Wirtschaft/Karriere

Blender und ihr Club von Frauen

Nach "Scheißkerle" hat Bestseller-Autor Roman Maria Koidl ein neues Buch zum Aufregen geschrieben. Jetzt geht es um Blender, jene männlichen Bosse, die schlechter ausgebildet, wenig sozial kompetent und längst nicht so engagiert sind wie ihre Kolleginnen – und trotzdem mehr verdienen und in Top-Positionen sitzen. Warum, bitte?

KURIER: Wieso schreiben Sie ein Buch über Blender?
Roman Koidl: Weil mich gesellschaftliche Phänomene interessieren, heruntergebrochen auf das Individuum. Das war schon bei Scheißkerle so. Derzeit haben viele Frauen das Gefühl, unfähige Männer ziehen an ihnen vorbei.

Ist das tatsächlich so?
Ja. Aber es ist auch wahr, dass Frauen weniger bereit sind, sich dem Wettbewerb zu stellen.

Welcher Form von Wettbewerb?
Darunter ist alles zu verstehen: Die fachlichen Fähigkeiten und die, sich verkaufen zu können. Das ist notwendig in einer Gesellschaft, wo sich jeder 12-Jährige über Facebook selbst vermarktet. Wettbewerb bedeutet auch, andere zu verdrängen.

Das liegt Frauen nicht?
Es gibt eine Studie von der Uni Innsbruck, die zeigt: Schon dreijährige Mädchen sind weniger bereit, sich in den Wettbewerb zu begeben, als Jungs. Sie treten eher zur Seite. Männer wollen ans Ziel, ganz unideologisch. Egal, wer ihnen im Weg steht, sie wollen vorbei. Das kompetitive Verhalten ist in den Männern drin, Frauen brauchen das stärker.

Sie haben das Buch also für Frauen geschrieben.
Klar. Männer lesen ja nicht.

Was zeichnet Blender aus?
Sie sind reine Schaumschläger und Selbstvermarkter: Sie haben Stimme, Auftreten, Aussehen. Weil das so wahnsinnig wichtig ist. Es gilt die Regel 7-38-55: Wir nehmen zu 55 Prozent die Körpersprache wahr, zu 38 Prozent die Stimme, zu sieben Prozent das Gesagte.

Und Sie meinen, Frauen sind im Nachteil?
Ja, wegen ihrer Piepsstimme und dem unsicheren Auftreten.

Obwohl sie schöner sind – Sie haben vorhin das Aussehen angesprochen.
Ja, viel schöner sogar. Ein Chef hat aber eine sonore Stimme. Die Uni München bietet den jungen Professorinnen an, Kurse zu belegen, die die Stimme verändern.

Wieso funktioniert Blenden auf höchster Ebene, wo doch Erfolge und Fakten zählen?
Ach, papperlapapp. Diese Blender finden immer einen Club von Frauen, die ihnen ihren Job machen.

Sind Blender ein Problem großer Konzerne?
Ja, gerade dort einigt man sich oft auf einen Konsenskandidaten. Und dort gibt’s auch die große Mannschaft, die zuarbeitet, da kann sich der Blender gut verstecken.

Wie schaut die typische Karriere eines Blenders aus?
Er geht allein, zielt total auf Wirkung ab, er delegiert maximal alles, er lebt gerne im Konjunktiv – „man müsste, sollte, könnte“ – auf den höheren Ebenen wird daraus ein Bedenkenträger. Einer, der Sätze einleitet mit „Frau Schmidt, wir müssen jetzt mal dies und das machen.“

Sie haben mehrere Typen von Blendern identifiziert.
Der Konjunktivmann: Man könnte, sollte, müsste – mit vielen Plänen, aber nix dahinter. Der Halo-Mann: Der richtige Blender, der mit dem Heiligenschein alles überstrahlt. Der Business-Blender: Er hat schon alles gesehen, alles erlebt, ist schon überall gewesen. Der Bildungsblender: Er hat eine ganze Bücherwand zu Hause, aber kein einziges Buch gelesen. Der Schlipswichser: Er ist die Niete in Nadelstreifen, sitzt ganz oben im Top-Management, streicht sich ständig mit der Hand über die Krawatte, verschwendet viel Zeit mit unwichtigen Dingen. Die Pussy: Sitzt im mittleren Management, ist ein Weichei mit fiesem Kern, an seinen Job ist er mit Beziehungen gekommen. In Wahrheit ein intriganter Kollege, fachlich eine Null.

Wieso schaffen es Blender, einen neuen guten Job zu kriegen, nachdem sie im alten gescheitert sind?
Das stimmt tatsächlich, nach dem Motto: einmal Vorstand, immer Vorstand. Das wird nach dem Auftreten bestimmt, man traut es ihm aufgrund seiner Vita zu.

Was tut man, wenn man unter einem Blender arbeiten muss? Zuarbeiten? Auffliegen lassen?
Also auffliegen können Sie ihn nicht lassen. Wenn Sie jemandem sagen, er sei ein Blender, dann diffamieren Sie ihn. Man kann nur versuchen, die Sache im Team zu lösen. Die Fakten des Blenders überprüfen, auch wenn das mühsam ist. Sich nicht vereinnahmen lassen, Grenzen ziehen. Der Umgang mit Männern ist da wie in der Kindererziehung: Man muss ihm sagen: „Bis hierhin und nicht weiter.“

Begehrt man aber zu sehr auf, ist man in Gefahr.
Das stimmt. Deshalb ist die Lösung in der Gruppe zu suchen. Wenn er den sozialen Druck der Gruppe spürt, schmälert sich sein Einfluss. Seine größte Angst ist ja, dass er auffliegen könnte. Er versucht ständig, zu kaschieren.

Roman M. Koidl: Autor, der aufregt

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Autor und Unternehmer Geboren 1967, arbeitet als Publizist, war Dozent für Kommunikation, ist Inhaber der Traditionsmarke MOST Schokolade und betreibt in Berlin die gemeinnützige Kunsthalle Koidl. Neben zahlreichen Publikationen und vier Büchern zu wirtschaftlichen Themen veröffentlichte Roman Maria Koidl 2010 den Bestseller „Scheißkerle . Warum es immer die Falschen sind“. Im neuen Buch „Blender“ zeichnet er das Psychogramm von Schlipswichsern, Bildungsblendern und Konjunktivmännern, die den Karrieren talentierter Frauen im Weg stehen. Roman Koidl hat österreichische Wurzeln, er lebt in Zürich.

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