Wirtschaft/Karriere

Arbeiten für die anderen

Arbeiten, um Geld zu verdienen – wahrscheinlich muss das der Großteil der Menschen von sich behaupten. Arbeiten, um zu helfen – wie viele können das von sich sagen?

Es gibt Berufe, die von der breiten Masse gescheut werden. Sie werden mystifiziert, nicht ganz durchschaut – man distanziert sich lieber davon. In diesen sozialen Jobs geht es nicht um einen selbst oder darum, besonders hohe Umsätze zu machen. Hier geht es einzig um das Wohl der Mitmenschen. Auch darum, sich mit den Schattenseiten des Lebens zu beschäftigen. Nicht jeder ist deshalb für diese Arbeit geschaffen. Man braucht eine starke soziale Ader, feste Werte, Geduld und Wertschätzung für sein Gegenüber.

Jenen, die diesen beruflichen Weg einschlagen, wird die notwendige Wertschätzung oft nicht entgegengebracht. "In der Gesellschaft ist das, was wir tun, nicht sehr bekannt", sagt Krankenhaus- und Notfallseelsorgerin Claudia Schröder. Sonderhortpädagogin Kerstin Bittermann findet, auch finanziell würde die Arbeit nicht genug honoriert.

Jobs für die Zukunft

Dabei sind es Jobs, die aus der Gesellschaft nicht wegzudenken sind. Soziale Berufe, Hilfsdienste und die Pflege werden auch künftig immer gebraucht. Das fordert alleine die alternde Gesellschaftsstruktur – bis 2060 wird in Österreich die Zahl der über 65-Jährigen auf 2,5 Millionen steigen.

Die Nachwuchssituation in ihrem Bereich sei gut, sagen die Vertreter der drei hier porträtierten Berufe. Was ihre Arbeit empfehlenswert macht, ist das Gefühl, nicht etwa mit Zahlen jongliert oder etwas verkauft, sondern Wertvolles geleistet zu haben. Schon Goethe schrieb: "Nur der ist froh, der geben mag." Und man spürt: Dritte begegnen diesen Menschen anders, als jenen, die Geschäfte machen. Es gibt einen natürlichen Respekt vor ihrer Selbstlosigkeit, eine tiefe Sympathie für ihr Tun. Um es in den Worten von Feuerwehrmann Kurt Kases zu sagen: Sie sind "ein bisschen wie die Helden der Neuzeit."

Claudia Schröders Arbeit fängt dort an, wo andere nicht mehr weiter wissen. Dort, wo Patienten oder ihre Angehörigen ein offenes, nicht urteilendes Ohr brauchen, weinen, lachen oder einfach nur schweigen. Die 49-jährige evangelische Pfarrerin ist Krankenhausseelsorgerin im Otto-Wagner-Spital und in der Rudolfstiftung in Wien und bildet ehrenamtliche Krankenhausseelsorger aus. Was ihre Arbeit genau ausmacht? „Es ist ein Angebot zum Reden“, erklärt sie bescheiden.
Gerade im Krankenhaus könne ein Tag lang werden, weiß Schröder aus 15-jähriger Erfahrung. Hier bewegt einen Verschiedenes. Oft gehe es um Leidenswege, schlimme Diagnosen, Ängste. Oft aber auch um Hoffnung, Träume und Erlösung. Manchmal erreiche die Begegnung zwischen Seelsorger und Patienten eine abstrakte Ebene. „Es geht hier nicht um Antworten. Erstmal ist es wichtig, alles, was an Gefühlen da ist, ausdrücken zu können.“
Wird Schröder angerufen, ist etwas passiert. „Es geht dem Ende zu, zum Beispiel“, erklärt sie gütig. Was folglich geschieht, ist nie gleich. Aber nicht nur dann bekommt sie ganze Lebensgeschichten anvertraut. „Ich gehe in diesen intensiven Begegnungen ein Stück mit den Menschen mit. Dadurch kann ich auch Angehörige entlasten.“

KURIER: Wie gehen Sie mit schweren Schicksalen von Menschen um?
Claudia Schröder: Ich bin nah, habe gleichzeitig aber auch eine gesunde Distanz. Mich berührt es im Moment, aber ich darf und kann auch wieder gehen. Ich bin nicht die Ehefrau, die Schwester oder die Tochter. Diesen Abstand brauche ich auch, um hilfreich sein zu können.

Ist Ihre Arbeit je getan?
Ich habe keinen Auftrag, da ist kein Ziel – ich muss nichts erreichen, ich bin nur da. Manchmal spüre ich am Ende eines Gesprächs eine längere Art des Händedrucks oder es zeigt sich – bei aller Schwere – eine hoffnungsvolle Regung im Gesicht.

Und wer hört Ihnen zu?
Es ist wichtig, sich jemanden zu suchen, der einem auch selber zuhört – Supervision gehört zu unserer Arbeit dazu.

