Wirtschaft/Karriere

Bewerbung: Keine Hürden mehr

Markus und ich haben ein Projekt. Seit fünf Monaten arbeiten wir jede Woche daran. Wir üben seinen Auftritt, wir üben Bewerbungsgespräche, wir lesen Job-Inserate, wir verfassen seinen Lebenslauf und sein Bewerbungsschreiben. Markus und ich haben ein Projekt: Eine Lehrstelle im Handel für ihn zu finden.

Nachdem wir alle Vorbereitungsarbeiten gemacht, die Schriftstücke verfasst und die Zeugnisse sortiert haben, schreiten wir zur Tat. Wir wollen uns bewerben und suchen dafür die Einzelhandelsbetriebe im Land heraus. Dann wird es unvorhersehbar schwierig.

Denn: Bei fast allen Handelsbetrieben kann man sich ausschließlich über Formulare auf der Homepage bewerben. Wir füllen also aus, Formularseite um Formularseite. Wir stürzen ab, fangen von vorne an. Wir füllen wieder aus und wollen unsere Schriftstücke, das letzte Bisschen Individualität, hochladen. Wieder nix, Absturz. Error. Hochladen misslungen. Dann sollen wir uns tunlichst anmelden, die privaten Daten speichern. Das wollen wir, aber es klappt nicht mit unserem Benutzerkonto. Denn: "Das Passwort muss eine Mindestlänge von acht Zeichen haben und Buchstaben mit Groß-/Kleinschreibung, Zahl und Sonderzeichen beinhalten", erklärt das System. Es ist zum Haareraufen.

Zwei Stunden später haben wir es schließlich geschafft, uns zwei Mal digital zu bewerben. Wir brechen für heute entnervt ab, vertagen einen weiteren Anlauf auf nächste Woche.

Bedanken wollen wir uns an dieser Stelle bei der einzigen Ausnahme: Penny. Dorthin darf man ein Kuvert per Post schicken. Das ist richtig persönlich, finden wir – und versöhnlich.

„Ihre Bewerbung richten Sie bitte ausschließlich über unser Online-Bewerbungsportal an uns“ – so wollen das die (großen) Firmen, so steht es auf ihren Webseiten geschrieben. Bitte keine Post, keine Papiere per eMail – auf den Homepages gibt es Formulare, über die eine Bewerbung laufen soll.

Muss man so?

Darf man den Online-Bewerbungsakt umgehen? Unsere Nachfrage zeigt: Es geht auch anders. Sowohl REWE (und damit Billa, Merkur, Bipa, etc.) und Spar akzeptieren alle Wege der Kontaktaufnahme. „Wir nehmen Bewerbungen immer an, online ist für uns nur eine zusätzliche Möglichkeit. Jedenfalls akzeptieren wir auch Postsendungen oder Bewerbungen per eMail direkt an die Personalabteilung“, sagt Nicole Berkmann von Spar Österreich. Und geht noch einen Schritt weiter: „Man kann auch den Weg direkt zum Marktmitarbeiter suchen“, sprich: sich in der Filiale vor Ort bewerben. Denn: „Wir sind froh, wenn sich die Leute rühren“, erklärt Berkmann.

Dass es kein Nachteil ist, sich andere Wege abseits des Onlineformulars zu suchen, bestätigt auch REWE. Die digitale Bewerbung über die Homepage werde zwar bevorzugt, „weil wir die Daten damit gesammelt und vorstrukturiert bekommen“, so Pressesprecherin Ines Schurin. Doch sie sagt ebenfalls: Alle Wege sind möglich – auch die direkte Bewerbung im Supermarkt.

- Sandra Baierl

Hundert Kandidaten bewerben sich für einen Marketingjob im Konzern. Die Mehrheit hat BWL studiert und im Marketing gearbeitet. Der Klassiker.
Dabei haben oft jene Chancen auf den Job, die anders sind, sagt Katharina Janauschek, Personalchefin von Unilever Österreich: „Ich lasse mich gern von Kandidaten überraschen. Menschen mit dem etwas anderen Lebenslauf bereichern das Unternehmen.“ Für Marketing-Jobs seien etwa Psychologen gefragt und im Bereich Lebensmittel setzt Unilever auch Bodenkultur-Absolventen ein. Das zieht sich durchs Unternehmen: Bei Unilever sitzen Köche im Management und die Immobilienmakler im Trainee-Programm. Bewerben Sie sich auch auf Jobs, in die Sie bewusst neue Sichtweisen einbringen können.

