Wirtschaft/Karriere

Das Ende der großen Machenschaften

"Beziehungen sind eine Rutschbahn nach oben", hat Karl Farkas gesagt. In seiner Vergangenheit, 1893 bis 1971, war klar: Wer jemanden kannte, der wen kannte, dem gehörte der Posten, der bekam wohl oder übel den Auftrag, dem wurde geholfen.

Und heute? Ist das Netzwerk immer noch entscheidend für den Erfolg, den Auftrag, den nächsten Job? Was können Manager heute noch bewegen? Und welche Strategie verfolgt die junge Generation mit den schier unendlichen digitalen Verbindungsmöglichkeiten?

Harald Katzmair erforscht Netzwerke seit Jahren, in ihren Ausprägungen, in ihrer Qualität. Er weiß, wie die Mächtigen zusammenarbeiten. Seine Analyse zum Status quo von Seilschaften ist vernichtend. Er sagt: "Das alles erodiert gerade. Die Alten halten immer noch an einem System fest, das ihnen davonschwimmt."

Die Veränderungen haben zwei Treiber: Die Wachstumskrise und die Globalisierung. Netzwerke funktionieren nicht ohne Ressourcen und Spesenkonto. Wenn die Investitionsströme klein sind, es kein Spielkapital gibt, verringert das auch die Macht und Handlungsfähigkeit der agierenden Personen. "Wenn die frei verfügbaren Ressourcen fehlen – also ein Manager keine Jobs mehr zu vergeben hat, weil der Konzern ab- statt aufbaut, oder keine Gelder verteilen kann, weil die Sponsoring- und Marketingbudgets schrumpfen – dann bricht das traditionelle Netzwerken zusammen", sagt Katzmair. Immer mehr würden Netzwerke in Nullsummenspiele zerfallen, weil "wir die Kuchen nicht größer backen, sondern vor schrumpfenden Kuchen stehen", so der Analyst. Er spricht von einer neuen Ohnmacht, auch, weil die Globalisierung vollständig angekommen ist. Die nationalen und regionalen Netzwerke hätten Probleme, die Herausforderungen zu lösen. "Weil Kunden, Lieferanten und Geschäfte woanders liegen, nützt es nichts mehr, nur die Leute vor Ort zu kennen", sagt Katzmair. Das führt zu Scheindiskussionen über Arbeitsplätze und Strategien, die letztlich nichts wert sind. "Weil die Entscheidungen woanders getroffen werden – nicht selten von der Konzernmutter, die im Ausland sitzt."

Alles durchsichtig

Die scharfen Transparenz- und Compliance-Regeln schränken zusätzlich ein. Da wird der Intervention auf Unterbringung eines Günstlings im Staatsbetrieb dann monatelang von Entscheidungsträgern ausgewichen, der Fall hin und her geschoben. Wird besser nicht entschieden, bevor man sich damit angreifbar macht. "Dass jemand einen Job wegen eines verwandtschaftlichen Verhältnisses oder einer Parteizugehörigkeit bekommt, ist nicht mehr salonfähig", sagt ein Insider. Das geht intern nicht mehr durch, ist auch für Medien eine aufgelegte Geschichte. "Heute ist gerade noch der Ferialjob für den Neffen drin, aber sicher kein Managerposten."Auch Parade-Netzwerker Wolfgang Rosam sieht traditionelle Netzwerke an einem Scheideweg. Man würde sich heute genau überlegen, wen man um etwas fragt. Das kann man auch als Professionalisierung sehen, seiner Meinung nach befeuert von den überbordenden Compliance-Regeln. "Es gibt klare, enge, nachvollziehbare Ausschreibungen und ich erlebe, wie ganze Verfahren neu durchgeführt werden müssen, wegen formaler Fehler", erzählt Rosam. Hauptsache Rot, Hauptsache Schwarz, Hauptsache CVer – das habe sich aufgehört. "Ich bin ein großer Arbeitgeber und habe Posten zu verteilen – das gibt’s nicht mehr. Nur im Regierungsbereich regiert der Proporz noch. Dort schiebt man sich die Ämter immer noch zu, dort gelten keine Marktregeln, es regiert die Farbenlehre."

