Die Millennials: "Total abgeklärt"
Von Sandra Baierl
KURIER: Kann man von der Millennial-Generation pauschal reden?
Philipp Ikrath: Es ist schwierig, weil diese Generation in unterschiedlichen Milieus lebt. Da gibt es keine Homogenität. Bei den Erwachsenen würde man ja auch nie pauschal von einer ganzen Generation reden – und ihnen pauschal auch keine Eigenschaften zuschreiben.
Wieso tut man’s bei den Jungen?
Das hat vermutlich einen stark ideologischen Hintergrund. Man schreibt ihnen Mobilität, Flexibilität, Verweigerung von Normalarbeitsverhältnissen etc. zu – diese Eigenschaften sind auf der Linie mit dem, was auf den Wirtschaftsuniversitäten gepredigt wird. Die Jungen sind der feuchte Traum neoliberaler Ökonomen. Aber sie sind nicht alle so. Nur eine kleine Gruppe ist vielleicht so und die wird als repräsentativ für das große Ganze angesehen. Die Mehrheit ist viel langweiliger.
Klingt so, als würde man einen Keil zwischen die Generationen treiben.
Das ist vermutlich so.
Trotzdem: Gibt es eine Eigenschaft, die dieser Generation zugeschrieben werden kann?
Ein Kernpunkt ist eine sehr starke Ich-Fixierung. Sie haben den Glauben an die ordnende Wirkung der Institutionen verloren – sie ordnen die Welt aus der Perspektive ihrer eignen Bedürfnisse heraus. Sie fragen: Was bringt mir das?
Passt diese Ich-Fixierung in diese Wirtschaftswelt?
Sehr gut sogar.
Simon Sinek, Professor an der Columbia University, spricht von einer verweichlichten Generation. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Gar nicht. Die Jungen sind total abgeklärt, mitunter schon als 15-Jährige zynisch. Die sind nicht in Watte gepackt, sondern haben einen wahnsinnig nüchternen Blick auf die Welt.
Wenn diese Millennials in das Berufsleben einsteigen – wie finden sie das?
Die, die oft wechseln oder denen viel fad ist, die werden mit dieser Generation assoziiert. Dabei machen sie vielleicht 15 Prozent aus. Die anderen sind angepasster, gleichgültiger. Sie führen in einer modernen Art das fort, was ihre Eltern gemacht haben.
Das klingt nicht sehr inspiriert.
Ist es auch nicht. Das Umgekehrte ist der Fall: die Eltern klagen darüber, dass die Jungen so angepasst sind, dass sie nichts mehr tun wollen, um die Gesellschaft zu verändern.
Woher kommt die Lethargie?
Ich glaube, es hat mit Angst zu tun. Die Jungen können sich auf nichts verlassen. Sie glauben nicht mehr an die Gewerkschaften, an das Bildungssystem, an die Parteien.
Worauf bauen die Jungen?
Den Freundeskreis und die Familie. Die haben in den vergangenen Jahren bei allen Wertestudien gewonnen. Das sind die letzten Inseln der Solidarität. Die Welt außerhalb dieser privaten Bezugsgruppen nehmen die Jungen als tristen, lebensfeindlichen Ort wahr. Familie und Freunde, auf die kann man sich verlassen, wenn’s einem schlecht geht.
Der Einfluss dieser Generation in Politik und Gesellschaft ist gering.
Sehr gering. Nicht vorhanden. Weil sie auch keine Lobbygruppen hinter sich haben, wie etwa die Pensionisten.
War das früher anders? Hat man sich da als Junger mehr engagiert?
Sicher nicht alle. Auch bei den berühmten 68ern war das nur eine winzig kleine Minderheit. Aber es ist unwidersprochen, dass sie gehört worden sind. Und ganz egal, was sie konkret verändert haben, sie haben es geschafft, eine Zeit lang aufsehen zu erregen, mit einer Stimme zu sprechen und sich vor allem auch als die Stimme der jungen Generation zu inszenieren. Mir würde heute niemand einfallen, der mit einem ähnlichen Deutungsanspruch auftreten könnte als Repräsentant der Jungen. Es gibt niemanden. Das Generationenthema ist aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden.
Wenn die Jungen in die Unternehmen kommen, was passiert da?
Nichts. Da ist wieder dieser zynische Pragmatismus, der dazu führt, dass sie sich tendenziell eher anpassen. Auch wegen der Angst, weil sie wissen, hinter ihnen stehen 2000 Bachelor, die den Job auch gern hätten.
Ist da auch eine Verfehlung der Unternehmen? Binden sie zu wenig ein?
Ich glaube schon. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass selbstständiges Arbeiten und Kreativität – immer groß in Stellenanzeigen gefordert – , wirklich gewollt sind. Das ist den Unternehmen doch viel zu anstrengend. In Wahrheit meinen die Unternehmen: seid eigenverantwortlich und geht den anderen nicht auf die Nerven.
Was ist denn das Gute an dieser Generation? Was können die Jungen?
Was sie jedenfalls haben: die Leute sind ziemlich selbstbewusst. Sie trauen sich viel zu. Zu viel oft. Sie wollen eingebunden werden, wollen anspruchsvolle Aufgaben. Das ist mitunter mit einem gewissen Größenwahn verbunden. Und sie können gut repräsentieren und präsentieren.
Wie wichtig sind den Millennials:
Sinn? Unwichtig. Die meisten suchen keinen Sinn in der Arbeit, sondern müssen Geld verdienen.
Geld? Ist wichtig, es muss aber nicht unbedingt viel sein. Sie haben sich mit der Lage arrangiert, wissen, dass es nicht viel zu holen gibt.
Freizeit? Sehr wichtig.
Der Firmenname? Unwichtig.
Aufstieg, Karriere? Nur wichtig, weil sie Sicherheit suchen und deshalb gerne unverzichtbar wären.