Anna Mayr: Geld spielt keine Rolle
Von Jennifer Corazza
Ein winziges Glas mit Trüffeln, 50 Gramm, 16,85 Euro. Anna Mayr greift zu. Sie mag Trüffel. Aber nicht das Gefühl, das sich nach dem Kauf breitmacht. Denn Geld gab es in ihrer Kindheit zu wenig. Dass sie es jetzt fast gedankenlos ausgibt, bringt sie zum Nachdenken.
68 Euro für einen Skipass, 225 Euro für eine Katzentherapeutin – alles völlig normal oder nicht? Skepsis ernten die 5 Euro für ein Glas Rotwein: Muss der nicht teurer sein, um auch was zu taugen?
Und wie steht es um das Hochzeitskleid, das 785 Euro gekostet hat? Noch immer ein Schnäppchen, wenn man diversen Fernsehsendungen, in denen angehende Bräute zur Anprobe begleitet werden, Glauben schenkt. Wo es völlig logisch ist, dass Familien jahrelang sparen, um die Tochter einmal im 1.800-Euro-Glitzerkleid zu erleben.
Anna Mayrs eigene Großmutter heiratete in Schwarz. Damit das Kleid auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder getragen werden kann. Auch die Autorin nimmt sich vor, nach diesem Gedanken zu konsumieren. Und bestellt am Ende ein Kleid, das der australischen Designerrobe, die stolze 4.000 Euro kostet, am ähnlichsten sieht.
In „Geld spielt keine Rolle“ erzählt die Zeit-Journalistin von ihrer eigenen Bürgerlichwerdung und darüber, warum sie sich selbst manchmal am liebsten enteignen würde.
Denn ist es wirklich ein persönlicher Aufstieg, wenn man sich nach „harter Arbeit“ ein teures Kleidungsstück leistet, fragt sie. Und ist es der Rand der Gesellschaft, wenn man im Winter nur ein Zimmer beheizt oder sich keine jährliche Fernreise leisten kann? Oder ist es eine unfaire Verteilung von Privilegien, die letztlich eine ganze Gesellschaft spaltet.
Anna Mayr wurde 1993 in einer Mittelstadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets geboren. Sie studierte Geographie und Literatur in Köln, schrieb für eine Boulevardzeitung, arbeitete als Deutschlehrerin, lernte an der Deutschen Journalistenschule in München, landete dann beim Zeit-Magazin. Heute ist sie Redakteurin im Politik-Ressort der Zeit und lebt in Berlin. Bei Hanser Berlin erschienen von ihr Die Elenden (2020) über Armut und Arbeitslosigkeit und zuletzt Geld spielt keine Rolle (2023).