Gabi Spiegelfeld, die jedes Monat CEOs und Politiker im Salon Z um sich schart, sieht auch Veränderungen: "Die ältere Generation verliert an Boden. Neue Netzwerke entstehen, aber niemand weiß, wie sie in Zukunft aussehen werden." Für die alten Machtmenschen ist das derzeit ein Rückzugsgefecht. "Sie spüren, dass eine andere Wirtschaftsordnung auf sie zukommt, von der sie keine Ahnung haben", sagt auch Katzmair.

Digitale Sinnlosigkeiten

Und die Jungen, die von den Alten nur mehr wenig zugeschanzt bekommen können? Die haben sich nie in diese Machenschaften involviert. Auch, weil dort für sie wenig zu holen ist. "Sie haben keine Netzwerkaktivität", sagt Gabi Spiegelfeld über die 20-Jährigen nüchtern. Sie nützen Social Media, aber das sei nicht Netzwerken. "Virtuelle Netzwerke sind nur scheinbar ein Ort, um sich zu positionieren", sagt Katzmair. Dort findet vielmehr eine narzisstische Darstellung statt, ohne Wert, ohne Ziel. "Social Networks sind eine bizarre Welt von Schaumblasen, die gleich wieder zerplatzen. Die Akteure haben keine gemeinsame Erzählung, kein gemeinsames Abenteuer. Sie strudeln sich unendlich ab – für nichts", so Katzmair. Das wirkliche Leben findet in einem konkreten Bezug zur Umwelt statt. Früher oder später werden die Jungen merken, dass sie virtuell nicht weiterkommen. Und die Rotarier, die Freimaurer, die CVer? "Die verlieren an Glanz. Das ist auch eine Generationensache", glaubt Gabi Spiegelfeld und fragt: "Wer geht da noch hin mit 25?". Die Jungen stellen diese Institutionen massiv in Frage. Und haben auch nicht die Zeit dafür. Wer kann mittags noch drei Stunden für ein Verbindungstreffen freischaufeln? Auch Beraterin Gundi Wentner bemerkt: "Die alten Clubs haben ein massives Problem mit den Jungen. Sie öffnen sich nicht genügend für Frauen und wirken selbst für junge Männer irgendwie komisch."

Die Top-Netzwerker im Land:

Wolfgang Rosam ist PR-Stratege, Polit-Berater und Falstaff-Herausgeber. In seinem Weinkeller werden Geschäfte angebahnt.

Wie wichtig ist Netzwerken für Ihren Erfolg?
Es ist meine wichtigste Kompetenz. Ich habe es aber nie als Haberei verstanden.

Wie viele Netzwerk-Kontakte haben Sie?
Tausende. In meinem Verzeichnis sind 6800 Kontakte. Relevant sind 300.

Wie investieren Sie in Ihr Netzwerk?
Es ist entscheidend, nicht nur zu nehmen. Die Person, die ich kontaktiere, soll selbst profitieren. Ich erkläre mein Anliegen und zeige, warum es spannend ist. Ich nenne es das gegenseitige Nutzenprinzip – alle Beteiligten haben etwas davon. Ich sage bei Einladungen auch immer, wer kommt, und was zu erwarten ist. Ich überlasse da kaum etwas dem Zufall.

Wie viel Aufwand ist es, ein Netzwerk zu pflegen?
Netzwerken kennt kein Morgen und keinen Abend, Netzwerken ist dauernd. Etwas ist wichtig: Es gibt die Notwendigkeit der Diskretion. Ich gehe zum Frühstück oder Lunch schon lange nicht mehr in die bekannten Lokale – außer, ich will bewusst zeigen, wen ich treffe.

Ihre wichtigste Eigenschaft als Parade-Netzwerker?
Ehrlichkeit, auch wenn das kitschig klingt. Ich sage, worum es geht und warum ich jemanden treffen will. Ich will ja Stimmung und nicht Verstimmung erzeugen.

