Der Wert des Bachelors
Für viele Studierende ist die Vorstellung verlockend: Der Bachelor bringt einen Universitäts- oder Fachhochschul-Abschluss nach nur drei Jahren und damit die Möglichkeit, mit Anfang 20 in das Arbeitsleben einzusteigen. Unternehmen profitieren von der Bologna-Reform, indem sie Akademiker oft jünger und günstiger bekommen. Laut Hochschulstatistik lag die Zahl der Bachelor-Abschlüsse (vorläufige Zahlen) an den Unis im Studienjahr 2015/16 bei 16.763 Personen, bei den Master-Abschlüssen waren es 9545. An den Fachhochschulen schlossen 2015/16 8779 einen Bachelor-Studiengang ab und 4933 einen Master-Studiengang. Beim Einkommen gibt es teils größere Unterschiede zwischen Bachelor- und Master-Absolventen, weniger schlecht steht es um die Anerkennung von Qualifikationen und allgemeine Karriereaussichten.
Mangelt an persönlicher Reife
Eine "sehr gute Wissensbasis"bei Bachelor-Absolventen beobachtet zum Beispiel Johanna Hummelbrunner, Personalleiterin bei Bosch Österreich. Das mache sie für den Arbeitsmarkt gut geeignet, allerdings vermisse man häufig "das vertiefte Know-how inklusive der persönlichen Reife im Vergleich zu Absolventen eines Masterstudiums." Akademiker mit Bachelor fördert Bosch daher mit speziellen Programmen, bietet ihnen etwa nach dem Studium die Möglichkeit, ein Jahr lang richtige Berufserfahrung zu sammeln. Das sei auch auf Grund der sehr eng fokussierten Ausbildung an Fachhochschulen wichtig, so Hummelbrunner. Während dieses Praxisjahres können diese Mitarbeiter dann überlegen, in welche Richtung sie ein Masterstudium abschließen wollen. Wie sehr Leute mit Bachelorgefragt sind, hängt nicht zuletzt vom jeweiligen Bereich ab, sagt Isabell Hametner, OMV Senior Vice President Human Resources. "Für spezialisierte Berufe, wie zum Beispiel im Bereich Exploration und Produktion, Geologie, Forschung und Entwicklung, entscheiden wir uns eher für Bewerber mit höheren Studienabschlüssen", erklärt sie. "In Positionen mit eher kaufmännischen Profilen kommen jedoch auch Bachelor-Absolventen, abhängig vom erforderlichen Qualifikationsprofil, in Betracht."
Lieber zweiter Bachelor
Diese Differenzen bestätigt Martin Unger, der am Institut für Höhere Studien (IHS) den Bereich Hochschulforschung leitet. Und er fügt hinzu, dass viele an Stelle eines Master- lieber ein zweites Bachelor-Studium absolvieren: "Das kann am Arbeitsmarkt eine gute Kombination sein, besonders, wenn es auch noch fakultätsübergreifend ist, man etwa Geistes- und Wirtschaftswissenschaften kombiniert." Wer mit Master abschließen will, mache des großteils direkt im Anschluss an das Bachelor-Studium. Wobei er an den Unis insgesamt sinkende Übertrittsquoten beobachtet. Sehr deutlich werde das in den Sozialwissenschaften, aber auch an der WU. In geisteswissenschaftlichen Studien seien die Übertrittsquoten seit Einführung des Bachelors immer vergleichsweise niedrig gewesen.
Gemeinsam an Spezialisierung arbeiten
100 Hochschul-Absolventen jährlich nimmt die OMV Gruppe jedes Jahr auf, wobei diese Aufnahmen in den vergangenen zwei Jahren auf Grund des Ölpreises stark gesunken waren, sagt Isabell Hametner. Umso mehr freue es das Unternehmen, in diesem Jahr wieder einstellen zu können – und zwar auch Absolventen mit Bachelor. Hametner sieht bei diesen ebenfalls eine gute Wissensgrundlage und den Vorteil, "dass sie uns früher zur Verfügung stehen und wir gemeinsam an der Spezialisierung arbeiten." Was gerade in dem internationalen Unternehmen jedoch als Nachteil gesehen wird: "In einer kürzeren Ausbildungsdauer gibt es meist keine Möglichkeit, ein Auslandssemester während des Studiums zu absolvieren. Bei einem fünfjährigen Masterstudium bleibt natürlich mehr Zeit, Erfahrungen in anderen Ländern und mit anderen Kulturen zu sammeln." Bachelor-Absolventen, die berufsbegleitend ihren Master machen wollen, unterstützt die OMV daher in ihrer Weiterentwicklung. Dabei können sie bereits erworbenes Praxiswissen für ihr Studium einsetzen. Was Hametner allgemein bemerkt: Studierende beginnen nach dem Bachelor gerne ein Masterstudium mit anderem Schwerpunkt – und verbreitern so ihr Wissen. - Sabine Karrer