Ende der Amtszeit
KURIER: Frau Wesner, Sie waren bzw. sind von September 2013 bis Jänner 2017 US-Botschafterin von Österreich; Herr Rohrmayr-Lewis, Sie waren bzw. sind von Jänner 2014 bis Dezember 2016 Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft. Was ist ihr jeweiliges kurzes Resümee dieser Zeit?
Alexa Wesner: Es war sehr bereichernd. Jeden Tag etwas Neues. Sehr intensiv und eine große Ehre für mich. Ich habe mich in Österreich verliebt.
Herbert Rohrmair-Lewis: In den drei Jahren ist Unternehmertum attraktiver geworden. Es lässt sich in kurzer Zeit dann doch viel bewegen: vom alternativen Finanzierungsgesetz bis zur Gründerland-Initiative. Und wir haben auf einmal einen Bundeskanzler, der über Start-ups spricht. Das Thema ist also auch in der Politik angekommen.
Was hat Sie in Österreich überrascht?
Wesner: Ich wusste viel, etwa dass die Menschen hier Bewahrer ihres Landes sind, ihre Umwelt nachhaltig schützen. In Österreich gibt es eine ehrliche Verbindung der Menschen zur Natur. Nach der Finanzkrise hat sich Österreich gut behauptet. Trotzdem gibt es eine Unzufriedenheit, die mich überrascht hat. Wie etwa die Reaktion der Menschen auf TTIP, obwohl Export hier so wichtig ist.
Warum ist das Thema Start-ups in Österreich gerade jetzt so groß geworden?
Wesner: Wir sehen Unternehmertum als amerikanische Marke, es stärkt die Menschen persönlich und beruflich und ist ein guter Weg für die Integration von Migranten. Für mich ist es eine persönliche Leidenschaft. Unser Bestreben war es, das Start-up-Ökosystem in Österreich zu unterstützen, die Mitwirkenden zu vernetzen.
Rohrmair-Lewis: Die Zeit war dafür reif. Das Thema ist attraktiver geworden – zusätzlich zur Notwendigkeit, Jobs schaffen zu müssen, den digitalen Wandel bedienen zu müssen, in dem viele Arbeitsplätze wegfallen.
Wesner: Es gibt eine große Dynamik, auf die ganz Österreich aufgesprungen ist: die Universitäten, Sozialpartner, die Regierung. Alle kommen zusammen und bilden eine kritische Masse.
Rohrmair-Lewis: Das Thema ist ins Positive gekippt. Weil ein gewisser Grad an Vernetzung stattgefunden hat, der zu dieser Dynamik führte.
Ist der amerikanische Start-up-Markt mit dem europäischen vergleichbar?
Rohrmair-Lewis: Im Mindset der Amerikaner ist es stärker verankert, unternehmerisch tätig zu sein. Da sind in Boston in einem einzigen Gebäude 850 Start-ups tätig, das ist ungefähr so groß wie unsere ganze Szene in Österreich. In Amerika sind Versuche, auch wenn sie dann nicht klappen, positiv konnotiert. Bei uns ist Scheitern ein Vergehen.
Wesner: In den USA ist die Freiheit, ein Risiko einzugehen, verbunden mit der Freiheit, zu scheitern. Das Mantra in Silicon Valley ist: "Scheitere schnell, scheitere oft". Das macht einen guten Unternehmer aus. Auch wenn wir vorsichtig sein müssen: Scheitern soll man nicht verherrlichen.
Was können die Österreicher sehr gut, was können die Amerikaner besser?
Rohrmair-Lewis: Ich finde bei den Amerikanern die flachen Hierarchien toll. Das Machen und Tun steht im Zentrum: man sieht sich die Dinge an, fängt an zu arbeiten und macht erst dann die Regulatorien. Bei uns ist es oft umgekehrt.
Wesner: Ich habe von den Österreichern gelernt, wie man gut zusammenarbeitet. Die Start-up-Community hier arbeitet miteinander. Vielleicht, weil sie noch klein und überschaubar ist. Wohl aber auch, weil das in der Natur der Menschen hier liegt. Es gibt in Österreich außerdem ein hohes Maß an Genauigkeit bei der Arbeit und eine wunderbare Handwerkstradition.
Wir sind inmitten eines Start-up-Trends. Wie wird sich das Thema weiterentwickeln?
Rohrmair-Lewis: Diese Entwicklung wird nicht mehr wegzudenken sein. Das ist eine neue Art des Unternehmertums, die sich etabliert hat. Ein einzelnes Unternehmen kann die Herausforderungen der komplexen Welt nicht lösen, viele neue, die sich zusammentun vielleicht schon. In Österreich müssen wir hoffen, dass wir nicht eine Serie von bitteren Pleiten haben. Das würde den Schwung aus dem Thema herausnehmen.
Wesner: Ich stimme zu. Erfolgreiche Start-ups in den USA schaffen 50 Prozent aller neuen Jobs. Und sogar große Firmen versuchen, eine innovative Kultur zu etablieren. Weshalb sie in ihren eigenen Räumen oft Start-ups unterstützen.
