Anleitung zu 100.000 Euro Jahresgehalt
Von Sandra Baierl
Der Satz wird oft strapaziert: "Die Jungen sind die erste Generation, die weniger haben wird als ihre Eltern." Tatsächlich ist der Befund zur Joblage trist. Gute Stellenangebote sind selten, Firmen bauen Personal nicht im großen Stil auf, sondern eher ab; sie besetzen möglichst günstig nach, wenn teure Altverträge aufgelöst werden. Gerade die Einstiegsgehälter für Junge werden betont niedrig gehalten. Das alles führt zur These des Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Picketty, der sagt: Durch Arbeit kann man heute nicht mehr reich werden. Ein Leben aufbauen im Stil der Eltern und Großeltern, Besitztümer anschaffen – finanziell geht sich das heute nicht mehr leicht aus. Weshalb die Frage unserer Praktikantin und ihrer Freunde (siehe Seite 5) durchaus berechtigt ist: Wie sollen wir jemals richtig Geld verdienen?
Mit dieser Frage sind wir in Klausur mit Conrad Pramböck gegangen, er ist der Gehaltsexperte im Land. Pramböck beschäftigt sich in seinem Arbeitsleben ausschließlich mit Einkommen, er erforscht Gehaltsstrukturen, kennt die Einkünfte der Österreicher. Wir wollen von ihm wissen: Wie schafft man es heute auf 100.000* Euro Jahresgehalt, das sind 7143 Euro* im Monat.
Am Anfang sind alle gleich
Der Experte zeichnet für uns Karrierewege. Aber egal, welchen Ausbildungsweg jemand wählt, finanziell macht das Anfang 20 de facto keinen Unterschied. Ein ausgelernter Lehrling verdient Anfang 20 rund 25.000 bis 30.000 Euro brutto (oder 1800 bis 2200 Euro brutto im Monat). Ein Maturant verdient das Gleiche, ebenso ein Bachelor. Auch die Krankenpflegerin und der Kindergärtner verdienen 25.000 bis 30.000 Euro brutto im Jahr. "Es ist einzementiert: Anfang 20 verdienen alle das Gleiche. Sogar wenn man nicht arbeitet, kommt man auf österreichischem Weg auf dieses Einkommen: mit Mindestsicherung und Pfuschen", so Pramböck.
Aber dann wird es interessant
Je besser die Ausbildung, desto leichter ist auch der Aufstieg und somit die finanzielle Verbesserung, desto mehr Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich im Jobleben. Was es dafür braucht, ist jedoch Geduld. "Ich merke, dass die junge Generation sehr ungeduldig ist und alles sofort haben will – das funktioniert in Karrierefragen aber nicht", sagt Pramböck. Er rät: Bleiben Sie so lange bei einer Firma, wie Sie dort Ihre beruflichen Vorstellungen verwirklichen können – völlig unabhängig davon, wie viel Zeit bereits vergangen ist. Vom programmierten Jobwechsel alle paar Jahre hält er nichts. Denn auch, wenn die Einstiegsgehälter exakt dort liegen, wo sie schon vor zehn Jahren waren: der finanzielle Aufstieg kommt mit den Berufsjahren.
Welche Steigerungen?
Finanziell steigt man in den ersten zwanzig Berufsjahren um zumindest drei Prozent pro Jahr, das Mittelfeld schafft, mit mehr Engagement, sogar fünf Prozent. Wer sieben Prozent Gehaltssteigerung pro Jahr zustande bringt, ist absolut top. Konkret heißt das: Wer mit 22 Jahren ein Bruttojahresgehalt von 30.000 Euro hat, schafft bis 40 zumindest 50.000 Euro (+3 %), das gute Mittelfeld schafft 72.000 (+5%), die Spitzenkräfte sogar 100.000 Euro (+7%). "Wer eine gute Ausbildung hat und halbwegs geschickt ist, kriegt also 70.000 Euro im Jahr bis zum Vierziger gut hin", so der Experte. Für Akademiker sei das einfacher als für Fachkräfte. Will man allerdings die 100.000er-Schwelle erreichen, muss man das strategisch angehen. Weil dort wird die Luft extrem dünn. Der Experte nennt drei Strategien, um die 100.000er-Schwelle zu erreichen. Strategie eins: möglichst schnell Verantwortung zu übernehmen und Chef werden. Strategie zwei: das Expertentum. Und drittens, aber schwierig: der Weg in die Selbstständigkeit (siehe Storys rechts).
