Der Herr der drei Häfen
Knöpfe drücken, funken, halbe Kraft voraus. Er kennt jeden Kratzer im Rumpf, hat das Steuer fest in der Hand. Seit 20 Jahren ist die MS Eisvogel sein zweites Zuhause. Wenn über Wien der Winter einbricht, ermöglicht er das reibungslose Weiterfunktionieren des Schiffsverkehrs an der Donau. Kapitän Wolfgang Steindl und seine fünfköpfige Crew befreien mit dem Eisbrecher „MS Eisvogel“ zugefrorene Häfen von bis zu 60 Zentimeter dickem Eis.
1 Sie steuern 80 Tonnen Stahl mit 520 PS gegen dickes Eis. Gefährlich?
Gefährlich ist mein Beruf nicht – es ist alles eine Sache der Praxis und Erfahrung. Natürlich wird so agiert, dass nichts passieren kann. Gefährlich wird’s nur dann, wenn das entsprechende Fachwissen fehlt.
2 Das Schiff fungiert auch als Lösch- und Bergungsschiff. Was war die prekärste Situation, die Sie gemeistert haben?
Diese Funktionen kann man alle mittlerweile fast ausschließen. Die Löschkanone kam das letzte Mal – außer für die Medien – für die Bewässerung des Donauufers zum Einsatz. Und das ist auch schon Jahre her.
3 Was machen Sie im Sommer, wenn es kein Eis gibt?
Da macht die „MS Eisvogel“ Repräsentations-Fahrten für Kunden, damit sie den Hafen kennenlernen.
4 Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?
Das war reiner Zufall. Ich war auf einer Messe, wo Berufe vorgestellt wurden und da war ein Stand der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft – da habe ich mich beworben.
5 Was muss ein Kapitän können?
Seine Haupt-Eigenschaft muss die Ruhe und die Bedachtheit sein. Wenn man 80 Tonnen steuert, muss man immer fünf Minuten vordenken – was könnte alles passieren? Man spielt Situationen im Kopf schon vor. Und der Kapitän ist der absolute Herrscher über das Schiff. Ist niemals weisungsgebunden – an Bord passiert das, was er sagt. Dafür ist er auch für alles verantwortlich.
6 Mussten Sie schon einmal die Schiffsglocke läuten?
Die Glocke ist das äußerste Notsignal: Mann über Bord, zum Beispiel. Ich musste Gott sei Dank noch nie läuten, bei mir ist noch nichts passiert.
7 Was ist das erste was Sie tun, wenn Sie an Bord gehen?
Erstmal eine Kontrollrunde um das Schiff, ob alles in Ordnung ist. Danach spreche ich mit dem Maschinisten, ob wir startklar sind und kontrolliere die Geräte.
8 Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Der beginnt um halb acht in der Früh. Ich mache eine Rundfahrt durch die Häfen, ob da alles in Ordnung ist. Wenn es friert, startet dann die „MS Eisvogel“.
9 Haben Sie Rituale an Bord?
Ein richtiges Ritual weniger. Nach der Fahrt setzt sich die Crew zusammen und spricht über den Einsatz: Wo waren die Gefahrenquellen? Wie machen wir es das nächste Mal besser?
10 Was gefällt Ihnen am Job am meisten?
Mein Bezug zu Wasser ist sehr tief. Ich sage immer „Einmal Schiffsmann, immer Schiffsmann“. Mir gefällt auch, dass ich Hafenmeister und gleichzeitig Kapitän sein kann.
11 Was mögen Sie gar nicht?
Unfallberichte schreiben. Denn: Dann ist etwas passiert.
12 Was verdienen Sie?
Rund 2200 Euro netto im Monat.
13 Was wollten Sie als Kind werden?
Nicht wirklich Kapitän. Ich wollte eigentlich Psychologie studieren – damit beschäftige ich mich jetzt aber in meiner Freizeit.
Der Kapitän und Hafenmeister wird 1963 in Allentsteig in Niederösterreich, geboren. Nach der Pflichtschule lernt er bei der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft (DDSG) und macht auf dem zweiten Bildungsweg sein Kapitänspatent. Nach 14 Jahren bei der DDSG wechselt Steindl zum Hafen Wien, wo er mittlerweile seit 20 Jahren tätig ist. Er betreut den Hafen Albern und Freudenau. Hier ist er für den reibungslosen Ablauf und die Sicherheit verantwortlich. Als Kapitän der MS Eisvogel befreit er zugefrorene Wiener Häfen von bis zu 60 Zentimeter dickem Eis.
80 Tonnen wiegt das Schiff. Um dickes Eis brechen zu können, kann es bis zu 80 Tonnen zusätzlich an Wasser in sich aufnehmen 520 PS hat das Schiff unter der Motorhaube.