Das Ende der Star-Manager
Von Sandra Baierl
Headhunter geben ungern Interviews. Sie arbeiten verdeckt, mit höchster Diskretion. Gerhard Resch-Fingerlos ist seit 16 Jahren in der Branche, seit elf Jahren Managing Partner von Spencer Stuart Österreich. Dem KURIER gibt er ausnahmsweise Antworten.
KURIER: Wenn wieder einmal ein Top-Manager seinen Job verliert – reiben Sie sich da die Hände?
Gerhard Resch-Fingerlos: Nein. Wir wollen, dass Nachhaltigkeit geschaffen wird, auch im Top-Management. Aber natürlich sind Wechsel die Energie der Branche.
Wenn Sie hören, dass es eine Job- Vakanz gibt, wie kommen Sie zu diesem Suchauftrag? Rufen Sie an oder werden Sie angerufen?
Wenn wir von einer Vakanz hören, ist es längst zu spät. Man muss schon viel früher im Kontakt mit dem Klienten sein, um Aufträge zu bekommen.
Sie wissen also von einer offenen Stelle, noch bevor sie frei ist?
Das kann passieren.
Wir leben in einer unruhigen Zeit. Gibt es derzeit besonders viele Wechsel?
Die Wechselenergie ist in Österreich nicht besonders groß. Eine Reflexion der Konjunktur.
Motto: Abwarten statt tun.
Ja, da ist viel Zurückhaltung. Wenn man aber nicht bereit ist zu investieren, entwickelt sich auch nichts. Derzeit ist in Österreich vieles on hold.
Ihre Auftraggeber sind der Aufsichtsrat oder der Vorstand. Was, wenn der Aufsichtsrat selbst den Job möchte?
Das kommt vor und ist keine unübliche Praxis. Man muss dann schauen, ob das Profil passt. Ein Aufsichtsrat hat den Vorteil, dass er die Firma kennt.
Ist der Insider oder der Outsider der bessere Kandidat?Das ist situativ zu entscheiden. Wenn ein Unternehmen starke Veränderung braucht, ist der Outsider die bessere Wahl. Wenn es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung geht, hat der Insider den größeren Vorteil.
Oft wird gleich extern gesucht – ist die Aufbauarbeit in den Unternehmen nicht gut genug?
Ich würde sehr kritisch sagen: Ja. Man schreibt den Führungskräften nicht genug ins Stammbuch, dass sie sich in erster Linie um den Aufbau von Talenten kümmern müssen.
Suchen österreichische Konzerne eher österreichische Kandidaten?
Nein, sie sind auch sehr offen für internationale Kandidaten.
Wie gehen Sie die Suche an?
Mittlerweile ist die Identifizierung von geeigneten Personen keine Hexerei mehr. Durch Social Media finden Sie immer jemanden, der den Job machen möchte. Einer unserer Partner ist LinkedIn. Der Wert der Suche ist also enorm zurückgegangen. Mehr Wert liegt auf der Beurteilung der Passfähigkeit. Das Assessment ist entscheidend, die Verhaltensmuster einer Person. Wir legen viel Wert auf Führungsintelligenz und auf den Culture Fit – ob eine Person zur Unternehmenskultur passt.
Es ist also ein Nachteil, nicht in den Social Media zu sein.
Ja, das könnte gut sein. Ich kenne aber niemanden, der nicht auf LinkedIn ist.
Lassen sich Top-Manager auf ein Assessment überhaupt ein?
Immer mehr. Im internationalen Zusammenhang ist es üblich geworden.
Ist diese Professionalität in Österreich angekommen? Es sind doch immer die gleichen Namen, die gehandelt werden. Bei den gleichen Namen gebe ich Ihnen Recht – es gibt in Österreich nicht so viele Personen, die in Frage kommen. Deshalb werden oft internationale Kandidaten dazugemischt. Insgesamt wird aber immer mehr Wert auf eine professionelle Bewertung gelegt.
Wie erfolgt der Kandidaten-Kontakt? Sie können sich ja nicht vom Sekretariat durchstellen lassen.
Kann man schon. Das muss man dann sehr diskret machen. Meist versucht man, die private Nummer herauszufinden. Am liebsten hinterlassen wir eine Nachricht auf der Mailbox.
Wie garantieren Sie Diskretion?