Was bewegt jemanden dazu, sich von der Kindergarten- und Hortpädagogin zu einer Sonderhortpädagogin umschulen zu lassen? „Einfach Berufung“, erklärt Kerstin Bittermann sachlich. Die 32-Jährige betreut seit vergangenem Jahr die Integrationshortgruppe im Kindergarten in der Rosenackerstraße 5 in Wien. Nach der Schule kommen sechs- bis zehnjährige Kinder zu ihr, um Hausübungen zu machen, zu malen, ihre Sinne zu schärfen, Freundschaften zu knüpfen und sich weiterzuentwickeln. „Hier wird gebildet und nicht betreut“, stellt sie klar.
Rund sechs Kinder ihrer 20-köpfigen Gruppe haben besondere psychische oder physische Bedürfnisse. Mit dabei sind etwa Sprach- oder Lernstörungen, allgemeine Entwicklungsretardierungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder Bipolare Störungen. Viele Menschen schüren bei diesem Thema Vorurteile, distanzieren sich lieber. Bittermann setzt sich ein.

KURIER: Sie betreuen Kinder mit seelischer und körperlicher Beeinträchtigung. Wie gehen Sie damit um?
Kerstin Bittermann:
Jeder von uns hat besondere Bedürfnisse. Manche mehr, manche weniger. Darauf gehe ich ein. Ich hole die Kinder dort ab, wo sie in ihrer Entwicklung stehen. Ich sehe im Alltag aber gar keinen Unterschied zu anderen Kindern. Ich sehe eine Vielfalt und diese sollte Normalität sein – das ist sie für mich. Dennoch ist Supervision extrem wichtig. Heimgehen und sich nicht mehr mit der Arbeit zu beschäftigen – das geht in diesem Beruf nicht. Ich bin nicht allwissend und brauche den Austausch, auch mit Kollegen.

Was erfüllt Sie an diesem Job?
Von den Kindern kommt unmittelbar viel zurück. Auch in meinem Bekanntenkreis ist die Wertschätzung groß. Die Honorierung könnte besser sein, aber das ist nicht der Grund, warum ich diese Arbeit mache.

Wann wissen Sie, dass Sie Ihren Job gut gemacht haben?
Wenn wir’s lustig haben, wenn positives Feedback von den Kindern kommt und ich Fortschritte in ihrer Entwicklung sehe. Gehe ich glücklich nach Hause und sehe, den anderen geht es auch gut, dann war’s wieder super.

„Es hat furchtbar nach Gas gerochen, es war wie eine Wand, die dich gestoppt hat“, erzählt Kurt Kases von einem Einsatz. Die Wohnungstür, aus der das Gas strömte, war weit geöffnet, drinnen lag ein Mann vor dem Ofen. Nur einer der Feuerwehrmänner im Team hatte eine Gasmaske. Die anderen hielten minutenlang den Atem an, als sie den Bewusstlosen aus der Wohnung zerrten. Die Wiederbelebung war erfolglos. „Er wollte sich umbringen“, sagt Kases, „und er hat es geschafft“.
Der 28-Jährige ist seit fast acht Jahren bei der Wiener Berufsfeuerwehr. In dieser Zeit konnte er trotz erschütternder Erfahrungen auch viele Leben retten. Seine Arbeit wird gebraucht – im Schnitt rückt in Wien alle 14 Minuten ein Einsatzfahrzeug aus. Manchmal, um die Schlüssel aus dem Kanal zu fischen. Oft, um Leben zu retten. Kases wollte schon von klein auf helfen. In der Praxis heißt das: Gefahren-Momente im Alltag erkennen, sich blind aufs Team verlassen, Angst überwinden, Stress standhalten. Vor allem die psychische Fitness ist für den Beruf Voraussetzung.


KURIER: Sie riskieren für andere oft Ihr Leben. Warum tun Sie das?
Kurt Kases:
Die Feuerwehr hat eine starke Ausstrahlung. Die Feuerwehrleute sind ein bisschen wie die Helden der Neuzeit. In diesem Job fühlt sich einfach jeder berufen, anderen zu helfen. Wir schauen nicht weg. Man muss immer das Möglichste tun.

Was ist das Schönste an der Arbeit?
Wenn du Leben gerettet hast, hast du ein unmittelbares Erfolgserlebnis. Man tut etwas Gutes. Man kann nicht sein ganzes Leben lang nur des Geldes wegen arbeiten. Mir ist wichtig, dass ich sagen kann: Was ich mache, ist nicht unnötig. Ich bin um sechs Uhr in der Früh in der Arbeit, weil ich gerne herkomme.

Oft müssen Sie auch Todesfälle verkraften. Wie verarbeiten Sie solche Einsätze?
Wir setzen uns mit den Kollegen zusammen und reden darüber. Ältere erzählen dann auch aus ihren Erfahrungen. Runterschlucken und den Helden spielen bringt gar nichts – wir sind alle nur Menschen, vieles geht einem nahe. Manchmal braucht man auch schwarzen Humor.