Sie haben beide Kinder: Würden sie ihnen raten, sich nach der Ausbildung in ein Start-up zu wagen?
Wesner: Ich glaube wirklich, das ist ein guter Einstieg. Ich würden sie jedenfalls in ihren Träumen ermutigen, was immer es ist. Es gäbe viel an Erfahrung zu sammeln in einer größeren Firma. Aber wenn man eine Idee hat, die die Welt verändern kann, sollte man sie angehen.
Rohrmair-Lewis: Bei meinen Kindern geht das wahrscheinlich gar nicht anders, sie wachsen in einem Unternehmerumfeld auf.
Welchen Tipp würden Sie einem jungen Menschen mitgeben, der sich selbstständig macht?
Wesner: Passioniert sein. Ansonsten werden die harten Tage noch härter. In jedem Start-up gibt man alles, was man hat. Deshalb sollte man besser lieben, was man macht. Und: Sich einen Mentor suchen.Rohrmair-Lewis: Mein Tipp ist: Just do it! Gerade junge Menschen haben wenig zu verlieren. Sie haben geringe Lebenserhaltungskosten, wohnen vielleicht noch zu Hause, das Risiko ist also überschaubar. Der 30-, 40-Jährige, der bis dahin in einem Unternehmen war und dort gut verdient hat, hat ein viel größeres Risiko.
In der österreichischen Unternehmerlandschaft hat sich viel entwickelt. Was fehlt noch?
Rohrmair-Lewis: Sozialpartner, die erkennen, dass Unternehmertum kein Feind ist, sondern etwas Positives, das Arbeitsplätze schafft. Sonst? Wir haben die Köpfe, wir haben die Unis, wir haben das Geld. Es ist alles da, wir müssen es nur nützen.
Wesner: Ich sehe das ähnlich: Der Samen für alles ist bereits da. Ich würde gerne mehr Kapital sehen – von außen oder von innen.
Rohrmair-Lewis: Das Geld ist im Land, Milliarden Euro liegen unter den Kopfpolstern. Ich glaube, dass die steuerlichen Anreize noch überschaubar sind. Es ist immer noch attraktiver, ein Zinshaus oder eine Wohnung zu kaufen. Investiert jemand in ein Unternehmen, bekommt 50 Prozent der Rendite der Staat; in KESt, KÖSt, Lohnnebenkosten. Ein Beteiligungsfreibetrag würde helfen.
Wir sehen Sie die aktuelle Wirtschaftslage?
Wesner: Aus US-Sicht haben wir viel erreicht. Die Obama-Administration hat Probleme gelöst, Jobs kreiert, Konsum gestärkt. Die Statistiken sind toll. Etwa: 75 Monate lang Job-Zuwächse.
Rohrmair-Lewis: Aus europäischer Sicht ist es ein bisschen schwieriger. Es ist extrem wichtig, den Brexit als Warnung zu erkennen. Die EU muss enger zusammenrücken, schlagkräftiger werden. Das wird die Wette sein, in welche Richtung wir gehen: zusammen und stärker oder getrennt und schwächer.
Was war Ihr größtes Learning der Amtszeit?
Wesner: Kommunikation und Zusammenarbeit ist der Schlüssel für alles. Reden und Diplomatie sind alles. Wir müssen weiterhin nach Möglichkeiten schauen, wie wir zusammenarbeiten können um stärker zu werden. Keines der großen Themen unserer Zeit – Klima, Migration, Kriege – kann von einem Land allein gelöst werden.
Rohrmair-Lewis: Dass es wichtig ist, aus dem eigenen Schrebergarten rauszutreten und sich international zu öffnen. Wir können ungemein viel lernen, wenn wir Barrieren überwinden. Und: Wir reden viel zu oft über Details anstatt über das Ziel.
Wenn dieser Job nicht mehr ist, was machen Sie dann?
Wesner: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keinen Plan. Ich gehe zurück in die USA und werde sehen, was die Zukunft bringt.
Wohin genau?
Nach Colorado. In die Berge. Es ist wunderschön dort.
Rohrmair-Lewis: Da ist Raum für etwas Neues und der wird gefüllt werden. Im Moment habe ich zwei Firmen, da könnte noch eine dazu kommen. Mit vielen neuen Erfahrungen.
Geboren 1972 in Washington D.C., ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater aus Lettland. Sie studierte Biologie in Stanford, wurde erfolgreiche Unternehmerin in der Hightech-Branche. Wesner ist ehemalige Triathletin und Läuferin. Sie ist mit dem Investmentbanker Blaine Wesner verheiratet und hat drei Kinder. Seit 2013 ist sie US-Botschafterin in Österreich. Ihre Amtszeit endet mit Barack Obamas Präsidentschaft.
Seit Jänner 2014 ist Herbert Rohrmair-Lewis Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft Österreich. Vor der Gründung seiner eigenen Werbeagentur im Jahr 2007 arbeitete Rohrmair-Lewis in namhaften Werbeagenturen. Seit dem Jahr 2010 ist er alleiniger Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Lobster. Er hat zudem das Wein-Start-up Hidden Gem gegründet. Rohrmair-Lewis ist verheiratet und hat drei Kinder.