Der neue Direktor der Diplomaten
KURIER: Herr Botschafter, heute ist Ihr zweiter Arbeitstag als neuer Direktor der Diplomatischen Akademie Wien – haben Sie sich schon eingelebt?
Emil Brix: Es gehört zu den Fähigkeiten eines Diplomaten, sich rasch an neue Situationen zu gewöhnen. Wenn ich am zweiten Tag nicht schon die Richtung, in die es gehen soll und das, was ich verändern möchte, kennen würde, wäre ich kein besonders guter Diplomat.
Diese Woche wurden 755 US-Diplomaten aus Russland abgezogen – was sagt so etwas aus?
Im politischen Feld ist es ein äußerst negatives Signal. Aus diplomatischer Sicht aber sieht man: Es ist der Versuch, ohne eine wirklich harte Maßnahme zu setzen, zu zeigen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist. Die amerikanische Seite hat vor einem halben Jahr eine kleinere Zahl von Russen ausgewiesen. Die russische Reaktion ist – und das ist diplomatisch – eine symmetrische Antwort. Man sagt: Es darf in der Russischen Föderation nur mehr so viele amerikanische Diplomaten geben, wie es russische in den USA gibt. Das kommt zwischen Ländern immer wieder vor, diese Regeln sollen dazu dienen, dass die Weltordnung nicht ins Chaos rutscht.
Wie wichtig ist Diplomatie in unsicheren Zeiten, in einer zerrütteten Welt?
Es gibt rund 100.000 diplomatisch tätige Menschen auf der Welt. Wenn man sich anschaut, welche ungelösten Konflikte wir haben, sind das immer noch zu wenige. Diplomaten müssen heute stärker denn je zwischen Interessen zweier Staaten vermitteln, wissen, was für den anderen zählt, den kulturellen Hintergrund kennen, Vertrauen und Brücken aufbauen. Eine klassische Formulierung beschreibt es so: Diplomacy is about winning friends and influencing people. Also andere von der eigenen Meinung zu überzeugen und sie zu beeinflussen. Das klingt jetzt nicht so sympathisch, aber darum geht’s.
Wie stark kann man Politik und Wirtschaft wirklich beeinflussen?
Sie können stark positiv beeinflusst werden. Eine Negativbeeinflussung sehe ich eigentlich nicht. Man ist ein Vertreter seiner Republik, diese Interessen gilt es zu vertreten. Die diplomatische Welt ist aber nicht schwarz-weiß, mit welchem Charme, mit welcher Finte, mit welcher Idee oder Fähigkeit man etwas durchsetzen kann, ist jedem selbst überlassen.
Welche Finten und Fähigkeiten werden an der Diplomatischen Akademie vermittelt?
Zentraler Punkt ist Faktenwissen, denn internationale Probleme werden immer vielfältiger. Wir versuchen also zu vermitteln: Wie komme ich an neues Wissen? Wie vernetze ich es? Auch Psychologie spielt eine Rolle. Es geht immer mehr um emotionale Intelligenz: Wie schätze ich den Partner ein, wie sehr werde ich von meinen Gefühlen geleitet? Da geht es um Hirn, Herz und Bauch und nicht immer sind die kompatibel. Bei Verhandlungen auf das Richtige zu setzen, das versucht die Akademie zu vermitteln.
Wie haben sich die Anforderungen an Diplomaten mit den Jahren verändert?
Als ich 1982 an der Akademie war, haben wir noch Walzer tanzen und ein bisschen das Protokoll gelernt. Damit könnte man heute nicht mehr kompetitiv sein, es gibt eine weltweite Konkurrenz in diesem Bereich. Der Name "Diplomatische Akademie" ist ein wenig irreführend, denn es geht eigentlich um das zukünftige Arbeiten in internationalen Berufen, also auch um Employability, Charakter, Belastbarkeit und Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber.
Aber nicht alle Absolventen werden Diplomaten.
Die meisten arbeiten im Privatsektor, gehen in Management-Positionen, viele in internationale Organisationen und NGOs.
Eine Diplomaten-Karriere – geht das auch ohne Studium?
Es gibt schon Genies. Aber ich würde jedem, der im internationalen Bereich arbeiten möchte, empfehlen, eine Ausbildung zu machen. Für den Höheren Auswärtigen Dienst ist ein Studium jedenfalls Voraussetzung.
Das Bild des Botschafters ist oft: In der Botschaft residieren, einen Chauffeur haben und zu Abendessen laden. Wie sind die Karrieren wirklich?
Eigentlich ist es ein Service-Beruf für die eigene Bevölkerung. Man muss Lust daran haben, international mit Menschen zusammenzuarbeiten, muss überzeugt davon sein, dass es Sinn macht, zwischen Nationen und Völkern Vertrauen herzustellen. Ob Teil des Service ist, dass man in einer Residenz wohnt, ist nicht das Entscheidende.
Es heißt, Diplomat-Sein ist kein Job, es ist eine Lebenseinstellung.
Diesen Beruf einzuschlagen ist eine Entscheidung, die man fürs Leben trifft. Das macht auch durchaus Sinn, denn es bringt auch so viel für das eigene Leben. Ich würde ein Diplomaten-Dasein jetzt nicht unbedingt mit einem Priester vergleichen. Aber es gibt schon so ein paar Berufe, die mehr sind als nur ein Job.