Wir halten uns enorm an den Datenschutz. Unsere Mitarbeiter unterschreiben jährlich einen Verschwiegenheitsvertrag. Glauben Sie mir: Es wird immer versucht, etwas herauszufinden, aber es ist nie der Headhunter, der etwas verrät.
Was bewegt einen erfolgreichen Manager zu wechseln?
Es ist nie das Geld. Es ist der berufliche Aufstieg, die inhaltliche Herausforderung.
Wie frei können Sie suchen?
Manchmal bekommen wir Namensnennungen vom Auftraggeber mit, die wir auch sehr entspannt entgegen nehmen. Das ist für uns genauso eine Quelle der Information. Es gilt das Gleichbehandlungsprinzip.
Kann ein Top-Manager jedes Unternehmen führen?
Nein. Das ist eine Mär. Ein Denken der 80er-Jahre, wo es Multiportfolio-Unternehmen gab. Heute sind Firmen fokussiert. Sie brauchen Leute, die den Markt verstehen. Über Führungsintelligenz allein kann man nichts ausrichten. Ein guter Kandidat kommt also aus der Branche oder einer angrenzenden Branche.
Ein Trend weg vom Generalisten, hin zum Spezialisten?
Das ist hart ausgedrückt, aber genau meine Ansage.
Welcher Managertyp ist gefragt?
Menschen, die andere bewegen können. Die integrativ wirken und einen gewissen Demutsfaktor einbringen. Früher glaubte man, es gibt den einen Superstar, der alles rettet. Wir haben diese Leute auf ein Podium gehoben, sind aber draufgekommen: die versagen genauso. Wir wissen heute: Am erfolgreichsten sind Manager mit der Fähigkeit zur Selbstkritik. Sie lassen selbstständig denkende Mitarbeiter zu. Sie gehen den besten Weg, egal, woher aus dem Team die Idee kommt.
Wie sehr ist Führungsstärke eine Altersfrage?
Führungsintelligenz bildet sich schon sehr früh aus. Die gute Umsetzung hat dann aber auch sehr viel mit Erfahrung zu tun.
Sind Frauen ein Thema?
Ein riesiges. Die Kunden fordern Frauen als Kandidaten ein. Gute Frauen haben derzeit extrem gute Chancen.
Kommt das Frauenthema aus einer inneren Überzeugung oder weil es gerade schick ist?
Ich kenne beide Seiten. Aus unserer Sicht entsprechen weibliche Führungskräfte eher dem derzeitigen Idealbild des Managers. Es gibt aber auch die Lippenbekenntnisse: Wir brauchen Frauen, weil Investoren und der Markt das wollen.
Sie machen die Shortlist mit etwa fünf Namen. Wie mächtig sind Sie?
Da haben wir schon einen großen Einfluss. In 80 bis 90 Prozent der Fälle folgt man den Vorschlägen des Beraters – auch in Österreich.
Die politische Einflussnahme hat in Österreich Tradition...
... nicht nur in Österreich.
Wie häufig kommt das vor?
Ach, es ist wesentlich weniger, als man glaubt.
Fast sieben Jahre bleiben CEOs im deutschsprachigen Raum im Amt, wie die „Chief Executive“-Studie von Strategy& (ehemals Booz & Company) zeigt. Das ist im internationalen Vergleich eine halbe Ewigkeit, wo die Verweildauer bei nur fünf Jahren liegt.
Doch der deutschsprachige Raum wird sich in den kommenden Jahren anpassen. Günther Tengel, Chairman Central & Eastern Europe bei der Executive Search Gruppe Amrop Jenewein: „Die Wirtschaftslage stellt sich als schwieriger heraus als angenommen. Daraus ergibt sich, dass die Führung von Unternehmen hinterfragt wird. In vielen Branchen beginnen die traditionellen Geschäftsmodelle zu brechen – nehmen Sie Banken oder Versicherungen.“ Da es schwierig sei, mit dem bestehenden Management neue Geschäftsmodelle zu bauen, rechnet Tengel damit, dass es in den kommenden Jahren zu starken Umwälzungen in den Führungsetagen kommen wird.
Wer dann eine Chance hat, in die oberste Etage zu gelangen? Jene, die die zunehmende Komplexität managen können. Jene, die Technologiesprünge bewältigen können. Jene, die gesellschaftliche Akzeptanz managen. Anforderungen an Manager sind dann laut Tengel:
-Fundiertes Fachwissen
-Changemanager
-Unternehmerische Denke
-Haltung, Werte, Einstellung „Führung braucht Meinung. Es wird vermehrt nachgefragt werden, welche Haltung das Topmanagement hat“, sagt Tengel.
