Wirtschaft/Karriere

Die Rushhour wird zur Firmensache

Es kommt dicht. Es kommt alles zur gleichen Zeit: das Verlassen des Elternhauses mit 24. Das Ende des Studiums mit 28. Das erste Kind mit 29. Mit 30 die höchste empfundene Stressbelastung, zeitgleich die erste Ehe und für Akademiker die erste fixe Anstellung. Mit 34 die höchste empfundene berufliche Anforderung. Der Kauf des Eigenheims mit 38. – Und damit viel Stress, viel Überforderung.

Da bleibt zwangsläufig etwas auf der Strecke: die Scheidungsraten sind hoch, die Kinder wenige, Karrieren stottern oder werden so intensiv verfolgt, dass für das Leben kein Raum ist. Und alles nur, weil sich Lebenszyklen nach hinten schieben: Wir werden später erwachsen, ziehen später aus, die Ausbildung dauert länger, der erste Job kommt nicht selten erst Ende 20. Eine enorme Verdichtung. Dass die 25- bis 35-Jährigen in der Rushhour des Lebens besonders straucheln hängt auch damit zusammen, dass die Unterstützung gänzlich fehlt. Soziologe Hans Bertram fordert: „Die Rushhour trifft vor allem junge Paare und Eltern. Politik und Arbeitgeber müssen Modelle entwickeln, die Auszeiten für familiäre Fürsorge zulassen.“ Das Gegenteil ist zu beobachten. Die Programme zur Familienfreundlichkeit in den Unternehmen sind in den vergangenen Jahren wieder eingeschlafen. Wenn die Bilanz nicht stimmt, hat die Firmenleitung andere Sorgen. Bildungssoziologin Jutta Allmendinger ist aber sicher: „Familienpolitik ist kein weicher Standortfaktor mehr, sondern ein sehr harter.“

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Das sieht auch Florian Haslauer, Geschäftsführer von A.T. Kearney Österreich so, dessen Unternehmen sich die dichteste aller Lebensphase n in einer Studie ansah. Fazit: Familie ist von existenzieller Bedeutung für die Gesellschaft. Für Unternehmen ist sie es auch. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und wirtschaftliches Wachstum sind ohne sie nicht denkbar. Familie ist Voraussetzung für soziale Sicherheit und Wohlstand. Allein: Wir machen sie fast unmöglich, ihr Stellenwert ist schlecht.

Eine völlig falsche Denke. Und auch, wenn gute Mitarbeiter immer schwieriger zu finden sind, gibt es in den Firmen kein Umdenken. Ein Fehler, sagt Haslauer, „sie müssen auf ihr qualifiziertes Personal achten, dürfen es nicht verlieren. Künftig noch viel weniger.“ Haslauer betont den wirtschaftlichen Faktor des Themas. Das sei wichtig, damit die Familienfreundlichkeit ankomme – in der Wirtschaft zählten nur die Zahlen. Derzeit halten 30 Prozent des Spitzenpersonals Familienfreundlichkeit für eine nachrangige Aufgabe. Mit der Folge, dass 32 Prozent der Mütter ganz auf die Erwerbstätigkeit verzichten. Und 77 Prozent der weiblichen Führungskräfte kinderlos sind.

Immer wenn es um eine Kulturveränderungen geht, wird es besonders schwierig. Haslauer: „Uns fehlt der Respekt für neue Rollenmodelle. Es braucht eine neue Kultur, die Privatleben wertschätzt und Pausen erlaubt.“ Und viel Toleranz. Davon seien wir weit entfernt.

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In einer Beziehung müssten andere Rollen gelebt werden als im Job, sagt Psychologin Gundl Kutschera. Sie drängt darauf, im Privatleben das Frausein, Mannsein und Flirten wieder stärker zu aktivieren, weil das im Stress unserer Zeit zunehmend verloren geht. Man müsse wieder mehr spielen – das könnten Frauen besonders schlecht. Eine immens wichtige Säule im Leben seien Familie und Freunde, diese Beziehungen müsse man pflegen. Zudem wichtig: Die eigenen Bedürfnisse zu kennen, zu leben und sie dem Partner auch mitzuteilen. „Das Gegenüber weiß doch meist gar nicht, was man braucht.“

KURIER: Es gibt so viele erfolgreiche Menschen, deren Privatleben nicht rund läuft. Ein Ausdruck der generellen Überforderung?

Gundl Kutschera: Wir sehen starke Rollenkonflikte, vor allem bei den Frauen. Sie haben in den vergangenen Jahren gelernt, im Beruf sehr tüchtig zu sein, Karriere zu machen wie die Männer. Aber sie haben nicht gelernt, wie sie privat tun sollen. Jetzt wollen sie die Effektivität, das Schnelle, das Supergute in ihr Privatleben übertragen. Das funktioniert aber nicht. So kann man keine Beziehungen führen.

Man würde meinen, Fähigkeiten, die im Job zum Erfolg führen, funktionieren auch im Privatleben.

Zum Teil ist es ja so, die Logistik ist zu Hause total wichtig. Für die Beziehung ist das aber nicht günstig. Dafür müssten die Frauen daheim ankommen, genießen, spielen, flirten und eben auch schwach sein können.

Niemand ist gerne schwach.

Das ist der Fehler: Frauen sind daheim zu stark. Aber nur, wenn sie schwach sind, wird ihnen geholfen, bekommen sie, wonach sie sich sehnen. Frauen neigen dazu, alles selbst zu tun, nichts und niemanden zu brauchen. Das ist fatal für Beziehungen.

Klingt, als haben Frauen in Beziehungen das größere Problem.

Sie hängen stärker in der Rollenfindung, das stimmt.

Burn-out und Überforderung nehmen aber generell zu. Was kann man präventiv tun?

Man muss lernen, ganz schnell aufzutanken. Wir müssen unser Inneres zum Leuchten bringen, dann geht alles. Die Gehirnforschung hilft uns da. Jede Erfahrung ist eine Furche im Gehirn, wenn ich diese Furche pflege, wird sie tiefer, verschlimmert sich. So drehen sich Menschen förmlich in eine Depression hinein. Der einzige Ausweg: Eine positive Furche im Gehirn zu bilden, die tiefer ist und die die schlechte Erfahrung ausgleicht. Das geht gut mit der eigenen Vorstellungskraft. Man muss seine innere Quelle finden: Eine Landschaft, die man sich vorstellt und in der es einem gut geht. Musik. Malen.

Ihr Tipp für miese Tage?

Sich selbst die Krone aufsetzen und sich seiner Wurzeln besinnen: Wir sind so sehr in die virtuellen Welten abgehoben, dass wir uns komplett verlieren. Die Menschen leben nicht mehr im Jetzt, sie sind nicht gegenwärtig. Wenn’s gefühlsmäßig intensiv wird, flüchten wir in die Vergangenheit oder die Zukunft, um dem auszuweichen.

Haben Gefühle in der Geschäftswelt überhaupt einen Platz?

Gute Entscheidungen trifft man immer noch mit dem Gefühl. Gute Manager haben sich das bewahrt, die können schnell und präzise entscheiden. Die anderen lesen und lesen und kommen immer noch nicht zu einer Entscheidung. Ich bin aber nicht dafür, dass wir über Gefühle groß reden im Job. Aber fühlen lernen, das müssen wir wieder.