Wirtschaft/Karriere

Birgit Feldhusen: „Alphatiere sind kontraproduktiv“

KURIER: Frau Feldhusen, einer Ihrer Vorträge heißt „Der Geist zukunftsfähiger Organisationen“. Haben Organisationen wirklich einen Geist?

Birgit Feldhusen: Ja. Das ist der sogenannte Collective Mind. Das Feld, in dem man arbeitet, die Begegnungskultur zwischen den Menschen. Man spürt sie, wenn man in ein Unternehmen reinkommt. Oft sagt man ja: „Hier spürt man noch den Geist des Gründers.“

Was ist dieser Collective Mind?

Er entsteht durch Verbindungen der Mitarbeiter und die darin eingebrachte Aufmerksamkeit. Das sind etwa Gesprächsprozesse, Übergaben, die Art wie geredet wird, Wissen geteilt wird.

Was macht konkret eine gute Organisation aus?

Eine Organisation ist dann gut, wenn sie die Ziele, die sie sich gesetzt hat, auch erreicht. Das passiert dann, wenn alle Beteiligten über das, was sie zu tun haben, informiert sind und das auch tun – gemeinsam. Denn die Menschen können nur dann besonders gut gestalten, wenn sie wissen, wie das System funktioniert. Im Moment gibt es in der breiten Masse vielerorts noch kein Verständnis darüber, dass eine Organisation keine Maschine, sondern ein lebendiger Organismus ist, den wir gestalten und der uns gestaltet – und zwar laufend.

Organisationen leben durch Teams. Was macht wiederum ein gutes Team aus?

Für stabile Organisationen hat sich das durch viele Management-Theorien hinreichend geklärt. Für flexible Organisationen hingegen gibt es neue, spannende Erkenntnisse, wie etwa, dass sie sich nicht dadurch auszeichnen, die intelligentesten und allerbesten Mitarbeiter zu haben. Sondern dadurch, eine besondere Kultur zu haben. Laut der „Collective Intelligence“-Studie sind solche Teams besonders empathisch und haben einen ausgeglichenen Anteil an Worten und Redezeit. Da ist das Wie wichtiger als das Wer.

Das Wer spielt keine Rolle?

Natürlich schon, man braucht schließlich die inhaltliche Expertise. Aber wenn man mehrere Teams miteinander vergleicht, ist immer das besser, das eine gute Gesprächskultur gefunden hat. Die Team-Intelligenz hängt davon ab, wie wir miteinander kommunizieren. Sie können Intelligenzbestien an einen Tisch setzen und trotzdem ein dummes Team haben.

Heißt das, in flexiblen Organisationen ist kein Platz für Alphatiere?

Wenn es darum geht, kreative Lösungen zu finden, sind Alphatiere tatsächlich kontraproduktiv. Ein Team, das durch wenige geprägt wird, bleibt hinter seiner Leistungsmöglichkeit zurück.

Warum?

Ein Alphatier ist sicher erfahren und kann Menschen überzeugen. Sobald es um dynamische und komplexe Umfelder geht, braucht es aber die Intelligenz der Gruppe und unterschiedliche Perspektiven. Nur das kann einen neuen Geistesblitz generieren und nur so können wir die Unterschiede und die Stärken der Einzelnen zu einem Mehr integrieren anstatt sie zu einem Weniger abzuschleifen. Diese Begegnungskompetenz ist etwas, was für Organisationen ein Booster sein kann.

Wie schafft man eine gute Begegnungskultur?

Ich habe 15 Akupunktur-Punkte dafür definiert. Beim Individuum geht es etwa um seine Haltung oder die Intention, warum er arbeitet. Aus Organisationssicht geht es darum, Diversität zu schaffen, sodass immer wieder Neues entsteht.

Glauben Sie, setzen sich Führungskräfte mit diesen weichen Faktoren genug auseinander?

Die Manager wollen oft nur wissen: Was kann ich machen, damit der Profit steigt. Von diesen 15 Faktoren ist keiner so wahnsinnig neu. Aber das Zusammenspiel von ihnen wird oft nicht gesehen und diese Gesamtsicht ist das Entscheidende. Die strenge Fokussierung auf Profit als den ersten und einzigen Messfaktor wird viele Unternehmen, glaube ich, nicht gesund halten. Und die Gesellschaft schon gar nicht. Eine Studie hat aber bewiesen, dass, wenn Führungskräfte diese Faktoren verinnerlichen, dann auch der Gewinn steigt. Da braucht es aber erstmal ein Umdenken, das sicher auch mit schmerzhaften Effekten einhergeht.