-Netzwerke managen Das Verständnis für Netzwerke und Kooperationen. „Wir werden in Zukunft viel mehr in Kooperationen denken. Das müssen wir schon im Kindergarten lernen.“
Geld wird überschätzt
Die Löhne steigen in der Vorstandsetage nur wenig, wie eine Studie von Pedersen & Partners zeigt: Um 3,5 Prozent stieg das Gesamtgehalt der Manager. Spielraum gibt es auch laut Tengel nur noch bei den Boni, aber: „Die Bedeutung des Gehalts wird in dieser Diskussion immer überschätzt. Führungskräfte suchen eine Unternehmensumgebung, in der sie gestalten können, mit Stakeholdern arbeiten, mit denen sie gut umgehen können und mit Produkten, die nachhaltig sind. Das Gehalt wird nur dann in den Vordergrund gestellt, wenn diese drei Punkte fehlen“, sagt Tengel.
Wer einen Anruf vom Headhunter erhält, gehört zu den Glücklichen, die entweder absolute Spezialisten sind, besonders rar und mit gutem Ruf. Oder im Top-Management tätig sind, mit einer Gage jenseits der 150.000 Euro pro Jahr.
Auftraggeber für den Headhunter ist der Firmeninhaber selbst oder der Aufsichtsrat, wenn es sich um eine Vorstandsbesetzung handelt. Für die darunter liegenden Berichtslinien ist es meist der Vorstand, der den Headhunter auf Suche schickt. Dass etwaige Namen „mit in Auftrag gegeben werden“ sei üblich. Die Bewertung und Selektion für die sogenannte Shortlist – die letzten fünf bis sieben Kandidaten, die dem Auftraggeber unterbreitet werden – ist dann Sache des Headhunters. Bis es zur Shortlist kommt, vergehen gut drei Monate, für den gesamten Suchauftrag werden durchschnittlich vier bis fünf Monate anberaumt. Die Kandidaten werden durch Recherche, Nachfrage in der Branche und Sichtung der Datenbank eruiert. In letztere können sich Kandidaten eintragen lassen – eMail an den Headhunter mit CV reicht.
12-Milliarden-$-Markt
Die Top-3-Headhunter in Österreich sind Spencer Stuart, Korn Ferry und Egon Zehnder – mit jeweils 30 bis 40 Besetzungen pro Jahr. Der Beratermarkt weltweit wird auf zwölf Milliarden Dollar Umsatz geschätzt, wobei die Top-5 nur 25 Prozent des Marktes erwirtschaften. Der Rest sind Kleinstfirmen. Größter Markt ist die USA, gefolgt von London.
Derzeit seien viele Kandidaten auf dem Markt, aufgrund von Schließungen, Umstrukturierungen und Verlegungen. Die Österreicher gingen gerne ins Ausland und seien auch sehr beliebt. „Sie haben die Geschmeidigkeit, in der aktuellen Komplexität erfolgreich zu sein – und die Konsequenz, ohne mit dem Kopf durch die Wand zu laufen“, so ein Headhunter.
Der ÖIAG-Chef war mit großen Absichten und viel Ambition vor zwei Jahren angetreten: Rudolf Kemler wollte die Staatsholding ÖIAG neu ausrichten und zu einer international erfolgreichen Beteiligungsholding machen. Es kam dann ganz anders. Nach den Wirren um den Syndikatsvertrag der ÖIAG mit dem Telekom-Mehrheitsaktionär América Móvil und dem OMV-Desaster bot Rudolf Kemler an, seinen bis Oktober 2015 laufenden Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen. Die ÖIAG-Personalia wurde 2012 vom Headhunter Egon Zehnder besetzt.
In der Kirche könnte sich nächstes Jahr einiges tun: Mit der Vollendung des 75. Lebensjahres müssen Bischöfe ihren Rücktritt einreichen, der dann von Rom auch meist angenommen wird. 2015 werden gleich zwei Bischöfe in Österreich das tun: Klaus Küng, Bischof von St. Pölten und sein Linzer Kollege Ludwig Schwarz. Der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari hat schon längst altersbedingt seinen Rücktritt eingereicht – jedoch noch ohne Antwort. Wann Rom gedenkt, ihn von seinem Amt zu entbinden, weiß man allenfalls hinter den Mauern des Vatikan.