Spielt Sympathie in Netzwerk-Beziehungen eine Rolle?
Sympathie macht die Dinge sehr viel leichter. Man muss auch mit Leuten können, die einem nicht sympathisch sind.

Gabi Spiegelfeld ist PR-Frau und Parade-Netzwerkerin. Sie gründete den Klub für Frauen und organisiert den Salon Z, wo sich monatlich die Mächtigen treffen.

Wie wichtig ist Netzwerken für Ihren Erfolg?
Es ist das Ein und Alles. Man ist allen anderen voraus, wenn man die Menschen sofort erreichen kann, spontan zum Telefon greifen und sie anrufen kann.

Wie viele Netzwerk-Kontakte haben Sie?
In meinem Handy etwa 2000. Relevant sind davon vielleicht 100.

Wie viel investieren Sie in Ihr Netzwerk?
Sehr viel. Es muss ein unbedingter Leistungsaustausch sein, sonst funktioniert das nicht. Wenn du nichts gibst, wird das schnell bemerkt. Man muss etwas anbieten können und darf kein Kontakt-Schnorrer sein.

Wie viel Aufwand ist es, ein Netzwerk zu pflegen?
Ein großer. Die Anlaufphase ist aber der größte Aufwand: Du investierst und investierst, ohne dass was dabei rausschaut. Das dauert Jahre. Man muss sich als Marke für andere interessant und relevant machen.

Ihre wichtigste Eigenschaft als Parade-Netzwerkerin?
Ich bin rastlos und energievoll, ich glaube, ich bin eine Macherin. Ich nehme auch nie eine Hierarchie zur Kenntnis.

Wie melden Sie sich bei Ihren Kontakten?
Immer spontan, immer sofort und in der Sekunde.

Spielt Sympathie in Netzwerk-Beziehungen eine Rolle?
Die Voraussetzung ist die Sympathie – die Chemie muss stimmen. Ich würde nicht über meinen Schatten springen und jemanden anrufen, den ich unsympathisch finde.

Josef Mantl ist ein Netzwerker der neuen Generation: umtriebig, digital und analog vielfach vernetzt. Sein Wirken ist international: Derzeit läuft er für Hillary Clinton im Wahlkampf.

Wie wichtig ist Netzwerken für Ihren beruflichen Erfolg?
Netzwerken ist für mich essenziell. Die Gruppe kann mehr bewegen als einer allein. Netzwerken soll aber nie nur wegen eines Kontakts sein, sondern immer aufgrund der Kompetenz, die sich aber gerade im Netzwerk wechselseitig stärkt.

Wie viele Netzwerk-Kontakte haben Sie?
Im Laufe der Zeit sind das ein paar Tausend geworden.

Wie investieren Sie in Ihr Netzwerk?
Ich investiere täglich, inklusive Wochenende, Zeit. Daraus ergibt sich viel, aber es wird nie zum Selbstläufer. Bei den Kontakten melde ich mich oder sie sich bei mir – die Einleitung ist immer unterschiedlich. Jedenfalls immer der Situation angepasst.

Wie viel Aufwand ist es, ein Netzwerk zu pflegen?
Man muss ein Netzwerk laufend pflegen, viel Initiative und Präsenz zeigen. Es ist die Kombination aus den eigenen Fähigkeiten und dem Netzwerk, die dann irgendwann zum Erfolg führen.

Ihre wichtigste Eigenschaft als Parade-Netzwerker?
Make friends when you don’t need them – das ist mein Motto. Ich bin mit Leidenschaft bei der Sache. Und immer mit Humor.

Spielt Sympathie beim Netzwerken eine Rolle?
Man muss allen Menschen Respekt entgegenbringen. Schon mit 15 Jahren habe ich gemerkt, dass es in meiner Natur liegt, Menschen anzusprechen, mich mit ihnen zu unterhalten und mich und andere zu vernetzen.