisch, maximal europäisch aber nicht global. Die Krise zeigt auf einer Seite eine entgrenzte Wirtschaft und eine total begrenzte Politik. In einigen Jahren werden wir sehen, dass nationale Regierungen kaum etwas tun können.

Davon gehen Sie aus?
Rosenberger:
In der Wirtschaft gibt es keine Grenzen mehr. In der Situation kann Politik nicht handeln, ihnen fehlen die Instrumente.
Gilg: Dennoch: Die generelle Zustimmung zu unserem politischen System, der liberalen Demokratie, ist nach wie vor sehr hoch.