Ein Praktikum in Singapur
Die Zeit des Studiums ist auch die Zeit der Praktika. Nach den Prüfungswochen wandern Kapuzenpullover und Birkenstocksandalen in den Schrank und werden von Anzug und Krawatte ersetzt. Und obwohl Praktika manchmal schlecht oder gar nicht bezahlt werden, die Aufgaben oft nicht spannend sind, die Planung viel Zeit erfordert, gibt es dennoch mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Erik, Katharina und Christoph sind drei der unzähligen Studierenden, die gerade Arbeitserfahrungen in Singapur sammeln. Unter Studenten und Young Professionals steht der südostasiatische Stadtstaat hoch im Kurs. Von großen Autokonzernen bis hin zu kleinen Landesbanken haben hier zahlreiche Firmen eine Dependance.
Katharina studiert Chemie und freut sich über die Möglichkeit, Arbeitsluft in Singapur zu schnuppern. „Wer erst einmal einen Studienabschluss und eine feste Anstellung hat, kann nicht mehr so einfach für drei Monate in ein fremdes Land“, sagt sie.
Multikulti
Für Christoph ist Singapur einer der besten Orte Asiens. „Ich fühle mich nicht fremd. Vermutlich deshalb, weil es hier so viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern gibt“. Wenn Christoph nicht gerade an seiner Uni in Deutschland studiert, ist er bemüht, spannende Internships zu machen. Im vergangenen Jahr war er für zwei Monate in den Vereinigten Staaten. Diesmal hat es ihn nach Asien gezogen, weil er etwas gänzlich neues kennenlernen wollte. „Mut kostet es schon, in ein fremdes Land zu gehen“, meint er. „Sobald man sein Zimmer bezogen und den ersten Arbeitstag hinter sich hat, ist die Nervosität aber meistens wieder vorbei“.
Eine halbwegs zentrale Unterkunft in der Finanz- und Handelsmetropole zu finden, ist jedoch nicht einfach. Vor allem dann, wenn man mit dem Geld haushalten muss. Die meisten Expats wohnen in Condos – Wohnanlagen, in denen es in der Regel sogar ein Fitnesscenter und Swimming Pools gibt. Günstiger sind Gemeindebauten, die in Singapur HDBs heißen, oder in Wohnheimen, die hauptsächlich von Studenten bewohnt werden.
Erik ist seit mittlerweile einem Monat hier und hatte eine Woche lang in einem Hotel gewohnt, das nicht einmal Fenster hatte. Mittlerweile ist er aber angekommen. Wenn ihm Singapur zu klein wird, vereist Erik. „Bali oder Bangkok sind nur zwei Flugstunden entfernt. Nach Kuala Lumpur kann ich sogar mit dem Bus fahren. Und selbst Hongkong und Schanghai sind in greifbarer Nähe“.
Es lohnt sich doch
Eine Unruhe verspüren Christoph und Katharina gelegentlich auch. „Vielleicht liegt es daran, dass man sich als Praktikant in einem Schwebezustand befindet“, überlegt Christoph. „Wir sind nichts anderes als Beobachter, die für ein paar Wochen den Alltag der anderen miterleben können“. Dieser Beobachter-Status scheint das beste Argument zu sein, warum sich die Kosten, Mühen, Angstausbrüche und Schwierigkeiten des Praktikanten-Daseins lohnen. Als Student ist man in der besonderen Position, Arbeitswelten und Lebenskonzepte kennenlernen zu können, ohne sie gleich adaptieren zu müssen. Ob das Praktikum gut oder schlecht ist – es gibt immer einen Fahrschein zurück ins alte Leben.
Singapurs moderne U-Bahn heißt MRT und befördert pro Monat 60 Millionen Fahrgäste durch die Stadt. Während in Wien gerne auf die Öffis geschimpft wird, weil sie „schon wieder eine halbe Minute zu spät kommen, Oida!“, herrscht auf Singapurs Bahnsteigen seelenruhige Entspannung. Anstatt schlecht gelaunt auf die Anzeigetafeln zu starren, holen die Singapuri ihre schicken Smartphones hervor, um fernzusehen, zu chatten, eMails zu schreiben oder Musik zu hören. In der Schlange zu stehen gehört in Singapur zur Routine. Morgens und abends kann es auch vorkommen, dass man die zweite U-Bahn nehmen muss, weil in der ersten kein Platz mehr war.
Grantig wird hier von dem bisschen warten niemand. Vielleicht liegt diese entspannte Haltung auch daran, dass Autofahren in Singapur wie Motorbootfahren am Wörthersee ist. Um ein Auto kaufen und in weiterer Folge fahren zu dürfen, bedarf es nämlich einer Lizenz, die viel kostet und im Rahmen einer Auktion ersteigert wird. Bei diesen Gegebenheiten schimpft man lieber nicht auf die U-Bahn. Nicht einmal als Wiener.