Die Geldbranchen
Bei der Auswahl der Branche hat Pramböck eine eindeutige Präferenz: Verkauf und Vertrieb sind am lukrativsten. "Wenn man sich im Umgang mit Menschen irgendwie wohlfühlt, geht man in den Verkauf. Am Ende sind wir doch alle Verkäufer, aber nur die Verkäufer verdienen gut damit", sagt er. Ein guter Vertriebler habe 50 Prozent Grundgehalt und 50 Prozent Bonus (oder eine 60:40-Variante). Da komme man schnell auf 100.000 Euro, wenn man den Job beherrscht. Aushalten müsse man allerdings den Druck: Umsatzvorgaben, oft in zweistelliger Höhe, die immer weniger diskutierbar seien; und die Tatsache, dass Firmen kein Gedächtnis haben. "Wenn der Umsatz nicht passt, ist der Erfolg des Vorjahrs irrelevant." Als besonders gut bezahlte Arbeitgeber nennt Pramböck zudem: "geschützte" Bereiche wie die Nationalbank, den Rechnungshof, auch wenn dort der Privilegienabbau voll im Gange ist; Investmentbanking, obwohl viel schwieriger als früher; und M&A-Abteilungen in Anwaltskanzleien.
Für Superstars
Eine interessante Rechnung stellt der Experte für jene auf, die ganz hoch hinaus wollen. Sehr wenige eines Jahrgangs schaffen es, alle fünf Jahre das Gehalt zu verdoppeln. Das sieht dann so aus: Einstieg mit 25 Jahren und 30.000 Euro, 60.000 Euro mit 30 Jahren. Mit 35 Jahren hievt man sich auf 120.000 Euro, das wird zwar schon schwieriger, geht aber etwa als Bereichsleiter in einer Firma mit 1000 Mitarbeitern. Mit 40 kann man es auf 240.000 Euro schaffen, das kriegt man mit einem Angestellten-Job aber nur hin, wenn man zum Geschäftsführer einer 1000-Mann-Firma wird. Mit 45 Jahren auf 500.000 Euro: auch das geht, etwa als Vorstand eines ATX-Unternehmens mit 5000 Mann. Viele solcher Unternehmen gibt es in Österreich aber nicht mehr. Das gilt auch für die nächste Stufe: Es mit 50 Jahren auf eine Million zu schaffen, ist als Vorstandsvorsitzender oder Generaldirektor eines ATX-Konzerns möglich. Diese Mega-Karriere könnten die Superstars unter den Managern, Anwälten und Wirtschaftsprüfern schaffen. Was das Rezept für sie ist, bei totalem Einsatz nicht zu verglühen, darauf hat selbst der Experte keine Antwort.* alle Angaben sind Bruttobeträge
Laut Experte ist das Management der einfachste Weg, um zu 100.000 Euro Jahresgehalt zu gelangen. Dafür sei nicht einmal eine Top-Führungsposition notwendig, es reichten zehn bis zwanzig Mitarbeiter: bei einem großen Unternehmen in der dritten Ebene (Abteilungsleiter), in einem mittelgroßen in der zweiten Ebenen (Bereichsleiter) oder als Geschäftsführer einer kleinen Firma. Entscheidend: Verantwortung übernehmen. Denn einen Führungsjob bekommt, wer schon vorher zeigt, dass er Verantwortung tragen kann. Je höher die Ausbildung, desto einfacher ist dieser Aufstieg. Es gibt durchaus Führungskräfte, die mit Lehre in die 100.000-Euro-Region vordringen, mit Matura und Studium ist es jedoch leichter.
Weil nicht alle Führungskraft sein wollen und können: Experte zu werden, Spezialist für eine Sache, bringt einen auch in die 100.000-Euro-Region. Pramböck gibt den Generalisten eine Absage , denn „alles ist nichts“. Wer viel verdienen will, muss seine Nische finden, muss in seiner Sache richtig gut sein – der Beste oder noch besser: der Einzige! Denn wenn man nicht im Wettbewerb mit anderen ist, kann man die Rahmenbedingungen vorgeben. Gerade Techniker könnten gut verdienen, mit ein bisschen Gespür für Menschen. Viele Techniker verkauften sich aber schlecht. „Wenn Techniker sich so gut verkaufen würden wie die WU-Absolventen, würden wir uns keine Techniker mehr leisten können“, so Pramböck.
Dritter und schwierigster Weg zu einem sechsstelligen Jahresgehalt: Man gründet sein eigenes Unternehmen. Aus Expertensicht der härteste Weg, nur wenige schaffen es, damit wirklich erfolgreich zu sein. Man müsse wissen: Der Einsatz als Selbstständiger ist immens hoch. Viele Selbstständige würden zwar mit einer guten Idee starten, aber die Kunden fehlen oft. Dabei sei der Kundenfokus das Allerwichtigste. Zudem dauere es, bis sich der Umsatz entwickelt, bis man tatsächlich 100.000 Euro als Gewinn aus der Firma nehmen kann. Bis dahin vergehen Jahre. Vor allem das dritte Firmenjahr sei entscheidend, weil dann die Steuerzahlungen schlagend werden. Ein Drittel aller Neugründungen überlebt das dritte Jahre nicht.