Persönlich?

Bei standardisierten Bewerbungsprozessen bleibt den Kandidaten nur wenig Raum für Individualität. Abheben könne man sich durch ein gutes, persönliches Anschreiben, sagt Roswitha Hill von der Personalberatung Hill Woltron: „Hier sollte man seine Stärken und seine Branchenerfahrung hervorheben und zeigen, dass man sich mit dem Unternehmen beschäftigt hat.“ Davon, die Bewerbung persönlich vorbeizubringen, um Eindruck zu hinterlassen, rät die Expertin ab. Das sorge eher für Unmut.

- Nicole Thurn

Drei Jahre Berufserfahrung, Englisch fließend, teamfähig und kommunikativ: Diese Anforderungen sind in Stelleninseraten obligatorisch. Doch oft ist die Liste deutlich länger. Abschrecken lassen sollten sich Bewerber nicht: „75 Prozent der Anforderungen in unseren Inseraten sollte der Bewerber erfüllen“, sagt Mark Frost, Chef der Personalberatung Hays. Firmen rät er, in Inseraten zwischen „Must-haves“ und „Nice-to-haves“ zu unterscheiden: „Das macht es für beide Seiten einfacher.“

Ansonsten bleibt dem Bewerber nur, zwischen den Zeilen zu lesen, mit Hausverstand. „Ein Senior-Job mit der Anforderung ,fünf Jahre Berufserfahrung‘ ist nichts für Absolventen“, so Frost. Viele würden sich nicht treffsicher bewerben: „Männer tun es, wenn sie nur zehn Prozent der Anforderungen erfüllen, Frauen nicht einmal, wenn sie 90 Prozent erfüllen. Im Zweifelsfall sollte man in der Personalabteilung anrufen. Sinnfreie Bewerbungen seien für alle Beteiligten viel Arbeit.

Mangel vs. Masse

Silvia Karnitsch, Personalberaterin bei ISG, sagt: Für Positionen mit Bewerbermangel habe man auch gute Chancen, wenn man nur 70 Prozent der Anforderungen erfüllt, bei stark nachgefragten Jobs müsse man schon 100 Prozent oder mehr bieten. Begriffe wie teamfähig, kommunikativ, Führungskompetenz seien nicht allzu ernst zu nehmen. „Das sind Worthülsen – im Inserat wie im Bewerbungsschreiben.“

- Nicole Thurn

Zwei Wochen ist es her und immer noch nichts. Viele Bewerber kennen das: Sie warten auf eine Antwort. „Wenn man sich für die Position interessiert, empfehle ich, unbedingt nachzufragen“, sagt Roswitha Hill von der Personalberatung Hill Woltron.

Die Firmen tun sich mit einer Absagepolitik à la „keine Antwort ist auch eine Absage“ nichts Gutes. „Bekommt das Unternehmen keine Absage auf die Reihe, werten die Bewerber das zu Recht als mangelnde Wertschätzung oder schlechte Organisation“, sagt Silvia Karnitsch von ISG. Allzu viel erwarten sollten sich Bewerber auch von einer Absage nicht, denn große Unternehmen verwenden aus Zeitgründen meist Floskeln wie „Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen ...“.
„Doch die Kandidaten möchten verständlicherweise erfahren, was der Grund für die Absage ist und was sie das nächste Mal besser machen können“, sagt Hill. Auch hier gilt: Mit einem Anruf lässt sich Licht ins Dunkle bringen.

Suche nach dem Grund

Differenziertes Feedback sei auch auf Nachfrage nicht selbstverständlich, sagt Silvia Karnitsch. „Wir Personalberater wissen oft selbst nicht, welcher Grund ausschlaggebend für die Absage war. Ich versuche es anhand der Unterlagen einzuschätzen.“ Nicht immer liege es am Bewerber: „Manchmal wird doch ein interner Kandidat bevorzugt oder es war einfach das falsche Timing.“

- Nicole Thurn